Handwerk:Maler, Maurer, Maske

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Ob Neubau oder Altbausanierung: Handwerker sind gut beschäftigt. Manche haben sogar mehr Arbeit als vor der Pandemie. (Foto: Patrick Pleul/dpa)

Handwerker kommen vergleichsweise gut durch die Pandemie. Die Auftragsbücher sind voll, die Kunden spendabel. Doch die Corona-Regeln machen den Alltag kompliziert.

Von Stefan Weber

Es ist spät am Abend, als das Wasserrohr im Keller bricht. Im Nu ist alles feucht, und der Hausherr weiß nur einen, der jetzt helfen kann: der Installateur-Notdienst. Wenn Frank Senger oder einer seiner Beschäftigten im familiengeführten Sanitärbetrieb in diesen Wochen einen solchen Anruf erhält, beginnt zunächst eine intensive Befragung. Nicht zum Schadenumfang oder zur Lokalisierung des Rohrbruchs, sondern zum Gesundheitszustand des Hausherrn. "Bevor wir einen Auftrag annehmen, klären wir, ob sich am Einsatzort eine Person in häuslicher Quarantäne befindet oder ob dort gar jemand mutmaßlich an Corona infiziert ist", erläutert der Handwerksmeister aus Braunschweig. Ist das der Fall, benötigt Senger für diesen Arbeitseinsatz die Zustimmung des örtlichen Gesundheitsamts. Kommt von dort grünes Licht, muss der Unternehmer sicherstellen, dass der Mitarbeiter, der den Auftrag ausführt, alle notwendigen Hygienevorschriften einhält. Und er darf nur solche Kollegen beauftragen, von denen er weiß, dass sie keine Vorerkrankungen haben.

Badsanierungen und der Austausch von Heizungskessel sind jetzt besonders häufig

Diese Prozedur zeigt beispielhaft: Mit Ausbruch der Corona-Pandemie hat sich im Arbeitsalltag von Handwerkern, die im Baugewerbe tätig sind, einiges verändert. Doch kaum jemand klagt sonderlich laut über strenge Hygieneauflagen oder eingeschränkte Arbeitsbedingungen. Denn alle in der Branche wissen, wie gut sie im Vergleich zu vielen anderen Wirtschaftszweigen dastehen. Auch innerhalb des Handwerks sind Betriebe, die im Bau und Ausbau tätig sind, in einer günstigen Situation. Sie dürfen auch im Lockdown arbeiten, ihre Auftragsbücher sind gut gefüllt. In vielen Fällen sogar besser als in der Zeit vor Covid-19. Senger, der als Vorstandsmitglied des Zentralverbands Sanitär, Heizung Klima (ZVSHK) auch einen guten Blick auf die gesamte Branche hat, beziffert das zusätzliche Plus für seinen Betrieb mit 15 bis 20 Prozent. Die liebsten Investitionsobjekte der Bundesbürger in der Pandemie sind nach seiner Beobachtungen Badsanierungen und Heizungskessel.

Ein Anruf bei Dachdeckermeister André Büschkes im rheinischen Euskirchen. Er führt in fünfter Generation einen Familienbetrieb mit neun Beschäftigten und ist zudem Vizepräsident des Zentralverbandes des Deutschen Dachdeckerhandwerks. "Wenn die Menschen, wie jetzt in der Pandemie, über Monate überwiegend zu Hause sind, bekommt Wohnen für sie einen höheren Wert. Sie wollen es zu Hause schön haben und sind bereit zu investieren", meint Büschkes. Die finanziellen Mittel seien häufig vorhanden, so seine Beobachtung. Geld, das nicht ausgegeben wurde, weil die Urlaubsreise ausgefallen sei und Restaurants geschlossen hätten, werde nun in die eigenen vier Wände gesteckt. "Das spüren wir als Betrieb, der überwiegend im Privatkundengeschäft tätig ist, sehr stark." Im März und April vergangenen Jahres sei er wie viele in der Branche zunächst unsicher gewesen, wie die Kunden auf die allgemeinen Einschränkungen reagieren würden. Vielleicht würden viele Menschen aus Sorge um ihre Gesundheit Handwerker zunächst nicht mehr ins Haus lassen und Aufträge aufschieben oder gar gleich stornieren? Doch diese Befürchtung habe sich rasch als unnötig erwiesen - nicht nur mit Blick auf seinen Betrieb, sondern, wie eine Umfrage seines Verbandes gezeigt habe, auch in der gesamten Dachdeckerbranche.

