Zwischen Abschluss und Beruf:Mut voraus

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Absagen sind in der ersten Bewerbungsrunde nach dem Studium ganz normal. Aber man kann den Traumjob auch über einige Umwege bekommen. Beispielsweise über Praktika oder persönliche Kontakte.

Von Katharina Vitinius

Nach Dutzenden von Absagen ist keine Haut so dick, als dass einem frisch gebackenen Bachelor oder Master nicht gelegentlich zum Heulen wäre. Alle, die mit sich und ihren vermeintlich vergeudeten Jahren an der Hochschule hadern, können sich von Matthias Schwarzkopf trösten lassen: "50 Bewerbungen ohne Zusage sind für Berufseinsteiger völlig normal", sagt der Karriereberater und Coach aus Jena. Nur Absolventen mit guten Abschlüssen in stark gesuchten Berufsfeldern fänden postwendend einen Job. Dennoch, sagt Schwarzkopf, machten sich die jungen Leute häufig Illusionen: "Dass sich der Einstieg in die Arbeitswelt über Wochen und Monate hinziehen kann, haben die Absolventen oft nicht so klar vor Augen."

Die Zahl der Studienanfänger ist seit 2007 stetig gestiegen

Die Arbeitsmarktprofis von der Nürnberger Bundesagentur für Arbeit wissen hingegen genau um die Schwierigkeiten der Jungakademiker, das angehäufte Wissen in einem passenden Job unter Beweis stellen zu können. Verantwortlich dafür ist das Gesetz von Angebot und Nachfrage. Seit 2007 steigt die Zahl der Studienanfänger; zuletzt war es gut eine halbe Million. Während 2005 nicht einmal jeder dritte Abiturient ein Studium aufnahm, entschloss sich im vergangenen Wintersemester fast jeder zweite dazu. Und das wird mindestens bis 2019 so bleiben. Erst danach erwarten Fachleute einen allmählichen Rückgang der Studentenzahlen.

Nur nützt das denjenigen herzlich wenig, die gerade jetzt auf der Suche sind. Fast jede Woche klopfen Absolventen bei Matthias Schwarzkopf und seinen Kollegen an und bitten um einen Beratungstermin. "Wir bauen erst mal emotional auf", so beschreibt der promovierte Erziehungswissenschaftler das Vorgehen. "Und dann besprechen wir die geeignete Suchstrategie." Die hänge vom Studienfach und von den Berufswünschen der Absolventen ab. Die Faustregel: Je enger die Studienrichtung, desto offener müssten die Bewerber bei der Art der künftigen Tätigkeit sein. Schwarzkopf nennt ein Beispiel: "Germanisten zieht es in die Verlage. Die Konkurrenz ist riesig, aber die Branche ist klein." Direkt landen könne man nur mit Vorerfahrung, also mit Praktika oder einer Buchhändlerlehre. Oder zu Dumpinglöhnen, auch das soll es geben. "Besser ist es, sich über Nebenwege an die Zielbranche heranzupirschen", empfiehlt Schwarzkopf. Und zu Networking, denn jede zweite Stelle im Akademikerarbeitsmarkt werde über Kontakte vergeben. Um sich diesen verdeckten Arbeitsmarkt zu erschließen, möge man Freunde, Verwandte und Bekannte ansprechen, die in der Zielbranche tätig sind. Und daneben Plan B verfolgen, sagt Schwarzkopf: "Ideen sammeln, was noch möglich und attraktiv wäre." Marketing, PR-Agentur, Personalabteilung - der Karriereberater kann sich so manches Einsatzfeld für pfiffige und sprachmächtige Hochschulabsolventen vorstellen.

Noch mehr Kreativität brauchen Jungakademiker, die sich für eine ausgefallene Studienrichtung entschieden haben. Sinologen, Arabisten, Archäologen und Liebhaber anderer beruflicher Orchideen dürften schon im Studium gehört haben, dass die Stellensuche kein Selbstläufer ist. Nicht wenige wenden sich nach dem Examen an die Jobcenter. Für sie wie für alle Hochschulabsolventen hält Susanne Eikemeier von der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg eine gewisse Suchphase für ganz normal. Wer sich ans Jobcenter wende, bekäme auch Hilfe: "Jeder, der sich bei uns als Arbeit suchend meldet, hat Anspruch auf Leistungen. Das sind in vielen Fällen Geldleistungen, aber auch Beratung und Fortbildung." Neben Bewerbungstrainings würden Kurse zur Gewinnung von Zusatzqualifikationen angeboten. "Zum Beispiel Softwarekenntnisse, die den Einstieg in den Arbeitsmarkt leichter machen", sagt Eikemeier. Letztlich könne auch eine von der Arbeitsagentur finanzierte Umschulung erwogen werden. Gezwungen werde niemand dazu, ebenso wenig wie zur Annahme einer Tätigkeit unterhalb des Ausbildungsniveaus. Allerdings, so steht es im Gesetz, beendet die Ablehnung der Maßnahme den Hartz IV-Bezug.

Arbeitslose Hochschulabsolventen müssen dennoch nicht befürchten, ihren Berufswunsch binnen kurzer Zeit an den Nagel hängen zu müssen. "Entscheidend ist das Dequalifizierungstempo im Studienfach", sagt Susanne Eikemeier. "Ein Informatiker ist nach drei Jahren komplett weg vom Markt. Das Wissen einer Sinologin hält sich viel länger." Sie habe also mehr Zeit für die Suche. Hochschulabsolventen allerdings, die in Mangelfeldern wie beispielsweise Medizin oder Ingenieurwissenschaften ausgebildet wurden und trotz eines guten Abschlusses und Bewerbungstraining keinen Job finden, machen die Berater hellhörig. Eikemeier: "Dann fragen wir uns schon, woran es liegt."

© SZ vom 19.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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