Gesundheitssystem:Kranke Patienten, überforderte Ärzte

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Eine Hausärztin sagt, die Arbeit und die eigene Gesundheit seien in diesem System nicht mehr vereinbar. Eine ehemalige Krankenschwester gibt zu bedenken, dass die Medizin eine Dienstleistung ist.

Zu " Was Ärzte krank macht" vom 27./28. Juli:

Mit großem Interesse las ich den Gastbeitrag von Berndt Birkner, da ich selbst jahrelang als Krankenschwester am Patienten gearbeitet habe. Ich stimme grundsätzlich zu, finde allerdings die Argumente, die er anbringt, etwas zu kurz gegriffen. So führt er an, dass etliche "Patienten mit Befindlichkeiten" die Praxen stürmen würden und dass dies einer der Gründe für lange Wartezeiten sei. Des Weiteren bezichtigt er diese Patienten eines "fehlgeleiteten Körpergefühls", ohne näher auf die Ursachen einzugehen.

Ja, das Gesundheitssystem muss sich von Grund auf ändern, und ja, die Ökonomisierung der Medizin geißelt Ärzte und fördert die Kluft zwischen ihnen und ihren Patienten. Dennoch möchte ich zu bedenken geben, dass die Medizin auch eine Dienstleistung ist. Ärzte schwingen sich oft immer noch als Halbgötter auf, hören nicht zu, erklären nicht ausführlich.

Cindy Pöhler, Landshut

Der Befund von Berndt Birkner ist so treffend wie erschreckend. Unsere Leistungserbringenden, wir Ärzte, aber eben auch die Pflegenden, können unsere Gesundheit und Arbeit in diesem System nicht mehr vereinbaren, und damit kollabiert das Gesundheitssystem.

Die hohe Inanspruchnahme durch Patienten kennzeichnet uns, aber es ist nicht so leicht, ein Gegenmittel zu finden, solange die Gründe nicht klar sind. In meiner Tätigkeit als Hausärztin kann ich wie der Kollege beobachten, dass es auf der einen Seite eine tiefe Verunsicherung gibt, auf der anderen Seite auch eine wahrscheinlich ebenso tiefe wie falsche Annahme getreu dem Motto "Je mehr, desto besser".

Berit Scholle, Diedorf

Da die ärztlichen Leistungen überwiegend als Pauschalen abgegolten werden und man daher meist nur die Möglichkeit hat, auf Masse zu setzen, bleibt das viel gerühmte ärztliche Gespräch in vielen Fällen Wunschdenken. Die Ausführungen und kritischen Anmerkungen von Berndt Birkner kann ich als noch in vollem Umfang tätiger Mediziner mit Nachdruck bestätigen. Als ich 1990 mit der Praxistätigkeit begann, war noch reichlich Zeit für die ureigensten ärztlichen Tätigkeiten: zuhören, untersuchen und beraten. Heute besteht ein Großteil der Arbeit aus Bürokratie. Die Anzahl der in der Praxis zu verwendenden Formulare hat sich mehr als verzehnfacht.

Auch die jungen Kollegen sehen diese Entwicklung, und so findet sich selbst im Speckgürtel von München, geschweige denn auf dem Land, kein Kollege, der eine gut gehende Hausarztpraxis übernehmen will. Die Mehrzahl der Hausärzte ist zwischen 60 und 65 Jahre alt, und ich mache mir große Sorgen, wer in einigen Jahren dann unsere ebenfalls älter werdenden Patienten betreuen wird.

Dr. Axel Dörr, Erding

© SZ vom 07.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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