Bücherentsorgung:Wenn die Seele aus dem Regal fliegt

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Bücher wegwerfen? Geht gar nicht, da mag das Bücherregal sich noch so biegen. Wenn man sie aussortieren muss, dann könne man sie doch zumindest spenden - falls sie jemand annimmt. SZ-Leserinnen und -Leser jedenfalls leiden beim Gedanken, dass Bücher in der Papiertonne landen.

"Zu viel des Guten" vom 26./27. Oktober:

Lesen dürfen und lesen sollen

Nichts ist schöner, als wenn man sich verstanden fühlt! Auch ich habe zu viele Äxte, und es werden immer mehr. Ich beherberge die Klassiker meiner Eltern, deutsche Nachkriegsautoren, damals Lektüre im Gymnasium, die nun hinten in der dritten Reihe stehen. Thomas Mann, Siegfried Lenz, Kurt Tucholsky müssen bleiben, aber auch Theodor Storm, Ludwig Uhland und Eduard Mörike - und Wilhelm Busch will ich nicht "entsorgen". Dazu kommen zeitgenössische Autoren.

Was man lesen "sollte", langweilige Biografien, dicke Verschwörungswälzer (Bestseller sind es oft), ich aber nicht lesen will, stelle ich neben der Eingangstür unseres guten Bioladens hier auf dem Dorf ab, unweit von Bad Tölz. Dort finden sich immer Leser. Bücher wegwerfen, das geht nicht in einer Gesellschaft mit Kultur, die wir ja noch sind. Ich hoffe daher, Herr Kister findet einfach noch andere gute Plätzchen in der Wohnung (alle Wände bis zur Decke) oder beim Bioladen oder so. Denn er hat so recht: Wer liest, denkt, spricht, liebt anders, ein Teil der Seele wohnt im Bücherregal. Wie schön!

Agnes Schwedt, Lenggries

Öffentliche Bücherschränke

Karikatur: Michael Holtschulte (Foto: Michael Holtschulte)

Der Artikel über Bücherberge und ihre Bewältigung (sprich: Verminderung) hat bei mir doch einige Verwunderung ausgelöst, gibt es doch in München seit einigen Jahren eine Einrichtung, über die auch die SZ immer wieder berichtet: In vielen Stadtvierteln gibt es öffentlich und kostenlos benutzbare Bücherschränke, in die man ausgesonderte Bücher hineinstellen und - wenn man will - aus denen man im Tausch Bücher entnehmen kann. Nach meinem Eindruck werden diese Bücherschränke rege genutzt; so habe ich von den von mir eingestellten Büchern beim Nachschauen nach einigen Tagen kein einziges mehr entdeckt. Daraus lässt sich schließen, dass gebrauchte Bücher in einem passablen äußeren Zustand durchaus Abnehmer finden, wenn ihr Inhalt von allgemeinem Interesse ist. Freilich lassen sich mit solchen Werken keine Geschäfte machen; viele Antiquare nehmen gebrauchte Bücher nicht mal geschenkt. Da ich die Papiertonne als Endstation für alte Bücher aber grundsätzlich ausschließe, bleibt mir als Tipp der öffentliche Bücherschrank.

Johannes Peschel, München

Bitterer Paradigmenwechsel

Für den Schreiber dieser Zeilen, jetzt achtzig Jahre alt, waren Bücher seit einer eher traurigen Kindheit und Jugend (im Waisenhaus, in Pflegeheimen, Pflegekind) alles: Das Fenster in eine andere, schönere, heile Welt, in eine weite und bunte Welt. Die literarischen Gestalten weniger Helden als vielmehr Freunde, Vorbilder, Gefährten. Dank etlicher großzügiger Menschen damals, Lehrer, "Pflegeeltern", bekam ich Bücher geschenkt. Buchhandlungen waren gleichsam ein Stück Heimat für mich, die Tempel meiner Biografie.

Und jetzt. Im Rahmen einer Haussanierung bereits vor einigen Jahren über zweitausend Bücher dem hiesigen Lions-Club für seinen Bücherflohmarkt geschenkt: Philosophie, Wissenschaftstheorie, Soziologie, antike, mittelalterliche Geschichte und die neuere Geschichte. Die gesamte germanistische Fachliteratur, mittelhochdeutsche Literatur, alle Lyrikbände, alle Tusculum-Ausgaben etc. Ich hatte damals, mithilfe einiger jungen Leute, jedes Buch fotografiert; in der Absicht, mir von meinen Büchern einige "Fotobücher" anzufertigen. (Dateien liegen unbearbeitet auf dem Rechner, wird wohl nichts mehr.)

So sieht die private, bis jetzt noch unvollständige Seite einer Entsorgung aus. Aber ist es nicht mehr? Zeichen für einen Paradigmenwechsel; auch wenn die öffentlichen Vertreter der Buchbranche die Bedeutung des Buches berufsbedingt euphorisch erneut beschwören: Hat man eigentlich in München registriert, wie viele Antiquariate in München aufgegeben haben? Man versuche einmal, Bücher abzugeben: an Büchereien, Schulen, Institute.

Kurt Kister erwähnt in dem Artikel die Möglichkeiten, etwa übers Internet Bücher zu verkaufen. Viel Vergnügen! Arbeit für Jahre! Ergebnis offen oder ein Verlustgeschäft. Und wer den Mut hat, möge einmal Wertstoffhöfe aufsuchen und mit dem Personal dort sprechen ... wie viele Bücher, wie viele kleine Bibliotheken dort bereits landen. Altpapier. Ich zumindest kam und komme mir vor, als würde ich einen Teil meines Lebens entsorgen.

Jerry Melzer, Bad Heilbrunn

Wie Eugen Roth entrümpelt

Der Artikel lässt die Nöte des bibliophilen Zeitgenossen liebevoll Revue passieren - dabei wird nicht erwähnt, dass Eugen Roth dieses Dilemma bereits vor Jahrzehnten humorig bedichtete: "Ein Mensch, von Büchern hart bedrängt, an die er lang sein Herz gehängt, beschließt voll Tatkraft, sich zu wehren, eh sie kaninchenhaft sich mehren (...)", um zu enden: "Der Mensch, der so mit halben Taten / beinah schon hätt den Geist verraten, ist nun getröstet und erheitert, dass die Entrümpelung gescheitert.

[AUTOR_LES]"Dr. Tanja Asthalter,Den Hoorn/Niederlande [/AUTOR_LES]

© SZ vom 02.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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