Dreadlocks:Kulturelle Aneignung

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Wo endet Bewunderung und wo beginnt Rassismus? Die Grenzen können manchmal fließend sein.

Sängerin Ronja Maltzahn wird von Aktivisten der "kulturellen Aneignung" bezichtigt, weil sie Dreadlocks hat. (Foto: ronjamaltzahn/Instagram)

Zum Profil "Ronja Maltzahn" vom 26./27. März:

Absurde Diffamierung

Eine Musikerin aufzufordern, ihre Haare abzuschneiden, damit sie bei der Fridays-for-Future-Demo in Hannover auftreten darf. Das ist nicht nur absurd und ungeheuerlich, sondern zeigt, zu welchem faschistoiden Gehabe übertriebene Political Correctness führt. Da hilft auch keine nachträgliche Entschuldigung. Ich bin selbst mit einer schwarzen Frau seit 40 Jahren verheiratet. Aber dieser Blödsinn, dass ein Weißer keine Dreadlocks haben dürfe, erscheint mir völlig übertrieben.

Ich glaube vielmehr, dass Ronja Maltzahn eine ganz liebe und sympathische Person ist, der jeder Rassismus völlig fremd ist. Ich glaube, dass sie diese Frisur vielmehr trägt, weil sie sich der Kultur von Reggae und schwarzer Musik verbunden fühlt. Das als unzulässige kulturelle Aneignung zu diffamieren, ist einfach nur absurd. Auch die total verständnisvolle und souveräne Reaktion von Frau Maltzahn auf diese Absage durch Fridays for Future Hannover zeigt, dass die falsche Person abgestraft und gedemütigt wurde.

Rolf Werner, Stolberg

Macht mal anders!

Endlich mal wieder eine Diskussion über Frisuren. Als Protagonist der 1980er-Jahre kenne ich mich da natürlich aus. Von der Dreadlockträgerin Ronja Maltzahn hatte ich bisher allerdings noch nie gehört. Das liegt sicher auch daran, dass ich jetzt eben ein alter weißer Mann bin. Als solcher stehe ich seit jeher auf schwarze Musik in Form von Soul und Funk, bei der mich allerdings die Äußerlichkeiten der Musiker noch nie interessierten.

Meine Frau wurde in Äthiopien geboren. Sie gehört dem Volk der Amharen an, welches bis zum Sturz von Kaiser Haile Selassie vorwiegend die regierende Klasse in Äthiopien stellte. Genau der sein Volk unterdrückende Kaiser also, der als wiederkehrender Messias untrennbar mit dem Gründungsmythos der dreadlocktragenden und gegen den Rassismus kämpfenden Rastafari-Machos verbunden ist. Im Gegensatz zu den sie verehrenden Jamaikanern, waren die Amharen allerdings nie Sklaven. Ganz im Gegenteil. Sie hielten sich welche. Oft kamen diese aus dem Volk der Oromo, genau wie der Vater von Abiy Ahmed, dem jetzigen Ministerpräsidenten von Äthiopien, Friedensnobelpreisträger und Kriegsherr, dessen Mutter wiederum den Amharen angehört. Man sieht, es ist ein wenig kompliziert und kann bei oberflächlicher Betrachtung durchaus zu Missverständnissen führen.

Nach den Regeln von Fridays for Future Hannover darf meine Frau wahrscheinlich Dreadlocks tragen. Sicher bin ich nicht. Wie sieht es mit unseren Kindern aus? Sind die noch "schwarz" genug? Und wenn meine Tochter in Zukunft einen Japaner heiratet. Dürfen dann meine Enkel ihre Haare verfilzen lassen oder nicht? Bis zu welcher Generation ist das noch zugelassen? Gibt es da was Schriftliches? Wie wäre es mit einem entsprechenden Gesetzentwurf?

Christian Ludt , München

© SZ vom 29.03.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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