Corona-Impfung I:Der Streit um die Pflicht

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Kann man noch Nein sagen? Manche fühlen sich bedrängt von den Impfangeboten, und sind doch nicht überzeugt, ob möglicher Nebenwirkungen. Es gebe keinen anderen Weg aus der Pandemie, die Zeit des Taktierens sei vorbei, mahnen andere.

SZ-Zeichnung: Denis Metz (Foto: N/A)

Zu " Druck tut not" vom 28. Juli, " Keine Impfpflicht durch die Hintertür" und " Ein gequältes Jein", beide vom 27. Juli sowie zu " Union streitet über Impfpflicht", 26. Juli:

Schluss mit politischem Taktieren

Die politischen Reaktionen auf die Idee des Kanzleramtsministers, Nichtgeimpfte im Hinblick auf eine mögliche vierte Welle in der Öffentlichkeit zu limitieren, sind, in Anbetracht der Realität, nicht mehr nachvollziehbar und können nur noch als Populismus in diesen Wahlkampfzeiten beschrieben werden. Wer sagt, eine im Ergebnis vermutlich erfolgreiche Impfpflicht - siehe Pocken im 19./20. Jahrhundert - sei mit unserer Verfassung nicht vereinbar, mag juristisch richtig liegen, aber im Ergebnis durchaus falsch, da auf diesem Weg unter Umständen zahlreiche Menschen schwerst erkranken und auch sterben, was vermeidbar gewesen wäre.

Das Mindeste, was wir allen unseren jungen Menschen schuldig sind - denn auch diese sind Teil unserer Gesellschaft mit allen ihren Rechten und Pflichten, wollen sich impfen lassen, aber dürfen/können es noch nicht -, ist eine klare Beschränkung der aktiven Impfverweigerer bei deren Auftreten in der Öffentlichkeit. Nur so kann größere Körperverletzung, zum Teil mit Todesfolge, aktiv begrenzt und auch verhindert werden. Nach meinem Kenntnisstand werden beim Thema Masern-Impfschutz auch aktuell schon Impfpflicht beziehungsweise Beschränkungen in der Praxis angewendet, und dieses ist gesellschaftlich weitestgehend akzeptiert.

Es ist allerhöchste Zeit, die persönlichen Egomanien hinten anzustellen, sich seiner gesamtgesellschaftlichen Verantwortung bewusst zu sein und dieses auch zu leben. Die Pandemie ist durch politisches Taktieren sicher nicht zu besiegen.

Klaus Lewitzki, Neukirchen-Vluyn

Die Vorsichtigen werden bestraft

Alexandra Föderl-Schmid schreibt im Kommentar "Druck tut not", viele scheuen vor einer Impfung zurück - aus Angst, Trägheit, Unwissenheit oder anderen Gründen. Dabei nennt sie aber keinen der anderen Gründe. Ich könnte noch mit einigen aufwarten. Mir bereitet die Vorstellung, mir das Virus in Form einer mRNA-Impfung oder als Teil eines Spike-Proteins ins Muskelfleisch rammen zu lassen (das ist kein kleiner Pieks), Unbehagen. Ich möchte mir diesen Erreger weiter vom Leibe halten, was mir bisher dank strenger Beachtung der AHA-Regeln auch gut gelungen ist. Dafür soll ich also künftig bestraft werden im Gegensatz zu "Genesenen", die sich ja irgendwann einmal mit dem Virus infiziert haben müssen - etwa bei einer Querdenker-Polonaise auf dem Münchner Marienplatz oder bei Partys inklusive Flaschenwürfen auf Polizisten.

Neulich habe ich in der SZ gelesen, dass mehr als 50 Prozent der neu mit Corona Infizierten in Israel zuvor zweifach mit Biontech geimpft waren. In Großbritannien, so las man, war fast die Hälfte derjenigen, die kürzlich an der Delta-Variante gestorben sind, vollständig geimpft gewesen. Ich wäre mir deshalb nach einer Impfung nicht sicher, wie lange der Impfschutz hält oder wie sehr die Impfung mich und andere schützt. Also würde ich weiterhin, um mir und meinen Mitmenschen den größtmöglichen Schutz zu bieten, Maske tragen und Abstand halten, bis vielleicht doch Herdenimmunität erreicht sein wird. Ich verstehe deshalb nicht mehr, warum nur noch Geimpfte, Genesene und Getestete am öffentlichen Leben teilnehmen dürfen, während diejenigen, die sich bisher einfach konsequent an die Regeln gehalten haben, davon ausgeschlossen werden sollen. Ich habe in der Berichterstattung den Eindruck gewonnen, dass die verantwortungsvollen FFP2-Maskenträger als Gruppe aus dem Blickfeld geraten sind und Impfverweigerern generell unterstellt wird, sie verweigerten sich auch allen anderen Schutzmaßnahmen.

