70 Jahre Grundgesetz:Ein Provisorium, das lange trägt

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Die SZ-Sonderbeilage zum Jubiläum hat viele Leser zum Nachdenken gebracht: Sie schreiben über den Lobbyismus im Gesetzesbetrieb, die Zukunft der Nationalhymne und stellen die Frage nach der Endgültigkeit der Verfassung.

Luftdicht verpackt in Edelstahlbehältern: Das Original des Grundgesetzes von 1949 wird - auch auf Mikrofilm - im Barbarastollen im Schwarzwald gelagert. Dort ist der Zentrale Bergungsort der Bundesrepublik, auch für kulturelle Güter. (Foto: Patrick Seeger/dpa)

Zu "Das bessere Deutschland" und weiteren Artikeln in der Sonderbeilage "70 Jahre Grundgesetz" vom 4./5. Mai:

Lobbys gefährden Gesetzgebung

Ja, das Grundgesetz ist die beste Verfassung, die Deutschland sich nach dem totalen Desaster des sogenannten Dritten Reiches geben konnte. Ihre Würdigung der vergangenen 70 Jahre in der Wochenendausgabe der SZ ist umfassend, gut gelungen und eindrucksvoll - allein es fehlt etwas Entscheidendes: die aktuellen Bedrohungen unserer Demokratie und damit auch des Grundgesetzes. Dabei sehe ich nicht nur die linken oder rechten Ränder, die Unheil bringen können. Es ist die Mitte, die unsere Demokratie erodieren lässt: der allgegenwärtige Lobbyismus und die damit verbundene ungezügelte Geldgier der nur im Zyklus einer Wahlperiode denkenden und handelnden Abgeordneten der bürgerlichen Parteien.

Betrachtet man das Zustandekommen der Entscheidungen im Bundestag, dann werden gefühlt über 90 Prozent von der Mehrzahl der Abgeordneten nicht in ihrer Profession als Repräsentanten des Volkes getroffen, sondern im Rahmen ihrer Verpflichtungen und Abhängigkeiten von den Verbänden, der Industrie, der Wirtschaft, dem Finanzwesen etc. Dies ist nicht nur bedrohlich für unser gesamtes Staatswesen, es ist auch die völlige Abkehr von den Intentionen der Väter des Grundgesetzes von 1949. Damals: Alle Gewalt geht vom Volke aus. Und heute? Vom Geld - denn: Pecunia non olet! Gleiches gilt für die Bundesregierung, beispielhaft dafür führe ich an: Frau Klöckner und ihre Haltung zur Vergiftung des Grundwassers (Gülle und Glyphosat) und Herrn Scheuer bezüglich der Schädigung der Atemluft (CO₂ und Feinstäube). So ruiniert man unsere Zukunft. Dieser Entwicklung folgend könnten wir uns demnächst die teuren Wahlen für den Bundestag sparen. Dann brauchen wir keine Parteiprogramme, keine Wahlversprechen, vielleicht auch keine Parteien mehr, denn am Ende genügen Dax und Börsenbericht!

Wolfgang-Joachim Pendzich, Hamburg

Warum keine neue Hymne?

Die in der Einleitung der Sonderbeilage beschriebenen Befindlichkeiten von uns Ostdeutschen in Bezug auf mögliche Neuformulierung mancher Artikel im Zuge der Wiedervereinigung sehe ich ebenso wie Herr Thierse. Allerdings werde ich niemals verstehen, warum bei der Wiedervereinigung keine neue Nationalhymne gewählt worden ist. Die Nationalhymne ist im Grundgesetz nicht festgeschrieben wie die Nationalfarben. Gerade deshalb wäre es leicht gewesen, sich von dieser unsäglichen jetzigen Hymne zu trennen. Stattdessen hätte sich zum Beispiel Bertolt Brechts Kinderhymne wunderbar geeignet. Was für ein toller Text. Ihn kann man nach der Melodie der BRD- als auch der DDR-Hymne singen. Diese Missachtung reiht sich ein in die vielen Demütigungen von Seiten westdeutscher Politiker und Wirtschaftsvertreter.

