Geschlechtergerechte Sprache:Einfacher bitte!

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Ein Plädoyer für die Rückkehr zum generischen Maskulinum hat einige Reaktionen hervorgerufen. Viele sind mit den bisherigen Gender-Versuchen unzufrieden, schlagen Alternativen vor. Der Sprachfluss müsse unbedingt erhalten bleiben.

Beim Scrabble-Spiel gibt es viele Punkte, ansonsten ist das Sternchen für viele nicht die überzeugende Sprachwahl. (Foto: imago/Arnulf Hettrich)

Zu " Ein Stern, der spaltet", 10. Juni, und " Wie Gott auch Frau sein kann", 9. Juni:

Höflich und sachlich soll es sein

Vielen Dank für den sensiblen Kommentar zur zunehmend angewandten "Gendersprache" und dem daraus resultierenden Ärger. Viele Menschen im Lande lehnen die komplizierten Buchstabenkombinationen mit Stern, Doppelpunkt, Binnen-I oder Doppelnennungen ab.

Für mich kommt eine persönliche Komponente hinzu, bezogen auf die Kommunikation von Medien, aber auch von Unternehmen oder Behörden: Ich möchte dabei als Adressat höflich, freundlich und sachlich angesprochen werden. Bei der heute üblichen nahezu allgegenwärtigen Reizüberflutung wünsche ich mir eine klare und sachliche Abfassung der jeweiligen Botschaften. Und sonst nichts.

In den allermeisten Zusammenhängen spielt es keine Rolle, ob sich das Subjekt als weiblich, männlich oder divers bezeichnet oder einer Minderheit angehört. Wichtig sind Kompetenz und die Botschaft an sich. Bei der Verwendung der Gendersprache werden jedoch weitere für die Botschaft irrelevante Kriterien in den Vordergrund gestellt: Geschlecht und sexuelle Vorlieben. Das empfinde ich als sprachliche Übergriffigkeit und als Verletzung meiner Privatsphäre.

Zu einem stimmigen Anlass macht es durchaus Sinn, über diese Kriterien - so offen wie möglich - zu diskutieren. In Nachrichten, Behördeninformationen oder Kommunikation zwischen Verkäufern und Kunden sehen viele Menschen dafür keine Notwendigkeit, sondern eine Belästigung.

Gerd Riedmeier, Wasserburg am Inn

Sprache muss sich entwickeln

Schade, dass Frau Behbehani in ihrem Kommentar einen nicht logischen Schluss aus ihren Ausführungen zieht. Mir hat es gut gefallen, dass sie festgestellt hat, dass wir in Deutschland die Neigung haben, Probleme komplizierter zu machen, als sie sein müssten, und dass es eine Spaltung in zwei Lager gibt, die sich derzeit unbelehrbar gegenüberstehen. Aber warum kann sie die neuen Formen nicht einfach als einen Schritt in die richtige Richtung sehen, wo sich manches noch zurechtrütteln muss?

Sternchen, Schrägstrich und großes "I" sind nur Versuche, um das zu erreichen, was sie zu Recht anmahnt, dass Sprache alle einschließen soll. Sie bestätigt ausdrücklich, dass das generische Maskulinum eine männlich geprägte Sicht auf die Welt reproduziert. Ich verstehe nicht, warum sie es dann ausschließlich beibehalten will.

Wir müssen auch Goethe und Matthias Claudius nicht ändern. Sie dürfen Geschichte bleiben. Würde das heute noch so gedichtet werden? Ich habe schon so oft "Der Mond ist aufgegangen ..." gesungen und ertappe mich dabei, dass ich noch nie an eine kranke Nachbarin dabei gedacht habe. Der Nachbar ist in meinem Kopf abgebildet, weil Sprache "bildet". Ein guter Beleg dafür, dass sich da was ändern darf. Eine Entwicklung ist ein Prozess, und ich sehe, dass dieser in großer Freiheit stattfindet. Wohin er führt, ist nicht gefährlich, sondern notwendig. Machen wir uns locker!