Robert Heigl, Traunstein

Immunität vorgaukeln gefährdet

Bitte nehmen Sie in der Debatte zur Kenntnis: Alle derzeit verwendeten Impfverfahren erzeugen keine Immunität gegen eine erneute Infektion mit Sars-CoV-2. Dies ist ein entscheidender Unterschied zu den genannten Impfungen gegen Pocken und Polio. Bereits im Februar 2021 kam es in mehreren Altenheimen (zum Beispiel Germering Curanum) unter den vollständig geimpften Bewohnern zu einem schlagartigen Anstieg positiver Testergebnisse und leider auch schwer erkrankten Patienten. Sowohl das Paul-Ehrlich-Institut wie auch das bayerische Gesundheitsministerium haben diese Erkenntnisse meines Erachtens offensichtlich negiert.

Aus meiner Sicht stellt sich die Situation wie folgt dar: Vollständig Geimpfte können sich erneut mit Sars-CoV-2 infizieren und diese Infektion auch weiter übertragen (so wie wir das von den Grippeschutzimpfungen kennen). Aus diesem Grund befindet sich ein ärztlicher Kollege (vollständig geimpft) aktuell in Quarantäne. Eine Impfung schützt vermutlich vor einem schweren Krankheitsverlauf und entlastet damit unser Gesundheitssystem.

Für grob fahrlässig und gefährlich erachte ich es, Geimpften vorzugaukeln, sie seien "immun". Nein - auch für diese Gruppe müssen die bewährten Corona-Schutzmaßnahmen gelten. Wenn hier "Experten" behaupten, für eine Herdenimmunität sei eine Impfquote von 95 Prozent erforderlich, so haben diese keine Ahnung oder es werden Falschmeldungen verbreitet.

Dr. med. Wolfgang Viehbeck, Germering

Angebote sind besser als Zwang

Ich gehöre zu den Geimpften, weil ich individuell in einer Risikoabwägung entschieden habe, dass ich das Risiko von Impfschäden in Kauf nehme, weil mir das Risiko einer Covid-19-Erkrankung als höher erscheint. Wenn es aber um den jetzt projektierten Druck geht, handelt es sich um in dieser Hinsicht argumentationsferne Mittel, die vor allem Menschen mit weniger individuellen Selbstbestimmungsmöglichkeiten treffen. Das ist ein Rückschritt und kann zudem kontraproduktiv sein, wenn sich diese sozialen Gruppen miteinander solidarisieren. Der Staat büßt auf jeden Fall Vertrauenswürdigkeit ein.

Bei der Fußball-Europameisterschaft hat man regierungsseitig zu den Risiken geschwiegen und sich dem wirtschaftlichen Druck gebeugt. Das zur Verfügungstellen der Vakzine war durch ein ständiges Hin und Her gekennzeichnet, bestimmte Impfstoffe wurden mal empfohlen, dann wurde wieder davon abgeraten. Das heißt, das Risiko von Impfschäden ist für mich völlig im Dunkeln. Ich verstehe sehr gut, dass sehr viel Unsicherheit besteht.

Wenn jetzt Druck ausgeübt wird, kann das Vertrauen in das Gesundheitssystem und in den Staat nachhaltig gestört werden. Das ist unverantwortlich. Die Alternative: vollständige, konsistente und stetige Information zu Impfangeboten; Impfangebote, die den Namen verdienen und nicht nur Stress erzeugen; ein Gesundheitssystem, das Menschen befähigt und ermuntert, auf ihre Gesundheit zu achten, das heißt, ein weniger profitorientiertes Gesundheitssystem.

Uwe Mannke, Stuttgart

Ungeimpfte sollen zahlen

Armin Laschet lehnt eine Impfpflicht auch als Druck auf Ungeimpfte ab. Er will es allen Menschen recht machen und ignoriert glaubwürdige wissenschaftliche Erkenntnisse. Karl Lauterbach denkt umfassender und erklärt leicht verständlich, dass die Zahl falsch negativer Tests (etwa vier von zehn) zu hoch ist, um Getestete noch wie Geimpfte zu behandeln. Derzeit kann sich jeder Impfwillige ohne Probleme und kurzfristig impfen lassen. Ein gesunder Mensch, der das Impfen trotzdem weiterhin verweigert und wegen einer Corona-Erkrankung ins Krankenhaus muss, der müsste meines Erachtens die Krankenhauskosten bezahlen. Das wäre sogar fair.

Volker Freiesleben, Köln

© SZ vom 31.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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