Gerichtsurteil:Ein Kreuz mit faulen Ausreden

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Söders Kruzifix-Erlass hielt Stand vor dem Verwaltungsgerichtshof. Kritiker sehen das Urteil als eine ungerechte Inkonsequenz.

Söders Kreuzerlass bleibt bestehen, entschied der Bayerische Verwaltungsgerichtshof. Nicht allen gefällt das. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

",Kreuzerlass' bleibt in Kraft" vom 3. Juni:

Inkonsequentes Urteil

Auch wenn ich keine studierte Juristin bin, verwundert mich diese Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH), und ich bin schon sehr gespannt auf die schriftliche Begründung. Mir ist bewusst, dass die viel zitierte "strikte Trennung von Staat und Kirche" eigentlich nicht existiert, aber selbst im sogenannten "Religionsverfassungsgesetz" ist geregelt, dass sich "der Staat selbst nicht mit einem bestimmten religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnis identifizieren darf. Er muss allen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften neutral gegenüberstehen", also auch bei allen Entscheidungen berücksichtigen, dass es Menschen gibt, die mit Religion und speziell den Institutionen der Kirche nichts zu tun haben möchten.

Mit der jetzt getroffenen Entscheidung wird diese Regelung konterkariert. Die Aussage der Vertreter des Freistaats, "dass das Kreuz als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns zu verstehen sei - nicht als religiöses Symbol", ist eine solch billige Ausrede und müsste eigentlich alle sonst so emsig sich einmischenden Kirchenvertreter alarmieren und zu Protesten veranlassen.

Warum geschieht das nicht? Hat man "an höchster Stelle" vielleicht Bedenken, dass das Thema noch weiteren Kreisen der Bevölkerung bewusst wird und massivere Proteste als bisher auslösen könnte? Aber mal vorausgesetzt, in den bayerischen Landesbehörden hängen die Kreuze wegen der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns, dann möchte ich doch bitten, dass ebenso in diesen Behörden große Gemälde aufgehängt werden, welche die Hexenverbrennungen in Bayern darstellen, zum Beispiel die Hexenprozesse und -verbrennungen in Nördlingen. Allein dort wurden im 15. und 16. Jahrhundert 80 Männer und Frauen der Hexerei beschuldigt und allein zum Ende des 16. Jahrhunderts 34 Frauen und ein Mann nach Hexenprozessen verbrannt. Wenn das kein deutliches Zeichen geschichtlicher und kultureller Prägung Bayerns ist - was dann?

Fazit: Ich finde, Bayern täte gut daran, den Kreuzerlass zurückzunehmen.

Elisabeth von Mahs, Moosach

Schlaue Richter

Jetzt haben wir religionsfreien Menschen den Salat. So klar wie Kloßbrühe war schon bei Eingang der Klage des Bundes für Geistesfreiheit, dass die Richterinnen und Richter des BayVGH mit ihrem Urteil den Söderschen Kreuzerlass für Behörden, den nicht einmal Kardinal Marx richtig fand, nicht kippen würden. Sie sind schlau und verstecken ihre Meinung, indem sie die Kläger mit ihrem Urteil, der Kreuzerlass bleibe in Kraft, indirekt auffordern, sich an die nächst höhere Instanz zu wenden. Das macht man so, wenn man nicht weiter weiß, nach dem Motto: "Der Herr Chef da oben droben wird's schon richten." Schließlich geht es der CSU mit diesem Kreuzerlass auch um die bayerische Volksfrömmigkeit als Bollwerk gegen jedwede linke, rote bis grüne Politik, bis für Söder die Landtagswahl 2023 einigermaßen gelaufen sein wird. Wird Söder 2023 mit einem blauen Auge davon gekommen sein, dann wird es ihm und seinen willfährigen Helfershelfern zur Verteidigung des Kreuzerlasses wieder vollkommen wurscht sein, ob, warum das Zeichen für die typisch bayerische Glaubenskultur hängen bleiben darf.

Frank Stößel, Zell am Main

© SZ vom 10.06.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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