Regina Georg, Rosenheim

Abwechseln wie beim Wetter

Die Spaltung, die laut dem Artikel ein Stern hervorruft, lässt sich dadurch verringern, dass die Wettervorhersage mit gutem Beispiel seit ein paar Jahren vorangeht. Die männlichen beziehungsweise weiblichen Vornamen für Hoch und Tief wechseln jährlich. Also wechseln wir jährlich vom generischen Maskulinum zum generischen Femininum. Jahre mit runden Zahlen zum Femininum, mit ungeraden zum Maskulinum.

Peter Roberz, Münster

Generisches Femininum

Den Artikel über gendergerechte Sprache habe ich mit großem Interesse gelesen. Ich bin wie die Autorin der Auffassung, dass die meisten Formen der gendergerechten Sprache die unterschiedlichen Geschlechter eher unnötigerweise hervorheben, als deren Unwichtigkeit auszudrücken. Nur am Schluss war ich enttäuscht, ich hätte zu gern anstelle des Fazits der Autorin folgende Sätze gelesen: "Besser wäre es, konsequent das generische Femininum zu verwenden und es gesellschaftlich zur Selbstverständlichkeit zu machen, dass alle damit gemeint sind. Dann sind Ärztinnen einfach nur noch Menschen, vielleicht wäre das sogar die größere Errungenschaft." Wenn wir dann irgendwann einmal feststellen sollten, "dass das generische Femininum eine weiblich geprägte Sicht auf die Welt reproduziert", können wir uns ja immer noch überlegen, ob wir wieder zum generischen Maskulinum zurückkehren oder vielleicht einfach beides abwechselnd verwenden.

Christian Stonner, Châteaufort/Frankreich

Gendern auf Englisch

Der Artikel "Ein Stern, der spaltet" argumentiert wohltuend vernünftig. Ehrlich gesagt, hatte ich befürchtet, dass nun auch noch vorgeschlagen wird, zusätzlich zu "der Mensch" das Femininum "die Menschin" einzuführen. (Das Neutrum "das Mensch" gibt es bereits, aber, wie wir wissen, mit anderer Bedeutung.) Übrigens: So einfach ist die sogenannte gendergerechte Sprache im Englischen nicht. Es gibt zwar nur einen Artikel, aber wenn bestimmte Substantive durch ein Pronomen ersetzt werden, stellt sich schon die Frage "he" oder "she". Man greift dann häufig zu der Ersatzlösung "they". Ich fürchte, das Thema wird viele von uns noch länger beschäftigen.

Renate von Törne, Hof/Saale

Liebe Mitmenschen ...

Wenn wir alle Gender- Selbstwahrnehmungen und alle Formen des Begehrens durchdiskutiert haben werden, wird uns nichts anderes übrig bleiben, als festzustellen, dass wir alle Menschen sind und dass es vielleicht doch am einfachsten ist, sich dort, wo es angebracht ist, die Zeit zu nehmen, von Bürgerinnen und Bürgern zu sprechen oder von Mitmenschen im generischen Maskulinum, denn der Mensch und der Mitmensch sind meiner Meinung nach am wenigsten von binären Zuordnungen belastet. Die Anrede "liebe Mitmenschen" klingt freundlich, Menschen freundlich.

Das haben Binnen-Sternchen und all die anderen Vorschläge nicht, und sie erinnert uns daran, dass wir jenseits aller Differenzierungen unsere Menschlichkeit gemeinsam haben, die uns verbindet, und so sollte es sein.

Ulrike Capezzone, Geretsried

Gleiche Entlohnung ist wichtiger

Mit der Meinung von Frau Behbehani kann man weitgehend konform gehen, besonders mit ihrem Fazit: "Besser wäre es, konsequent beim generischen Maskulin zu bleiben und es gesellschaftlich zur Selbstverständlichkeit zu machen, dass alle damit gemeint sind." Hoffentlich trägt auch die SZ-Redaktion diese Meinung mit.

Das generische Maskulinum verdanken wir einem Sprachkompromiss, der sich viele Jahrhunderte entwickelt hat und mit dem wir bisher gut und friedlich gefahren haben. Für Sprachforscher wäre es gewiss eine dankbare Aufgabe, der Entwicklung dieses Kompromisses nachzugehen, der die Verhunzung unserer Sprache zum Glück verhindert hat. Soll diese vernünftig gewachsene Sprachentwicklung durch eine unsinnige Genderei, wie sie jetzt ein dogmatisierter Zeitgeist fordert, einfach abgewürgt werden? Ich meine nein.

