Weiterführendes Studium:Der Master-Plan

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Der Markt verlangt nach ständiger Weiterqualifizierung. Mit neuen Master-Studiengängen reagieren staatliche und private Hochschulen darauf.

Von Katharina Vitinius

An der Technischen Universität München (TUM) denkt man viel über lebenslanges Lernen nach. Zum einen redet die Wirtschaft ständig davon, und für die will man natürlich Absolventen mit aktuellem Wissen ausbilden. Zum anderen scheinen die Studierenden selbst die Notwendigkeit verstanden zu haben, denn die Nachfrage nach berufsbegleitenden Masterprogrammen ist in den vergangenen fünf Jahren deutlich gestiegen. Zum dritten muss auch eine Hochschule selbst immer weiter lernen. So hat Bernhard Kraus, Managing Director Executive Education an der TUM, zum Beispiel gelernt, dass nebenberufliche MBA-Programme an der Schnittstelle von Technik und Wirtschaft extrem gefragt sind. "Das ist ein Hype", sagt er, "da will jeder hin."

Heute ist die staatliche TUM da, wo der Markt ist, aber ein Spaziergang dorthin war es nicht. "Der Aufbau eines Studienganges dauert etwa 18 Monate", erklärt Kraus. "Die Frage ist immer: Woher bekommt man die Gelder, um so etwas aufzubauen?"

Für den berufsbegleitenden Studiengang darf die TUM kein Geld vom Staat einsetzen

Die Antwort lautet: Durch die Anschubfinanzierung großer Unternehmen, die ihren Führungskräftebedarf gesichert wissen wollen. Mit den Studiengebühren der Teilnehmer fließt ein Teil der Anlaufkosten an die Hochschule zurück. "Wir sind nicht profitorientiert", sagt Bernhard Kraus, "aber wir dürfen keine Staatsgelder einsetzen. Ich muss am Ende eine schwarze Null haben."

Auch die Frankfurt School of Finance & Management finanziert die Kosten für den Aufbau neuer Studiengänge vor. Danach holt sie sich das Geld vom Markt, also von den Studienteilnehmern zurück. "Wir sind eine private Hochschule", stellt Vizepräsidentin Heike Brost klar. Die Frankfurt School ging aus der 1954 von großen deutschen Banken gegründeten Bankakademie hervor. Heute firmiert sie als gemeinnützige GmbH und gehört einer Stiftung, mit der sie Gewinne und Verluste abrechnet. "Vom Aufbau neuer Masterstudiengänge versprechen wir uns mehr Studierende", sagt Heike Brost, "weil unser Studienangebot den Bedürfnissen des Marktes entspricht."

An der auf Bankwesen und Finanzen spezialisierten Hochschule kommen Jahr für Jahr neue Studiengänge hinzu. Oft werden sie von der Finanzwirtschaft, den Abnehmern der Absolventen, angeregt. Und die werden, so das Kalkül der Hochschule, nur solche Gebiete neuen Wissens vorschlagen, auf denen tatsächlich Fachkräftemangel herrscht. Auf diese Weise schafft sich das Angebot seine Nachfrage selbst, was der französische Ökonom Jean-Baptiste Say schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts als Gesetz der Wirtschaft bezeichnet hatte.

In Wiesbaden residiert die staatliche Hochschule Rhein-Main. Hier kann man Technik, Wirtschaft und soziale Arbeit studieren, nur im Vollzeitunterricht, berufsbegleitende Masterprogramme werden nicht angeboten. Warum nicht, wenn die Nachfrage danach doch so groß ist wie anderswo berichtet? "Die Bezahlmaster folgen einer speziellen Philosophie", erklärt Vizepräsidentin Christiane Jost. "Das ist nur sinnvoll, wenn Unternehmen vor Ort mit der Hochschule kooperieren und für ihre Mitarbeiter die verlangten Preise zahlen."

Die Wiesbadener aber hätten kaum Kontakt mit Arbeitgebern, fügt sie hinzu. Trotzdem sei die Hochschule in einer guten Position: Sie sei unabhängig und habe sehr leistungsbereite Studierende. Demgegenüber stünden private Hochschulen ständig unter Erfolgsdruck: "Man verlangt Studiengebühren von bis zu 40 000 Euro, und womöglich wird der Break-even dennoch nicht erreicht. Und dann? Was machen Sie da?"

Knapp einhundert Kilometer südlich von Wiesbaden, in Ludwigshafen, hat die Graduate School Rhein-Neckar ihren Sitz. Vor elf Jahren wurde die private Hochschule als gemeinnützige GmbH gegründet, um die berufsbegleitende Weiterbildung für die staatlichen Hochschulen in Mannheim und Ludwigshafen sowie die Duale Hochschule Baden-Württemberg umzusetzen und zu vermarkten. "Man wollte die Kette des lebenslangen Lernens abbilden", sagt Geschäftsführerin Petra Höhn. Das Vorhaben sei getrieben worden von den Hochschulrektoren mit starker Unterstützung seitens der Wirtschaft. "Natürlich ist es immer auch ein Imagethema, wenn es eine Hochschule schafft, über das grundständige Bachelorstudium hinaus noch andere Formate anzubieten", sagt Höhn. "Das ist attraktiv für die Wirtschaft und für deren Mitarbeiter."

Die Firmen haben oft Mühe, ihren Bedarf für die kommenden Jahre abzuschätzen

Die Idee war: Die Unternehmen formulieren ihren zukünftigen qualitativen Personalbedarf, und die Hochschulen versuchen, dem nachzukommen. "Das hat sich aber nicht bewahrheitet", bedauert die Geschäftsführerin. Denn die Firmen täten sich schwer, ihren qualitativen Bedarf in den nächsten drei bis fünf Jahren zu formulieren.

Auch das Interesse der Arbeitnehmer bleibe hinter den Erwartungen zurück. "Zweifellos nimmt der Qualifizierungsbedarf zu", sagt Höhn. "Vor diesem Hintergrund mag der berufsbegleitende Master gefühlt an Interesse zunehmen." In der Praxis aber könne sie das nicht bestätigen. "Die Unternehmen wollen schneller Veränderungen in der Weiterbildung, als es die Hochschulen oftmals leisten können", sagt die Hochschulmanagerin. Dafür brauchten die Studieneinrichtungen allerdings mehr Handlungsspielraum. "Wenn sie ein wirtschaftliches Geschäft betreiben sollen, wie von ihnen verlangt wird, dann müssen sie auch die Möglichkeiten dazu haben."

© SZ vom 03.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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