Werkswohnungen:Zechenkolonie und Eisenbahnersiedlung 

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Werkseigene Wohnungen machen Arbeitgeber für neue Mitarbeiter attraktiver. Bisher haben das vor allem Unternehmen der öffentlichen Hand erkannt. Doch die Abhängigkeit von der Firma hat auch Nachteile.

Interview von Miriam Hoffmeyer

Angesichts der Wohnungsnot in Ballungsräumen gerät das alte Konzept der Werkswohnungen wieder in den Blickpunkt. Das Berliner Forschungsinstitut Regiokontext hat Anfang des Jahres eine Studie vorgelegt, in der 13 Fallbeispiele aus dem ganzen Bundesgebiet aufgeführt sind. Einer der Auftraggeber war der Deutsche Mieterbund. Dessen Bundesdirektor Lukas Siebenkotten hofft, dass mehr Unternehmen den Beispielen folgen.

SZ: Gibt es tatsächlich einen Trend zum Bau von Werkswohnungen?

Lukas Siebenkotten: Von einem flächendeckenden Phänomen kann man nicht sprechen, das ist noch ein sehr zartes Pflänzchen. Aber alles, was dazu beiträgt, die Wohnungsnot zu lindern, ist sinnvoll. Etwa 400 000 neue Wohnungen, davon mindestens 200 000 neue Mietwohnungen, müssten bundesweit pro Jahr fertiggestellt werden, um der wachsenden Nachfrage gerecht zu werden. Einer von vielen Akteuren können Unternehmen sein, die für ihre Mitarbeiter bauen.

Welche Unternehmen sind in diesem Bereich besonders aktiv?

Bisher vor allem Unternehmen der öffentlichen Hand, zum Beispiel die Stadtwerke in Köln und in München. Die Stadtwerke München wollen bis 2021 zusätzlich zu ihren 600 Bestandswohnungen weitere 500 Wohnungen für Mitarbeiter bauen. Es ist ja wünschenswert, dass ein Straßenbahnfahrer auch in der Stadt wohnen kann, durch die er fährt.

Warum halten sich private Unternehmen bei diesem Thema eher zurück?

Dafür gibt es vermutlich mehrere Gründe. Zunächst muss man ein Grundstück haben, auf dem man etwas bauen kann. In vielen Großstädten gibt es kaum noch freie Flächen, öffentliche Unternehmen haben aber manchmal noch geeignete Grundstücke, zum Beispiel einen stillgelegten Betriebshof. Vielleicht ist aber auch der Druck auf private Unternehmen einfach noch nicht groß genug. Spannend wird es in dem Moment, wenn Mitarbeiter, die dringend gebraucht werden, absagen, weil sie sich das Wohnen am Standort nicht leisten können.

Dann könnten die Unternehmen mehr zahlen - das wäre einfacher und billiger als selbst zu bauen.

Ja, natürlich. Aber Mitarbeiterwohnungen stärken auch die Bindung zum Arbeitgeber, das ist ein zusätzlicher Vorteil. Früher gab es ja sehr viele Werkswohnungen. In den Neunzigerjahren wurden sie verkauft, oft an Private-Equity-Gesellschaften, und heute gehören viele dieser Wohnungen dem größten deutschen Wohnungskonzern Vonovia. Jetzt hat ein Umdenken eingesetzt.

Sollte die Politik den Bau von Mitarbeiterwohnungen fördern?

Staatliche Zuschüsse halte ich nicht für nötig: Große Unternehmen haben genügend Geld, um zu bauen, vielleicht mit städtischen Wohnungsbauunternehmen als Partner. Und für kleinere Firmen sind solche Projekte in der Regel keine Option. Allerdings wäre eine Gesetzesänderung wünschenswert, damit das Wohnen in einer betriebseigenen Wohnung nicht steuerlich bestraft wird. Denn wenn die Unternehmen weniger verlangen als die ortsübliche Miete, müssen die Mitarbeiter die Differenz als geldwerten Vorteil versteuern - und das läuft wieder dem Ziel zuwider, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

Welche Nachteile haben Mitarbeiterwohnungen aus Mietersicht?

Nicht jeder möchte in unmittelbarer Nähe zu seinen Kollegen wohnen. Ich kenne aber einige Leute, die sich in den alten Eisenbahnersiedlungen oder dem klassischen Zechenhäuschen-Idyll sehr wohlgefühlt haben. Was natürlich problematisch ist: die Abhängigkeit der Wohnung vom Arbeitsverhältnis. Das normale Mietrecht muss in diesen Fällen insoweit eingeschränkt werden, dass Mieter aus den Wohnungen raus müssen, wenn sie nicht mehr bei dem Unternehmen arbeiten, das ist unumgänglich. Außer wenn sie in Rente gehen - ehemalige Mitarbeiter der Stadtwerke München und Köln dürfen dann in den Wohnungen bleiben. Das finde ich auch vernünftig.

© SZ vom 18.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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