Gutes Regieren:Eine Frage von Stil, Maß und Unabhängigkeit

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Im Wahlkampf wird oft eine Neigung zu Verbotspolitik angeprangert, am liebsten, wenn es um die politische Konkurrenz geht. SZ-Leser zeichnen ein sehr differenziertes Bild.

Zu " Verbotspolitik", 11./12. September:

Ständige Sorge um Wählergunst

Die Freiheit des einzelnen endet dort, wo die des anderen beeinträchtigt wird. Kurz gesagt Rücksicht, gesunder Menschenverstand und Umsicht sollten die Prämissen unseres Handelns sein. Diese sind uns über die Prämisse des dauernden Wachstums und Konsums, die zur Grundlage unserer westlichen Zivilisationsgesellschaften geworden sind, in jeglicher Hinsicht verloren gegangen.

Die eigentlich längst zu korrigierenden Auswüchse dieses Handelns wie zum Beispiel Kreuzfahrten, Fliegen zum Billigpreis, unbegrenzter Konsum würden sich eigentlich durch die oben genannten Prämissen von selbst verbieten. Leider hat hier die Politik, die sinnvolle Regularien aus einer gefährlichen Mischung von bewusstem Wegsehen, Bequemlichkeit, Einfluss von Lobbyisten und Angst vor dem Verlust von Wählerstimmen jahrelang nicht eingeführt hat, ebenso versagt wie die Bürger, die solche Regularien lediglich als Verlust individueller Freiheit interpretieren denn als gelebte Verantwortung. Wenn sich nun nach Jahren der Ignoranz und fokussiert durch die Folgen der Pandemie, Abgründe auftun, die nicht mehr ignoriert werden können, sind Parteien, die von grüner Verbotspolitik schwadronieren und sich in roter Socken-Politik ergehen, sehr durchschaubar und offenbaren dahinter stehende Politiker als ewig Gestrige.

Ein Wandel politisch, gesellschaftlich und wirtschaftlich ist also zwingend erforderlich, ein weiteres Aufschieben wäre verantwortungslos.

Oliver Schulze, Detmold

Klare Verhältnisse sind nötig

Niemand kann ernsthaft bezweifeln, dass zu den Instrumenten staatlicher Einflussnahme auf die Gesellschaft neben Geld, dem "goldenen Zügel", auch das eine oder andere Verbot gehören muss. Die Frage ist jedoch in beiden Fällen, wie tief und detailliert der Staat mit der Gesamtheit seiner Mittel in die Gesellschaft hineinwirken sollte, oder wie weit er darauf vertrauen darf, dass diese schon selbst zu Lösungen für die allermeisten Probleme kommen wird. Was die Gesellschaft sicher braucht, sind möglichst klare Verhältnisse und verlässliche Rahmenbedingungen.

Dafür können durchaus auch einmal drastische Eingriffe sorgen. Ein klassischer Fall ist das staatliche Gewaltmonopol. Auch auf den Mindestlohn oder ein generelles Tempolimit kann sich die Gesellschaft einstellen, ohne dass schlimme Folgen für die Selbstregulierung des Arbeitsmarktes oder das Funktionieren des Verkehrssystems zu erwarten wären.

Linke Parteien neigen traditionell dazu, der Privatwirtschaft zu wenig und der Weisheit staatlicher Lenkung zu viel zuzutrauen. Mindestens ebenso sollten sich Wähler aber vor Kräften fürchten, die den Staat aus unreflektierter Wirtschaftsfreundlichkeit zu einem zahnlosen Tiger machen würden.

Axel Lehmann, München

Regulierungswut nimmt zu

Der Kommentar von Herrn Prantl zur Verbotspolitik spricht mir aus dem Herzen mit dem Satz: "Als ob nur die Grünen regulieren wollten! Wer das sagt, ist politisch farbenblind" und ich stimme zu, dass der Klimawandel eine große Herausforderung ist, für den es Regulierungen ohne Schuldenbremse geben muss. Leider geht er aber viel zu wenig darauf ein, dass sich in den vergangenen eineinhalb Jahren bei fast allen Politikern eine geradezu überbordende Regulierungslust bis -wut gezeigt hat, Menschen zu gängeln, den Alltag bis ins Kleinste zu kontrollieren und sogar Grundrechte außer Kraft zu setzen. Wer will dem künftig Einhalt gebieten, wenn nicht wachsame Juristen und Journalisten?! Was von der Politik durchgesetzt wurde, ist kaum noch rückgängig zu machen und damit eine große Gefahr für unsere Demokratie.

Karin Schreiber, Puchheim

Ohne Zwang geht oft nichts

Eine Gesellschaft ohne Regeln ist nicht möglich. Wer Regeln - auch wenn es Verbote sind - generell anprangert, zerstört unsere demokratische Gesellschaft. In der CIG Nr. 37/2021, Seite 2, schreibt Dr. Peter Schellenberg bezogen auf Kants Äußerung: Gesetze sollen gemacht sein "wie für ein Volk von Teufeln": "Ohne Zwang geht im staatlich öffentlichen Raum jenseits des Paradieses und vor Anbruch des Jüngsten Gerichts leider nichts." Eine egozentrische Konsumgesellschaft und eine nur auf Rendite gerichtete Finanzwelt braucht Gebote und Verbote, wenn wir unseren Nachkommen eine einigermaßen intakte Welt überlassen wollen.

Udo Peplow, München

© SZ vom 23.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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