Corona-Maßnahmen:Zum Verrücktwerden

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Der Herbst ist da und damit auch wieder höhere Infektionszahlen. Die strengeren Pandemie-Regeln der Politik verstören dennoch immer mehr Menschen. Es geht Lesern nicht nur um Reisefreiheit, sondern auch um Existenzen und Zukunftsangst.

Den Schlüssel bitte?! Hotels leiden zunehmend, seit Reisende auch im Inland öfters Corona-Tests vorweisen müssen. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Zu " Erklärung mit Hintergedanken", 15. Oktober, " Was wirklich schützt", 13. Oktober, " Kritik an Beherbergungsverboten" und " Zuerst kommt die Freiheit", 12. Oktober :

Wie viel Freiheit ist noch leistbar?

Das Schlagwort "Beherbergungsverbot" führt in die Irre. Es gibt doch gar kein pauschales Verbot von Reisen für die betroffenen Menschen. Es besteht lediglich die Pflicht für Menschen aus ausgewiesenen Risikogebieten, einen Test machen zu lassen. Es geht somit bei der von Herrn Janisch in "Zuerst kommt die Freiheit" aufgeworfenen Frage der Verhältnismäßigkeit um die Beurteilung einer Entscheidung der Regierung, die selbst bereits einer Güterabwägung entspringt. Sie versucht zwischen der Möglichkeit und dem Bedürfnis, in den Herbstferien in Erholungsgebiete zu fahren, und der Herausforderung, angesichts überschrittener Grenzwerte die wachsende Pandemie einzudämmen, einen gangbaren Weg zu finden.

Das Argument, das Reisen habe nicht maßgeblich zum Infektionsgeschehen beigetragen, ist meines Erachtens fragwürdig. Welche Reisen sind denn hier gemeint? Die Rückkehrer aus dem Sommerurlaub im Ausland brachten steigende Corona-Zahlen. Also nur die Reisen innerhalb Deutschlands? Dieselbe Personengruppe, die im Sommer den Erholungsurlaub zum Sauf- und Party-Event machte, soll sich in Erholungsgebieten im herbstlichen Deutschland von kaum kontrollierbaren Zusammenballungen abhalten lassen? Es gibt hier sehr wohl auch sorgenvolle Stimmen unter Gastronomen.

Die öffentliche Diskussion erscheint mir fixiert auf das Bedürfnis einer Minderheit nach einer Reise in den Herbstferien und den Wunsch der Gruppe der Hoteliers, finanziell besser über die Runden zu kommen. Sie blendet aus, dass unklar ist, ob wir uns eine Orientierung an einem speziellen Freiheitsbedürfnis bestimmter Gruppen überhaupt noch leisten können.

Das große Ganze gerät bei dieser Sichtweise aus dem Blick: Wir alle, die Wirtschaft, die Gastronomen wie die Industriearbeiter, die Jungen und die Alten, wir alle sitzen in ein und demselben Zug. Aber in welchem? In einem, der kontrolliert auf leicht abfallender Strecke fährt, oder in einem, der längst an einer Stelle angekommen ist, bei der ob eines rapide wachsenden Gefälles, selbst ein beherztes Bremsmanöver einen Unfall nicht mehr verhindern kann?

Wolfgang Rostek, Germering

Das Gesamtbild zählt

Bei aller regionaler Differenzierung ist die Politik insgesamt bemüht, eine Mauer gegen die weitere exponentielle Ausbreitung des Coronavirus zu errichten. Wenn nun Gerichte Stein für Stein aus dieser Mauer herauslösen, wird sie einstürzen und uns schutzlos lassen. Die Richter haben ignoriert, dass, auch wenn die Einzelmaßnahme im Einzelfall nur wenig effektiv erscheint, sie dennoch wichtiger Bestandteil des Ganzen ist. So geht es bei dem Beherbergungsverbot nicht überwiegend darum, dass der Reisende aus einem Hochrisikogebiet andere Hotelgäste infizieren könnte, sondern um seine gesamten Aktivitäten vor Ort. Anders ausgedrückt: Wer in einem hochbelasteten Landkreis lebt, sollte nicht herumreisen, sondern zu Hause bleiben.