Der Gleichbehandlung der Geschlechter wäre weit mehr gedient, wenn man sich zum Beispiel für einen fairen Umgang miteinander, für gleiche Entlohnung und gleiche Karrierechancen einsetzen würde.

Hans-Gerd Heine, Egling

Begrüßenswertes Ende der "ova"

Die tschechischen Frauen haben einen wichtigen Sieg errungen in der Befreiung von der "Anhängselei" an männliche Verwandte wie Väter oder Ehemänner, wie der Artikel "Wie Gott auch Frau sein kann" thematisiert. Wer jemals mit tschechischen Frauen gesprochen hat, die als Wissenschaftlerinnen ihre Frau stehen, weiß wie demütigend das Suffix "-ova" empfunden wurde. Denn anders als Luise Millerin, deren aus dem deutschen Namensrecht glücklicherweise längst verschwundener Zusatz immerhin auf eine Entsprechung in weiblichen Berufsbezeichnungen wie Zahnärztin oder Flugzeugmechanikerin zurückzuführen war, ist -ova in der Übersetzung viel demütigender: -ova ist die feminine Form eines patronym-possessiven Adjektivbildungs-Suffixes, im Deutschen der Endung -(i)sche gleichzusetzen.

Natürlich gab es diese bis ins 19. Jahrhundert auch mehr oder weniger offiziell im deutschen Namensrecht. Frau Linde war eben die Lindische oder Frau Lehmann (!) die Lehmannsche. Erst vor diesem leicht herabsetzenden, auf alle Fälle aber besitzanzeigenden Hintergrund ist der Kampf der tschechischen Frauen zu verstehen. Wie gern hätte ich jene berufstätige Sozialpädagogin, die mir vom Sekretariat schriftlich als Frau Sustrova angekündigt wurde, mit Frau Schuster oder wenigstens in der tschechischen Schreibweise Frau Šustr begrüsst. Und Marlene Dietrich, die nach ihrer Heirat mit dem Egerländer Kameramann Rudolf Sieber bis an ihr Lebensende in offiziellen Dokumenten Marlene Sieberova hieß, hätte sich dem Kampf der tschechischen Frauen sicher angeschlossen. Zwar scheinen die GegnerInnen der Reform im Linguisten Karel Olivia einen gewichtigen Verbündeten zu haben, aber die Linguistik ist eben in erster Linie eine beschreibende Disziplin.

Mit der in der Debatte um eine geschlechtergerechte Sprache hat die Befreiung der tschechischen Frauen nur am Rande zu tun. Selbstverständlich begrüßt jeder Vortragende sein - gemischtes - Publikum als Damen und Herren. Die gemischtgeschlechtlichen Bezeichnungen wären auch in Schriftwerken jederzeit möglich, wenn dem nicht der im Trend liegende Zwang zur Kürze entgegenstünde. Die deshalb um sich greifenden Genderzeichen sollen hier als Auslassungszeichen Abhilfe schaffen. In der gesprochenen Sprache jedoch ist die vollständige Erwähnung der weiblichen Protagonisten mit vernachlässigbarem Mehraufwand verbunden.

Sprechpausen oder an Miriam Makebas wundervolle Sprache erinnernde Klicklaute sind hier fehl am Platze, weil sie den Sprachfluss sinnentstellend unterbrechen. Eine unvoreingenommene Hörerin könnte dahinter auch das herablassende Manifest vermuten, ein zum Gendern gezwungener Nachrichtensprecher drücke damit seinen stillen Protest aus. Auch wenn ich Claus Kleber oder Armin Wolf diese Absicht nicht unterstellen will, sollte ihnen der weibliche Teil der Angesprochenen eine volle mündliche Erwähnung von Mikrobiologinnen und Lehrerinnen wert sein.

Wenn Schweizer RadiosprecherInnen mühelos einen schriftdeutschen Text in Schwyzerdütsch vortragen, sollten schriftliche Genderzeichen genauso mühelos als das vorgetragen werden können, für was sie eigentlich stehen: Erwähnung beider Geschlechter.

Horst Ebeling, Schörfling

© SZ vom 16.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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