Anfragen an die Regierung:Von Kontrolle und Selbstdarstellung

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Die schriftlichen Anfragen der Opposition haben ein Rekordniveau erreicht. Viele Eingaben sind umfangreich, der Rechercheaufwand hoch. Das lähme Behörden und damit die Demokratie, finden die einen, mehr Transparenz fordern andere.

Illustration: Jochen Schievink (Foto: Jochen Schievink)

Zu " Eine Frage der Demokratie", Buch Zwei vom 27./28. März:

Steuergeld verschwendet?

In dem Artikel beschreiben die Autoren, wie das für die Opposition wichtige Instrument der verschiedenen Anfragen offensichtlich von einigen Parlamentariern und Parteien missbraucht wird. Exemplarisch wird die Kleine Anfrage der FDP zu Home-Office in Bundesbehörden dargestellt. Mir fehlt bei der Darstellung die politische Forderung, die die FDP aus der Beantwortung dieser Anfrage ableitet. Eine Kontrolle der Regierung erschließt sich mir daraus nicht. Sie zitieren aus der Antwort zu dieser Anfrage, dass allein zur Beantwortung der ersten Frage 55 000 Stunden notwendig wären. Ich möchte der Rechnung noch eine weitere hinzufügen. 55 000 Stunden sind bei einer 40-Stunden-Woche 1375 Wochen oder 26,4 Jahre Arbeitszeit. Bei einem Durchschnittseinkommen von etwa 3400 Euro ergibt sich nach meiner Rechnung mit Arbeitgeberanteilen zur Sozialversicherung und einer Büromiete und Büroausstattung eine Summe von circa 1,5 Millionen Euro nur für die Beantwortung dieser ersten Frage. Ist das noch verhältnismäßig oder handelt es sich hierbei bereits um Steuerverschwendung?

Ich frage mich auch, welche Kontrollfunktion die Kleine Anfrage der FDP nach den Namen der Diensthunde bei Polizei und Zoll haben soll. Man kann aus der Antwort erkennen, wie viele Hunde und Hündinnen Dienst tun. Will sich die FDP etwa für die Gleichstellung von Männern und Frauen auch bei Diensthunden einsetzen?

Ulrich Kersten, Vaterstetten

Sehr wichtiges Instrument

Ja, das stimmt! Es ist eine Frage der Demokratie - und es ist auch wichtig, dass unsere Parlamentarier als Teil der Legislative die Exekutive ordentlich kontrollieren und befragen! Kontrolle muss sein, denn sonst fühlt sich die Exekutive frei in ihren Entscheidungen und in ihrem Handeln, und dieses Gefühl darf und soll nicht aufkommen. Die Kleinen Anfragen unserer Abgeordneten sind richtig und wichtig bei der Ausführung ihrer Kontrollpflichten - denn sie üben in unserem Namen die Kontrollpflicht aus im Namen des Volkes. Ich selbst nutze, da ich kein Parlamentarier bin, das Informationsfreiheitsgesetz und übe so Kontrolle als Staatsbürger zu diversen Themen und mein Recht auf weitergehende Information aus. Kontrolle kann man hier nicht wirklich sagen, aber die Bundesbehörden merken, dass das Volk, dem sie dienen, Interesse hat.

Alexander Glöckler, Trossingen

Texte abtippen darf nicht sein

Mehr als entlarvend ist die Beschreibung im Artikel, wie in der Bundestagsverwaltung das Abtippen von Faxen drei Tage in Anspruch nimmt. Jedes PDF-Programm hat inzwischen eine Texterkennungsfunktion, mithilfe derer auf Knopfdruck eingescannte Seiten geradegerückt und ein kopierbarer Text generiert wird. Das ist ein Grund, warum derzeit auch an den Grundfesten nagende Probleme langsam, unflexibel und unzureichend seitens unserer Regierenden gehandhabt werden.

Axel Krüger, München

Ist die Welt dann schlauer?

So viel Witz und Humor, der in diesem Artikel steckt. Klasse. 30 Jahre lang habe ich mich selbst mit parlamentarischen Anfragen quälen müssen, auf Landesebene, und mich auch wie Frau B. gefragt, "und, ist die Welt jetzt schlauer"?

Petra Seling-Biehusen,Rotenburg/Wümme

Anfragen zur Wahl stellen

Ich hätte einen konkreten Vorschlag: Könnte nicht eine Gruppe von Journalisten oder Bürgern jeden Monat aus den circa 250 Anfragen die ihrer Meinung nach überflüssigsten zehn heraussuchen und diese in der Öffentlichkeit zur Wahl der dümmsten Anfrage des Monats aufrufen? Den Orden möchten ja wohl manche Abgeordneten nicht so gern erhalten, und das würde ja vielleicht manchen etwas bremsen.

Gerd Schatz, Bruchsal

Demokratie lähmt sich selbst

Als jemand, der sechs Jahre als Referent in einem Ministerium tätig war, kann ich bestätigen, dass Außenstehenden nicht annähernd klar ist, was die vielen Beamten der Ministerien den lieben ganzen Tag so treiben. Die im Artikel dargelegte Herausforderung an das Personal, zunehmend Anfragen der Opposition zu beantworten und gar nicht mehr zur Gestaltung des Aufgabenbereiches zu kommen, zeigte sich in meinem gesamten Arbeitsumfeld. Demokratie lähmt sich selbst. Was so etwas in Zeiten einer Pandemie bedeuten kann, mag sich jeder selbst ausmalen.

Abgeordnete, die ihr politisches Handeln auf ihrer Homepage damit belegen, wie viele Anträge sie gestellt haben, könnte man durch Antragskontingente beschränken. Bei jedem Antrag sollte mit aufgeführt werden, wie viele Personalstunden für dessen Beantwortung benötigt wurden. Auch Anfragen aus der Bevölkerung haben sicherlich deutlich zugenommen und sind natürlich Ausdruck einer gelebten Demokratie. Jedoch muss man dann auch kommunizieren, dass es einer deutlichen Aufstockung des Verwaltungspersonals bedarf (Alternative wäre eine deutliche Prozessoptimierung), die durch Steuermittel zu finanzieren sind.

Insbesondere bei Regierungswechseln zeigt sich die Ohnmacht der neuen Opposition durch eine gesteigerte Anfragenfrequenz. Beruhigend, wenn man einen erfahrenen Referatsleiter hat, der in einem solchen Falle meinte: "Jetzt schreiben wir einfach die andere Hälfte der Wahrheit."

Maurice Florêncio Bonnet, Mannheim

© SZ vom 07.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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