Werbeagenturen:Wo die Muse die Kreativen küsst

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Dennoch: Das Geschäft mit der Ideen-Nachhilfe boomt. Trainer und Coaches stehen für die Gruppen- und Einzelbetreuung zur Verfügung. Vom handfesten Training bestimmter Techniken, wie sie Mario Pricken oder auch Ralf Langwost mit seiner IdeaManagement-University anbietet, bis zum persönlichen Rundumservice wird alles geboten.

Das Münchner Kreativitäts-Trainingsunternehmen Eisbrecher-Präsenz setzt auf die Selbstreflexion der Kreativen. Sie schulen, so Joachim Heiderich, einer der drei Partner, "vor allem aus eingefahrenen Bahnen auszubrechen und andere Blickwinkel zu versuchen." Heiderich weiß aus Erfahrung: Die Unternehmenskultur prägt den kreativen Output entscheidend mit.

Zur Angebotspalette der Eisbrecher-Crew zählen etwa Trainings wie Talking bei Walking - gedacht für Führungskräfte und Vorstände, die verlorengegangene Beziehung zu Umwelt und Natur auffrischen und beim Spazierengehen die Chance zu intensiven Gesprächen finden sollen. Gruppen betreuen Heiderich und seine Kollegen auch in der "Tournee der Inspirationen". Im Tour-Modul "Drama" müssen sich die Teilnehmer des Kreativitäts-Trainings in einem Besprechungsraum mit unzumutbaren Störfaktoren - wie extrem lauter Hintergrundbeschallung, Flugzeuglärm - auseinandersetzen. In solchen paradoxen Situationen entwickeln die "Genervten" oft unerwartete Ideen.

Bremse ausschalten

Top-Management-Coach Dorothee Echter rät den von ihr betreuten Führungskräften, darunter viele CEOs der Kommunikationsbranche, Arbeits- und Privatwelt nicht künstlich zu trennen, denn ihre Vorbildfunktion ende nicht an der Bürotür. Sie zeigt ihnen dagegen, wie sie im Museum, beim Konzert oder in der Oper sowohl ihren Repräsentationspflichten als auch ihrem persönlichen Vergnügen gerecht werden.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt Beraterin Dorothea Assig. Auch sie hält nichts von aufgesetzter Work-Life-Balance, die Kreativität nicht garantiert. Sie empfiehlt "Impulse durch interessantes Leben" - wie Naturstreifzüge, Kunstimpressionen oder einfach Abhängen und Faulenzen. So entspannt S&F-Vorstand und ADC-Mitglied Sebastian Turner schon lange.

Katharina Balde*, Senior-Kundenberaterin einer PR-Agentur, hat ihr Kreativtraining bei Langwost viel gebracht. "Nicht nur auf professioneller Ebene, sondern auch was ,Problemlösung' im Alltag oder im Privaten angeht." Ihre Lieblings-Technik: "Einfach den Gedanken freien Lauf lassen, sich nicht durch Denk-Konventionen beschränken und die Bremse im eigenen Kopf ausschalten." So entstehen vielfältige Sichtweisen im neuen Kontext.

Ob die Kombination von harter Vorarbeit und gesteuertem Kreativitätsfluss oder der geniale Einfall aus dem stillen Kämmerlein: Patentrezepte gibt es nicht. In einem Punkt aber sind sich Agenturchefs und Trainer einig: Dem spielerischen Element bei der Entwicklung von Ideen wird ein höherer Stellenwert zukommen. Die Trendforscher sind in ihrer Analyse des "Creative Work", wie die gleichnamige Studie des Zukunftsinstituts zeigt, schon einen Schritt weiter. In ihren Prognosen löst der Begriff Work-Life-Play bald die Work-Life-Balance ab.

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