Hochhäuser für München:Hohe Türme bräuchten einen breiten Konsens

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Eine neue Bürgerbefragung könnte der Stadtpolitik den Weg weisen.

Festhalten an Münchens Sichtachsen – oder neue Marken setzen mit Hochhäusern? Eine Dauerbrenner-Debatte in der Landeshauptstadt. (Foto: Niels P. Joergensen)

"Bei 60 Metern soll Schluss sein" vom 14./15. Mai:

Neues Bürgervotum nötig

Die beiden 150 Meter hohen Wolkenkratzer, die der Projektentwickler Ralf Büschl bei der Paketposthalle errichten lassen möchte, würden das Erscheinungsbild des Rondells vorm Nymphenburger Schloss, immerhin eines Denkmals von europäischem Rang, ganz empfindlich stören.

Muss das sein? Nein. Die Stadt könnte die Bauhöhe mit einem Federstrich auf ein verträgliches Maß reduzieren, so wie sie es noch vor Kurzem bei anderen Hochhäusern in unmittelbarer Nähe des neuen Projekts gemacht hat. Diesmal aber scheinen alte Begründungen nicht mehr zu gelten. Warum? Weil der Projektentwickler verschiedene unwiderstehliche Köder ausgelegt hat: Eine beträchtliche Zahl von Wohnungen, auch "bezahlbaren", ein weltberühmtes Architekturbüro und das Versprechen, aus der Paketposthalle einen attraktiven Veranstaltungsort machen zu wollen.

Die beiden Hochhäuser aber müssen vor allem aus zwei Gründen so überdimensional ausfallen: Erstens weil die vielen Quadratmeter Geschossfläche, die die Stadt dem Investor bereits in Aussicht gestellt hat, auf diesem Grundstück anders kaum unterzubringen wären, und zweitens, weil ein spektakuläres Projekt wesentlich besser zu vermarkten wäre als eines, das im baulichen Einerlei entlang der Bahnlinie unterginge. Welche Begründungen Herr Büschl sonst noch nennen mag, entscheidend ist sein - keineswegs unehrenhaftes - wirtschaftliches Interesse. Inzwischen lässt er durchblicken, dass er das Interesse an der ganzen Sache verlieren könnte, sollte man mehr als kosmetische Korrekturen von ihm verlangen.

Die städtischen Entscheidungsträger haben sich in dieser Sache als so leicht beeinflussbar und wenig urteilsfähig erwiesen, dass es nicht genügt, wenn die Bürger nur über dieses einzelne Projekt abstimmen. Auch deshalb, weil sich wahrscheinlich nicht allzu viele Einwohner von Solln oder Trudering für Nymphenburger Probleme interessieren dürften. Besser wäre es, nach fast 20 Jahren erneut eine Grundsatzentscheidung herbeizuführen. Wenn die Bürger sich dann gegen eine generelle Höhenbegrenzung aussprechen, dann ist ihnen das traditionelle Münchner Stadtbild eben nicht so wichtig. Siegt aber die Mäßigung, dann kann der Stadtrat den Bürgerwillen nicht mehr, wie bald nach dem letzten Entscheid, in Zweifel ziehen.

Axel Lehmann, München

Sichtachsen dauerhaft schützen

Die das Stadtbild von München bis heute prägende Stadtplanung Theodor Fischers zu Beginn des 20. Jahrhunderts setzte auf eine horizontal angelegte Stadtplanung und auf Sichtachsen. Grundsätzlich sollte die bis in die Siebzigerjahre geltende Staffelbauordnung sicherstellen, dass kein Gebäude die Sicht über die Stadt verstellt. Im horizontal angelegten Stadtkörper Münchens dominieren die Straßenfluchten mit den durchgehenden Traufen das Stadtbild, so die von der Stadt in Auftrag gegebene Hochhausstudie vom 21. Januar 2020. Jede Vertikale wirke in diesem Grundriss wie ein Akzent.

Der städtebauliche Aspekt der Sichtachsen, der München immer geprägt hat, wird in der öffentlichen Diskussion meist vernachlässigt.

Bis heute steht die Frauenkirche am Ende der Straßenflucht vieler Einfallstraßen und dominiert als Wahrzeichen die Altstadt. Das gilt auch für eine Reihe weiterer Sichtachsen, wie die der Ludwigstraße, die inzwischen durch Helmut Jahns zwei 126 und 113 Meter hohe Hochhäuser, die sogenannten Highlight Towers, verstellt ist. Auch das ohne städtebauliches Konzept 2004 und als Solitär errichtete, 146 Meter hohe Hochhaus von Ingenhoven am Georg-Brauchle-Ring stört die vom Schloss aus zu sehende Silhouette des Schlossrondells empfindlich. Dieser Fehler sollte nicht wiederholt werden.

Der Umgang mit Hochhäusern ist weniger bedenklich, wenn keine der historischen Bauten, Ensembles oder Stadtbilder betroffen sind. Erhöhte Sensibilität ist laut Hochhausstudie der Stadt München geboten, wenn Hochhäuser an bestimmten Standorten eine Wirkung auf historische Stadträume beziehungsweise auf das überlieferte Stadtbild haben.

Als typisches Beispiel nennt die Studie ausdrücklich das Schlossrondell des Schlosses Nymphenburg, das auch als sensibles Stadtbild gelten sollte. Insbesondere die Parks - also neben dem Englischen Garten vor allem der Nymphenburger Park - inszenieren einen Naturraum. Sie funktionieren als gebaute und angelegte Illusion, deshalb darf kein Hochhaus von ihnen aus sichtbar sein, so die Hochhausstudie vom 21. Januar 2020. Denn dies würde die Illusion aufbrechen und damit dem Charakter dieser Stadträume und der Geschlossenheit ihrer historisch überlieferten Stadtbilder erheblich schaden.

Dazu kommt, dass Hochhäuser in der Realisierung und im Unterhalt in der Regel aufwendiger und teurer als vergleichbare Projekte unter der Hochhausgrenze sind, zudem ökologisch in mehrfacher Hinsicht bedenklich.

Es wäre sehr zu begrüßen, wenn die Stadt München ein städtebauliches Konzept vorlegen könnte, das hinsichtlich der Bauhöhen die oben genannten Aspekte berücksichtigen würde.

Dr. Paul Siebertz, München

© SZ vom 18.05.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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