Jeder, der aus seinem Kreis in einen anderen mit niedrigeren Infektionszahlen einreist, erhöht dort statistisch das Erkrankungsrisiko. Das gilt auch innerhalb eines Bundeslandes. Wenn Gerichte die Reisefreiheit des Einzelnen über die Gefährdung von Gesundheit und Leben der Gemeinschaft stellen, sollten wir anfangen, über uns nachzudenken.

Dr. Rainer Götz, Moers

Das falsche Verbot

Es ergibt meines Erachtens keinen Sinn, immer weiter an der Stellschraube innerdeutscher Beherbergungsverbote zu drehen, denn es ist die falsche. Statt immer zu fragen, von wo die nächsten Ansteckungen ausgehen, muss gefragt werden, von wem. Rücksichtslose jugendliche Partygeher wurden benannt, aber das ist nur ein Teil des Problems. Riesige orientalische Hochzeiten, unverantwortliches Verhalten in einigen Asyl-Unterkünften und der unkontrollierte Reisestrom von Urlaubern beziehungsweise Heimkehrern aus Südosteuropa werden von unseren Politikern nicht angesprochen.

Haben zu viele Angst, als "Rassisten" dazustehen, wenn sie dies aussprechen? Wie will man nächsten Sommer mit der Einreise Tausender Erntearbeiter umgehen, wie geht es in den Schlachthöfen weiter? Statt der ganzen Wirtschaft und auch dem Bedürfnis der Menschen nach Reisefreiheit weiter zu schaden, sollte man sich trauen, das Feuer dort zu löschen, wo es tatsächlich brennt.

Ernst Weiser, Unterneukirchen

Zustände machen viele mürbe

Wir haben eine extreme, politische und mediale Rund-um-die-Uhr-Beschallung, die für viele Menschen nicht mehr gut ist. Corona ist das eine, aber die psychische Gesundheit der Menschen, die daraus entsteht, ist was anderes. Ich denke, dass dadurch viele durchknallen, sich einschließen und auch das Coronavirus leugnen, um ihre Angst oder Panik nicht zu spüren. Man sollte Menschen die sich so verhalten, nicht gleich verurteilen, ausgrenzen, sondern ihnen ehrliche Antworten geben und ihr Querdenken ernst nehmen. Nuhr, Xavier Naidoo, Wendler und viele andere mehr, sind doch tragische Opfer in diesem irrsinnigen Tun, was Corona betrifft ... und es werden immer mehr werden!

Politik und Medien sollten ihre Verantwortung ernst nehmen und sich überlegen, was für Informationen sie in die Öffentlichkeit posten, damit nicht noch mehr Menschen in solch einen irrealen Zustand kommen.

Marianne Böhm, Augsburg

Reinen Wein einschenken

Jeder (auch manch publikumssüchtiger Virologe), der ein Basiswissen von Immunologie und Virologie besitzt, weiß (insgeheim), dass an der Herden-Immunität gar kein Weg vorbei geht, auch wenn das viele "Härten" bedeutet und das Warten darauf den besonderen Schutz der Alten und immunologisch Geschwächten sowie Maßnahmen zur Überforderung des Gesundheitswesens definitiv nicht ersetzt.

Wer aber - wie fast alle Politiker und Virologen - meint, mit immer wilderen Maßnahmen und Horrorvisionen diese Lebenswirklichkeit verdrängen zu können, handelt - um der Bevölkerung keinen reinen Wein einschenken zu müssen - entweder aus der Feigheit und mangelnden Zivilcourage oder aus der ganz persönlichen Angst vor Ansteckung heraus. Beides ist kein guter Ratgeber und vor allem unredlich!

Dr. Heinrich Hümmer, Herrsching

© SZ vom 20.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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