Zeitkiller in der Arbeit:Teurer Leerlauf

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Sinnlose Meetings, chaotische Strukturen: In deutschen Unternehmen wird unnötig Zeit verplempert.

Nicola Holzapfel

Unternehmensberater sind von Berufs wegen zum Sparen verpflichtet. Sie sparen Geld. Sie sparen Zeit. So wird es niemanden wundern, dass die Studie der Unternehmensberatung Proudfoot ergeben hat, dass in deutschen Firmen alles andere als effizient gearbeitet wird: Mehr als 32 Arbeitstage pro Jahr würden verschwendet, haben die Forscher herausgefunden. Wie Proudfoot vorrechnet, liegt die Arbeitsproduktivität in Deutschland bei gerade einmal 68 Prozent. Der wirtschaftliche Schaden sei gewaltig und summiere sich im Jahr auf 170 Milliarden Euro.

Die Suche nach dem richtigen Dokument, der richtigen Information: Laut Fraunhofer-Institut ein typischer Zeitfresser in deutschen Unternehmen. (Foto: Foto: John Foxx)

Auch den Schuldigen haben die Berater gefunden. Es ist nicht etwa der in der Nase bohrende Angestellte, der die Füße auf den Tisch legt statt den Firmenerfolg zu mehren. Vielmehr ist die Ursache mangelnde Führung. "Es ist Aufgabe des Managements, dafür zu sorgen, dass optimale Arbeitsbedingungen herrschen", sagt Jochen Vogel von Proudfoot.

Die Berater haben in den vergangenen Jahren weltweit die Arbeitsprozesse in 1900 Unternehmen analysiert. Das Ergebnis: Das Arbeitsumfeld zwingt viele Beschäftigte zum Nichtstun. Mitarbeiter stehen vor Maschinen, die nicht laufen. Andere kommen mit der Arbeit nicht voran, weil ihnen Dokumente fehlen, die womöglich von verschiedenen Abteilungen überflüssigerweise mehrfach bearbeitet werden. "Vertriebsmitarbeiter kommen häufig nicht mehr zu ihrer eigentlichen Aufgabe, dem Verkauf, weil sie im Zuge von Kosteneinsparungen nun auch noch Verwaltungsarbeit machen müssen", sagt Vogel.

Und auch die Führungskräfte widmeten sich nicht ihrem eigentlichen Job: "Sie erledigen zu viele Aufgaben selbst, anstatt sie zu delegieren. Und sie gehen zu selten in den Betrieb, um mit den Mitarbeitern zu sprechen", kritisiert Vogel.

Zu den wichtigsten Zeitkillern zählen der Studie zufolge außerdem Meetings. Schlecht vorbereitete Besprechungen, in denen die falschen Leute sitzen und die zu keinem Ergebnis führen, sind in Deutschland scheinbar Alltag. Auf die Beschäftigten wirke sich die Situation in den Unternehmen demotivierend aus. Im Vergleich zu den Vorjahren habe sich die Arbeitsmoral spürbar verschlechtert. Sie zähle mit zu den wichtigsten Faktoren für Unproduktivität.

Auch eine Studie des Stuttgarter Fraunhofer Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) und des Kaizen Institute in Bad Homburg hält schwarz auf weiß fest, wie ineffizient in vielen Unternehmen gearbeitet wird. Im Fokus der Untersuchung stand die Verwaltung. Im Schnitt werde dort ein Drittel der Arbeitszeit verschwendet. Das ergab eine Internet-Umfrage unter 170 deutschen Firmen. Vor allem Großunternehmen schätzten die Ineffizienz hoch ein.

Die Fraunhofer-Studie nennt schlecht abgestimmte Prozesse als wichtigste Ursache. So müssen Mitarbeiter beispielsweise unnötig lange auf Informationen warten. Außerdem gaben 31 Prozent der Befragten an, dass überflüssige oder fehlende Arbeitsmaterialien sinnlos Zeit fräßen. Auch die "Suche nach dem richtigen Dokument in chaotischen Dateiverzeichnissen" scheint weit verbreitet zu sein. Unter dem Organisations-Wirrwarr leiden am Ende die Kundenbeziehungen. "Die Zeit zwischen der Anfrage eines Kunden und dem Moment, in dem er das Gewünschte erhält, könnte deutlich verbessert werden", sagt Anna-Katharina Wittenstein vom IPA. Das Erstaunliche: Die Mitarbeiter sind sich dessen oft bewusst. "Sie sind die ersten, die merken, wenn Prozesse schief laufen."

Wie die Untersuchung der Proudfoot-Berater zeigt, wird nicht nur hierzulande unproduktiv gearbeitet. Deutschland liegt im Vergleich zu anderen Industrieländern im Mittelfeld. Die große Mehrheit der deutschen Manager habe sich für dieses Jahr vorgenommen, die Produktivität zu steigern. "Sie wissen, dass es noch viel zu tun gibt", sagt Jochen Vogel. Allerdings hofft der Berater, dass sie an die naheliegende Lösung denken und sich beraten lassen, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen: "Da wird viel über die Verlagerung von Standorten nachgedacht, um Kosten zu sparen. Dabei ist es leichter und risikoärmer, die Produktivität in Deutschland um zwanzig Prozent zu erhöhen", sagt Vogel.

Die Berater halten eine Produktivität von 85 Prozent für machbar. Mehr sei allerdings unrealistisch. Der Gang zum Kopierer oder das wiederholte Anrufen bei belegter Leitung gehören nun einmal auch zum effizientesten Arbeitsalltag dazu. "Es gibt immer Leerlauf", sagt auch Wittenstein vom IPA. "Aber man muss diese Zeit ja nicht mit sinnlosen Tätigkeiten füllen".

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