Afghanistan:Hadern mit einem der längsten Kriege

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US-Präsident Trump hat ob eines Terroranschlags Gespräche mit den Taliban abgesagt. Nach 18 Jahren Krieg ist kein Ende in Sicht, und die Krisensituation macht immer mehr Leser unruhig. Auch ein ehemals hochrangiger Diplomat meldet sich zu Wort.

Im Dauereinsatz: Ein Mitglied der afghanischen Sicherheitskräfte, zum Schutz abgestellt in Dschalalabad im Osten des Landes. (Foto: AP)

Zu " Trump lädt Taliban aus", " Waffen reichen nicht" vom 9. September und zu " Die innere Unsicherheit" vom 19. August:

Wichtige Antworten fehlen

Die wohl wichtigste Frage betrifft den Zweck des 18 Jahre dauernden Militäreinsatzes in Afghanistan. Ursprüngliches Ziel war, Bin Laden und al-Qaida unschädlich zu machen und zu verhindern, dass auf afghanischem Territorium weitere Terrorattacken wie die vom 11. September 2001 vorbereitet würden. Um dies zu erreichen, erschien es notwendig, die Regierung der Taliban zu stürzen. Das gelang nach wenigen Wochen. Im Dezember 2001 wurde in Kabul eine Übergangsverwaltung unter Präsident Karsai eingesetzt. Doch konnten die Taliban nicht vollständig eliminiert werden. Daher ging der Krieg weiter.

Von 2002 an wurde aus dem Krieg gegen Afghanistan ein Krieg in Afghanistan. Es ist ein Bürgerkrieg, in dem Truppen ausländischer Staaten eine Kriegspartei, nämlich die von ihnen eingesetzte Regierung, unterstützen. Die andere Kriegspartei sind die Taliban, die zuvor Afghanistan regiert hatten. Im Jahre 2012 erreichte die Truppenstärke der US-Streitkräfte, der von ihnen eingesetzten Söldner und des Militärs der mit den USA verbündeten Staaten etwa 230 000 Mann, diejenige der afghanischen Streit- und Sicherheitskräfte mehr als 300 000 Mann. Dennoch konnten die Taliban nicht besiegt werden.

Daraufhin beschlossen die USA und ihre Verbündeten, ihre Kampfhandlungen in Afghanistan zum Jahresende 2014 einzustellen. Seit Jahresbeginn 2015 sind sie nach eigenen Angaben nur noch damit beschäftigt, afghanische Sicherheitskräfte auszubilden, zu beraten und zu unterstützen. Die Aufgabe, die Taliban unschädlich zu machen, ist offiziell den Streit- und Sicherheitskräften Afghanistans überlassen. Doch haben sie damit so gut wie keinen Erfolg. Daher führen die USA den Krieg in Afghanistan in gleicher Weise fort wie zuvor. Angesichts der Schwäche der afghanischen Sicherheitskräfte wurde auf dem Nato-Gipfel im Juli 2018 in Brüssel eine Verlängerung der finanziellen und militärischen Unterstützung Afghanistans im Kampf gegen die Taliban bis zum Jahre 2024 beschlossen. Sie sei notwendig, damit das Land "niemals wieder als sichere Zufluchtsstätte für Terroristen dient, die unsere gemeinsame Sicherheit bedrohen".

Diese Begründung macht wenig Sinn. Denn für die praktische Vorbereitung von Terroranschlägen eignet sich dieses völlig unterentwickelte Land wenig. Die Attacken vom 11. September 2001 wurden angeblich von 19 Personen ausgeführt, die sich darauf in den USA vorbereitet hatten, in einer früheren Phase, nach amtlichen Erkenntnissen, in Hamburg. Wenn Länder wie die USA und Deutschland nicht verhindern können, dass sich auf ihrem Gebiet Terroristen verstecken und Terroranschläge vorbereiten, erscheint es ausgeschlossen, es in einem Land wie Afghanistan zu erreichen. Dennoch: Um dieses Ziel zu erreichen, soll das gesamte Staatsgebiet Afghanistans unter die Kontrolle der Regierung gebracht werden. Das ist seit beinahe 18 Jahren nicht gelungen. Ein wichtiger Grund dafür sind die Verluste unter der Zivilbevölkerung. Die seit 2001 erlittenen Verluste werden auf 31 000 Tote geschätzt. Jeder getötete Angehörige ist ein Grund für weitere junge Männer, sich den Taliban anzuschließen und gegen die USA zu kämpfen. Schon deshalb kann der Krieg in Afghanistan nicht gewonnen werden.