Winfried Scholz, Berlin

Warten auf die Verfassung

Bei allem Respekt für die mühselige redaktionelle Arbeit, die hinter der Beilage "70 Jahre Grundgesetz" steckt, vermisste ich einen Gedanken, der mich mit meinen nunmehr 88 Jahren schon lange beschäftigt hat und den ich nun hier wiederhole: Das Grundgesetz ist nicht so ganz lupenrein zustande gekommen, wie es erscheint. Denn es wurde auf Herrenchiemsee von speziell ausgewählten Abgeordneten aus Landesparlamenten entworfen, die in diesen ersten Nachkriegsjahren ja in allererster Linie dafür gewählt worden waren, die Nöte von uns Deutschen zu lindern, für Essen und Kleidung und für Brennstoffe zu sorgen und sich auch um die Unterbringung von Millionen Heimatvertriebener zu kümmern. Den Gedanken einer Verfassung haben diese Abgeordneten damals wahrscheinlich nur als viele Jahrzehnte entfernte Zukunftshoffnung zu formulieren gewagt. Dies also Punkt eins meiner kritischen Einstellung zu unserem Grundgesetz - das ich aber selbstverständlich trotzdem bejahe.

Nun aber Punkt zwei meiner Bedenken. In diesem unserem Grundgesetz steht ja auch ein Artikel, der besagt, dass an die Stelle dieses Grundgesetzes nach einer Wiedervereinigung mit den von den Sowjets besetzten östlichen Ländern in einer dann gemeinsamen Abstimmung eine endgültige Verfassung beschlossen werden solle. Leider ließ nun dieser berühmte Artikel außer der demokratischen und gemeinsamen Abstimmung von Ost und West in einem anderen Artikel auch den freiwilligen Beitritt des anderen Teils des verbliebenen Deutschlands zu. Und die DDR-Bürger wollten mehrheitlich nicht auf diesen Tag der wahren Freiheit warten, sondern vor allem sofort teilhaben an der so bewunderten und ersehnten Deutschen Mark. Und so kam es, dass die DDR ein Teil der Bundesrepublik wurde, und manche der heutigen Probleme gehen auf diese verständliche, aber vielleicht doch etwas voreilige Entscheidung zurück. So haben wir also außer den, wie ich finde, etwas hochtrabenden Ewigkeitsklauseln am Anfang des Grundgesetzes auch das Grundgesetz an sich für die Ewigkeit - statt einer echten Verfassung. Das ist doch ein bisschen schade, oder?

Adolf Althen, Unterhaching

Asylthema einseitig dargestellt

Der Beitrag "Im Mittelpunkt" in der Beilage zu 70 Jahren Grundgesetz taugt eventuell als Kommentar, aber - in seiner Einseitigkeit - nicht als Bericht, der eine gewisse Objektivität beinhalten sollte. Zu einer differenzierten Berichterstattung über das Grundrecht auf Asyl gehört auch die andere Seite, nämlich die, dass die Integration und Aufnahme von Flüchtlingen für die jeweils heimische Bevölkerung mit großen Problemen verbunden sein kann, weil eben Integrationswille und Integrationsfähigkeit bei Flüchtlingen oft nicht gegeben sind. Umso mehr kann man eine erhebliche Gewaltbereitschaft bei manchen Asylbewerbern und Flüchtlingen beobachten. Die meiste Angst müssen die Migranten häufig vor Mitflüchtlingen haben. Diese Aspekte und die enorme Belastung für unsere Sozialsysteme werden in besagtem Artikel nicht mal angesprochen. Wer aber nur die halbe Wahrheit in der Zeitung erzählt und Fakten, die nicht ins Weltbild passen, einfach weglässt, treibt Parteien wie der AfD die Wähler zu.

Gerd Gaumer, Erding

© SZ vom 14.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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