Abgesagte Impfaktion an Planegger Gymnasium:Ein Schulprojekt mit heftigsten Nebenwirkungen

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Steht die Impfreihenfolge Kopf - oder nützt es allen, die Jungen zu immunisieren?

Hat eine geplante Schüler-Impfaktion durch Hausärzte nach öffentlichem Druck wieder abgesagt: Das Feodor-Lynen-Gymnasium in Planegg. (Foto: Catherina Hess)

"Gymnasium bietet Impftermin für Schüler" vom 17. Mai, "Eine übergroße Dosis Empörung" vom 19. Mai, "Wieder ganz hinten in der Warteschlange" vom 20. Mai sowie die Kommentare "Chance für Jugendliche" (Pro) und "Falsche Begehrlichkeiten" (Contra) vom 20. Mai - alles Beiträge zur inzwischen abgesagten Schul-Impfaktion an einem Gymnasium in Planegg:

Mehr Mannschaftsgeist, bitte!

Es bleibt in einer Demokratie jedem/jeder unbenommen, seine/ihre Meinung zu äußern. Und das ist gut so. Indes kann ich es nicht verstehen, dass den Direktor einer Schule und ein Praxisteam Hass und Neid erreichen. Zumal, wenn versucht wird, einer Zielgruppe, die seit einem Jahr nicht wirklich praktisch bedacht wird, eine Impfchance zu ermöglichen. Für mich ist das Lösungsorientierung, Einfühlung und Pragmatismus. Und: Keinem wird das Impfen aufgezwungen, die Priorisierung fällt, Betriebe in verschiedenen Ecken Bayerns impfen ihre Mitarbeitenden. Warum gilt das nicht auch für den gesamten Betrieb Schule? Warum gilt das also nicht auch für über 16-jährige mit Impfstoffdosen, die in einer Praxis nach (!) der Impfung Priorisierter zur Verfügung gestellt werden? Auch die Entscheidung ob der Priorisierung ist ja letztlich eine politische Normierung, die man hätte auch anders entscheiden können, zum Beispiel, dass Jugendliche ab 16 auch Prio 3 wären, aber das ist eine andere Baustelle. Dass der hier zu nutzende Impfstoff dann in Folge eine Nichtimpfung von Priorisierten bedeutet, ist eine Verkürzung einer Kausalkette. Und durch die Nichtimpfung bleibt auch hier das Risiko der Ansteckung für alle bestehen.

Ich wünsche mir viel mehr Mannschaftsgeist - wir profitieren alle, wenn viele schneller geimpft werden. Und warum nicht auch Kinder und Jugendliche?

Dr. Carla Hegeler, München

Eine Frage von Leben und Tod

Schauen wir uns mal zwei Fakten an, die allen Beteiligten geläufig sein sollten. Erstens ist nicht genug Impfstoff vorhanden, um alle Risikopersonen zu impfen. Dementsprechend nimmt jede an einen Schüler verimpfte Dosis einer Risikoperson eine Dosis weg. Zweitens hat die männliche Alterskohorte zwischen 60 bis 69 ein um mehr als Faktor 1000 höheres Risiko, an Covid-19 zu sterben, als die Kohorte von 10 bis 19 Jahren. (Statista: 10-19: 3 weiblich, 4 männlich, 60-69: 2205 weiblich, 5068 männlich, Stand: 11. Mai 2021). Daraus folgt, dass eine an eine Risikoperson verimpfte Dosis die Sterblichkeit durch Covid-19 tausendfach stärker reduziert als die Impfung eines Schülers. Im Umkehrschluss bedeutet jede an einen Schüler verimpfte Dosis mehr Tote durch die Pandemie.

Das wissen sowohl Herr Dr. Spohrer, der als Leiter des "Feo" in seinem Elternbrief beteuert, dass niemandem eine Dosis weggenommen würde. Dass wissen Herr Dr. Boscher und sein Praxisteam, welches die Impfungen vornehmen wollte. Und das wissen Herr Dr. Söder und Herr Holetschek, die nicht in der Lage sind, eine evidenz- und risikobasierte Impfpriorisierung durchzusetzen, und stattdessen eine populistische, lobbygetriebene Drängelpolitik legalisieren. Hier geht es nicht um das Gefühl von Neid nach dem Motto: "Der bekommt ein Bonbon, und ich nicht." Es geht um ganz konkrete, vermeidbare Todesfälle, welche durch die Entscheidungen der Herren verursacht würden und werden.