Offenbar konnten sich auch die Vereinigten Staaten dieser Einsicht nicht mehr verschließen. In der Presse wurde berichtet, dass die USA einem schrittweisen Abzug ihrer Soldaten innerhalb von 16 Monaten zustimmen würden, wenn die Taliban im Gegenzug versprechen, nie wieder Terroristen vom Schlage der Kämpfer von al-Qaida zu beherbergen. Sollen die Taliban, bislang selbst als Terroristen eingestuft, nun allen Ernstes damit beauftragt werden, dafür zu sorgen, dass Afghanistan "niemals wieder als sichere Zufluchtsstätte für Terroristen dient, die unsere Sicherheit bedrohen"? Diese Vorstellung ist absurd.

Das legt die Vermutung nahe, dass es bei dem Krieg in Afghanistan letztlich gar nicht um unsere Sicherheit geht. Worum geht es dann aber wirklich? Und warum machen wir mit? Ich weiß keine Antwort. Aber nicht schlimm, denn die Frage stellen sich nicht einmal mehr unsere Parlamentarier.

Dr. Wolfgang Plasa, Seefeld, ehem.Botschafter der EU, ehem. Chefberater des Präsidenten, Islam.Republik Afghanistan

Europäer sollen es richten

Im Kampf gegen den IS-Terror werden erstaunlicherweise vor allem die Europäer aufgerufen. Die US-Politiker - Geburtshelfer des IS - versteigen sich gar in Forderungen, was der Rest der Welt zu tun hat, um die Scherben wegzuräumen, die sie nach ihrem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg wieder mal im Nahen und Mittleren Osten und im Norden Afrikas hinterlassen haben. All das spielt sich ab in großer und sicherer Entfernung von den Kriegsfolgen, beinahe unbemerkt vom amerikanischen Bürger. Friedensverhandlungen in Camp David? Wie grotesk ist diese Vorstellung? Aber es ist ja Wahlkampf. Und ja, wir teilen die gleichen Werte: Todesstrafe, Guantanamo, Folter....?

Gerd Gersbeck, München

Gefallen für was?

Mike Szymanskis Bericht über die Bundeswehr in Masar-i-Scharif ist nachvollziehbar und differenziert. Was aber hat die Streitkraft zur Verteidigung Deutschlands und Europas gegen Angriffe von außen in Afghanistan zu tun? Der Nato-Bündnispartner USA rief 2001 den Verteidigungsfall nach Artikel 5 des Nato-Vertrags auf und blies zum Angriff auf ein wildes Nichts zwischen Persien und Pakistan. Inzwischen dauert dieser Krieg fast 19 Jahre und die USA hündeln in Katar vor den islamistischen Taliban, dem vormals deklarierten Hort des Bösen.

Der Krieg wird für die Nato zu Ende gehen, und Afghanistan wird in die finsterste Ecke des Islam zurückkehren. Aufrechte Demokraten und der Unterwerfung entkommene Frauen in Kabul werden dem Fallbeil der Islamisten geopfert werden. 58 deutsche und Hunderte Soldaten des Nato-Bündnisses werden für rein gar nichts gefallen sein. Währenddessen tobt ein US-Präsident, dass seine Verbündeten das Ziel nicht erreichen, wenigstens zwei Prozent ihres Inlandsprodukts für die Vorbereitung weiterer Kriege zu entrichten. Willkommen in der Hölle.

Dr.-Ing. Reinhold Gütter, Hamburg

© SZ vom 20.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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