Anthropozän:Wir sind die Katastrophe

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Eine Generation von Egoisten lebt derzeit in unerträglicher Skrupellosigkeit auf Kosten ihrer Nachkommen, meinen Leser. Und fragen sich: Kann man das Ruder noch rumreißen? Vielleicht, indem man Denkverbote überwindet?

Wenn wir den Klimawandel nicht in den Griff bekommen, wenn wir das Schiff nicht über Wasser halten können, brauchen wir über Einkommensverteilung und Rassismus nicht mehr nachzudenken, sagt Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber. (Foto: Marcel Mochet /dpa)

"Gegen die Wand" vom 15. Mai, "Das Subjekt Menschheit" vom 3. Mai, "Naturgewalt Mensch" vom 28./29. April:

Unerträglich skrupellos

Wie kann es sein, dass ganze Generationen vor der Aufgabe der Zukunftssicherung versagen? Dass sie einem Verbrechen Vorschub leisten, welches die Menschheit, den Globus in einer Weise trifft, die - nicht hinsichtlich der Motivation, wohl aber des Ausmaßes - beispiellos ist? Ist denn das Denken von einem in der Zukunft liegenden Moment, an dem die schon in Gang befindliche Entwicklung ihre wahrnehmbaren, ihre unübersehbaren Folgen zeitigt, zurück auf die Jetztsituation, auf die heute anstehenden Aufgaben, Notwendigkeiten so schwierig? Der Blick auf die Zukunft unserer Welt verharrt im eng umkasteten Jetzt, in einem die Augen verschließenden, schlecht religiösen Glauben, es werde schon alles gut gehen. Eine Gartenzwergperspektive, die sich nicht über das eigene Beet, schon gar nicht über die augenblickliche Wetterlage hinaus wagt. Getragen von Dummheit? Nicht nur. Auch von mehr oder weniger bewusstem Wegschauen. Von dem Willen, in der eigenen Bequemlichkeit, in der aktuell profitablen, privilegierten Situation zu verharren, ganz gleich auf wessen Kosten. Es ist eine unerträgliche Skrupellosigkeit, die von den Spitzen der nach wie vor Kohle abbauenden Energieunternehmen über die in der Beziehung mit ihnen gemeinsame Sache machenden Gewerkschaften bis hin - wenngleich in abgestuften Intensitäten - zu uns allen reicht, die wir, oft ohne sachliche Rechtfertigung, übermäßig fossile Energien in Anspruch nehmen. Heinrich Comes, Köln

Generation der Egoisten

In einem Zeitalter des Egoismus ist es nur folgerichtig, wenn einem die Belange der Nachwelt egal sind. Doch wenn Helikop- tereltern ihr ungeborenes Kind bereits mit Mozart beschallen, selbstverständlich einen Kindergarten suchen, in dem ihr Kind nicht nur Englisch, sondern auch Mandarin lernt, bei nicht ihren Vorstellungen entsprechenden Schulnoten natürlich Gerichte bemühen, und dann ihren Nachwuchs zu jeder der zahlreichen außerhäusigen Aktivitäten mit dem SUV fahren, in den Urlaub mit dem Flugzeug fliegen usw. usf., dann stellt sich schon die Frage, wie es sein kann, dass diese nicht unintelligenten Menschen völlig ausblenden, dass sie mit ihrem Verhalten den uns nachfolgenden Generationen aus purer Genusssucht und Bequemlichkeit die Lebensgrundlage entziehen. Genau so verhalten wir uns als globale Gesellschaft. Ich sag's mal drastisch: Wir scheißen darauf, wie es unseren Nachkommen gehen wird. Hermann Woelke, Dortmund

In Liebe untergehen

Wie sollen denn wir Menschen mit vereinten Kräften derart große Herausforderungen meistern, wenn wir gleichzeitig Richtung 3. Weltkrieg schlafwandeln? Wir sind eben nicht die "Guten" und sollten aufhören, von westlichen Werten zu faseln - das wäre ein Anfang. Es ist mir egal, wie die künftige Geschichtsschreibung über uns urteilt. Nicht egal ist mir - und ich glaube, hier macht sich sogar der höchst verdienstvolle Klimaforscher Schellnhuber was vor - wie wir miteinander auf dem "leckgeschlagenen Schiff auf hoher See" umgehen. Ich möchte - um in seinem Bild zu bleiben - lieber mit einem Schiff untergehen, auf dem bis zum Schluss Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeit, Achtsamkeit, Respekt, Wohlwollen, Rücksichtnahme - kurz: Liebe - herrschte oder zumindest angestrebt wurde, als auf einem Schiff voller gieriger Egoisten und verängstigter Sklaven. Ohne es empirisch belegen zu müssen, gehe ich davon aus, dass auf dem erstgenannten Schiff die Rettungschancen sogar höher stehen. Denn wie wir miteinander umgehen, so gehen wir auch mit unserem Planeten um. Ferenc Kölcze, München

Denkverbote überwinden

Nur die Überwindung von Denkverboten kann unsere Katastrophenfahrt noch bremsen. Es bleibt zu hoffen, dass das mit Steuergeldern finanzierte Potsdamer Institut uns schnell noch die Bremse zeigt.

Fritz Schreiber, Kolbermoor

© SZ vom 01.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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