Dr. Jürgen Goerge, Neuried

Erst Vulnerable, dann die Jugend

Mag ja sein, dass der Unterschleißheimer Hausarzt die Impfaktion am Planegger Feodor-Lynen-Gymnasium pragmatisch sieht und meint, wenn die Patienten in den höheren Priorisierungsgruppen versorgt seien, könne damit begonnen werden, jüngere Menschen zu impfen. Grundsätzlich ist die Impfung Jugendlicher und der Kinder durchaus zu begrüßen. Als Versorgungsarzt für den Landkreis München müsste er aber wissen, dass es noch eine Vielzahl vulnerabler Personen gibt, für die es noch nicht einmal einen Termin für die Erstimpfung gibt und, wie es im SZ-Bericht heißt, im Landkreis immer noch viel zu wenig Vakzin ankommt, um alle Impfwilligen zu immunisieren. Den Gipfel pragmatischer Sichtweise aber leistet sich der Hausarzt, indem er feststellt, Jugendliche deswegen zu impfen, weil sie viel unterwegs sind und dadurch ein höheres Risiko haben, sich oder andere anzustecken, "als Ältere, die mehr zuhause sind". Also ihr Alten: Bleibt gefälligst zu Hause, geht nicht zu euren Kindern und Enkelkindern, nicht in das Fitnessstudio oder gar auf den Tennisplatz. Dort blockiert ihr ja eh nur das Freizeitvergnügen der Jugend. Im Übrigen ist es offensichtlich Landrat Christoph Göbel zu verdanken, dass diese Planegger Impfaktion gecancelt wurde.

Herbert Mack, Straßlach

Erhöhtes Risiko für Lehrer

Laut einem ihrer Artikel sind Lehrer ja "leider noch nicht alle geimpft". Tatsache ist, dass Lehrer an weiterführenden Schulen in München nicht priorisiert wurden, sondern ungeimpft im Präsenzunterricht Abschlussklassen unterrichtet und Abiturprüfungen abgehalten haben. Gleichzeitig wurden bereits vor zwei Wochen im Innenministerium, im Wirtschaftsministerium und im Kultusministerium Mitarbeiter geimpft, die Büroarbeit verrichten und keine Risikogruppen sind. Landrat Göbel, nehme ich an, ist ebenfalls schon geimpft. Das ist in meinen Augen: "Politiker und ihre Wähler first.". Kinder und Jugendliche haben nach wie vor keine Lobby.

Friederike Ulrichs, München

Kaum zu glauben

Mein eigener Hausarzt jammert, dass er nicht genügend Impfstoff bekommt, um seine Patienten der Riskogruppe 3 zu versorgen. Meine Frau arbeitet bei einem Hausarzt, der das gleich Problem hat. Eine befreundete Hausärztin: Dito! Da klingt es für mich schon fast wie Hohn, dass der Schulleiter die Aussage trifft: "Mir war es wichtig, dass weder Lehrkräfte noch Schülerinnen und Schüler jemandem eine Impfung wegnehmen, der aus gesundheitlichen Gründen wirklich eine benötigt."

Rudolf Gartner, München

Eigeninitiative und Mithelfen gegen die Pandemie: Unerwünscht!

Als betroffene Eltern einer Schülerin des Planegger Gymnasiums sind wir sehr überrascht über den kritischen und keineswegs neutralen Beitrag in der SZ zur Impfung vieler Schüler, die wiederum zur weiteren Eindämmung der Pandemie beigetragen hätte.

Aufgrund einiger Medienberichte und Stellungnahmen von Politikern wurde diese nun abgesagt, die Schüler stellen sich wieder - wie immer - brav in der Wartereihe an, haben weiterhin keine Aussicht auf einen normalen Schulalltag, auf ein normaleres Leben, und müssen sich weiterhin anhören, dass sie viele vulnerable Menschen schützen müssen, die sich übrigens auch in den Haushalten der Schüler befinden.

Aus diesem Grund hätte ein ambitionierter Rektor legal und regelkomform ermöglicht, viele Schüler durchzuimpfen. Doch Herr Spohrer musste dem Druck der Öffentlichkeit nachgeben, denn Initiative und Mithelfen beim Bekämpfen der Pandemie ist nicht erwünscht.

Das ist alles sehr enttäuschend, und wir hoffen, dass diese für die Schüler gedachten Impfdosen wirklich an all die Leute gehen, die sie dringend nötig haben und nicht an die "Drängler", von denen es auch genügend gibt.

Regina Baumberger, Gauting

© SZ vom 25.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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