Auch auf Elektrogroßgeräte müssen Kunden oft länger warten

Auch wenn Markus Stahlberg, Elektrotechnikmeister in Krefeld, oder einer seiner vier Mitarbeiter in diesen Wochen Kunden aufsuchen, spüren sie selten Angst. "Im Gegenteil. Manchmal sind wir es, die den Auftraggeber bitten müssen, eine Maske anzuziehen", berichtet er. Auch sein Betrieb hat gut zu tun. Immer wieder muss Stahlberg Anfrager vertrösten. Das gilt nicht für Notfälle oder kleinere Arbeiten, die zwischendurch erledigt werden können. "Wenn es aber beispielsweise um eine umfangreiche elektrotechnische Sanierung eines Altbaus geht, muss ich absagen - es sei denn, die Sache hat drei, vier Monate Zeit", sagt Stahlberg. Im Dezember waren zwei seiner Mitarbeiter für zehn Tage in Quarantäne gewesen. Das verursachte einen weiteren Auftragsstau. Der Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH) berichtet von "zum Teil beachtlichen Auftragspolstern" seiner Mitgliedsbetriebe. Zwar habe es im Frühjahr 2020 einen kurzzeitigen Einbruch gegeben, doch nach dem Wiederhochfahren der Wirtschaft hätten neue Aufträge nicht lange auf sich warten lassen.

Wer eine neue Waschmaschine braucht, muss manchmal mit längeren Lieferzeiten rechnen. (Foto: Christin Klose/dpa-tmn)

Stahlberg zufolge werden viele Kunden zunehmend ungeduldig. Sie ärgerten sich, dass sie nicht nur auf Handwerkerleistungen, sondern auch auf Elektrogroßgeräte länger warten müssten, als sie es aus früheren Zeiten gewohnt seien. Noch etwas fällt dem Betriebsinhaber auf: Anders als früher werde heute nicht mehr so intensiv über den Preis verhandelt.

Kein Wunder - viele Menschen sind froh, wenn Handwerker überhaupt Zeit für ihr Anliegen haben. Schließlich läuft es nach wie vor gut im Wohnungsbau. Dieser Bereich war im vergangenen Jahr erneut eine Stütze der deutschen Konjunktur. Dazu trugen auch staatliche Förderungen wie Baukindergeld oder Sonderabschreibungen für den Bau von Mietwohnungen bei. Rund 300 000 Wohnungen wurden neu erstellt; dazu Zehntausende Renovierungen und Sanierungen. Nach einer ersten Schätzung des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes (ZDB) verzeichnete die Branche 2020 im Wohnungsbau ein Umsatzplus von vier Prozent.

Schlechter sah es aus für Handwerksbetriebe, die im Wirtschaftsbau tätig sind. Hier hätten die Folgen der Corona-Pandemie voll durchgeschlagen, heißt es beim ZDB. "Seit März vergangenen Jahres liegt die Nachfrage in jedem Monat unterhalb des Vorjahres", betont ZDB-Präsident Reinhard Quast. Manche Handwerksbetriebe mit überwiegend gewerblichen Kunden mussten zeitweise sogar kurzarbeiten, weil ihre Auftraggeber vom Lockdown betroffen waren. Recht ordentlich lief dagegen das Geschäft mit öffentlichen Auftraggebern (plus drei Prozent).

Auch im Baugewerbe gelten strenge Hygienevorschriften. (Foto: imago stock&people/imago/Westend61)

Welche Hygieneschutzmaßnahmen müssen Handwerker im Kundendienst und auf der Baustelle beachten? Nahezu alle Verbände haben dazu umfangreiche To-do-Listen für ihre Mitgliedsunternehmen erarbeitet. Die Liste möglicher Fragen (und dazu passender, meist sehr präzisen Handlungsanweisungen) umfasst mitunter gut 100 Punkte. So stellt beispielsweise der ZVSHK für den Fall, dass "ein (ängstlicher) Kunde den Auftrag wegen Corona-Ansteckungsgefahr kündigt", klar: Der Kündigungsgrund "Angst vor Ansteckung" existiert nicht. Könnten die Bedenken des Kunden durch Erläuterung der Präventivmaßnahmen nicht ausgeräumt werden, sollte - soweit möglich - über eine Verschiebung der Ausführung nachgedacht werden.

Doch dazu kommt es offensichtlich nur äußerst selten. In den meisten Fällen sind die Auftraggeber offensichtlich froh, wenn der ersehnte Handwerker endlich im Haus ist - Corona hin oder her. Und sie unterschreiben auf dem Stundenzettel nach getaner Arbeit meist ohne lange Diskussion, was der Handwerker zu Dokumentationszwecken dringend benötigt: dass es in Haus oder Wohnung keinen Quarantänefall und keine erkrankte Person gegeben habe.

Freude über pralle Auftragsbücher kommt in dieser Gemengelage bei Handwerkern dennoch selten auf. Denn Sorgen um die Gesundheit der Mitarbeiter, erhöhter bürokratischer Aufwand und gelegentliche Diskussionen mit ungeduldigen Kunden zehren an den Nerven. "Die psychische Belastung nimmt zu", sagt Elektrotechnik-Meister Stahlberg. Aber er weiß, dass dies eine Klage auf hohem Niveau ist - im Vergleich etwa zu einem Bekannten, der ein Modegeschäft betreibt, das derzeit nicht öffnen darf und für dessen Miete jeden Monat mehrere Tausend Euro fällig sind.

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