Weiterbildung in der Lebensmitte:Ich mach' mein Ding

Lesezeit: 3 min

Wer mit über 40 ein Studium beginnt, verbessert seine Chancen auf einen beruflichen Aufstieg und kann bestimmte Wissenslücken schließen.

Von Christine Demmer

Mit 49 Jahren hat Michael Joseph seinen dritten Beruf erlernt. "Zuerst war ich Tischler, dann habe ich mich zum geprüften Pharmareferenten weitergebildet, und jetzt bin ich Betriebswirt", zählt der Großkundenbetreuer eines Pharmaunternehmens aus dem ländlichen Norden Baden-Württembergs die Stationen seines Berufswegs auf. "In der Pharmaindustrie ist so viel im Gange, ökonomisch, politisch, rechtlich." Als sich Joseph für das Studium entschied, lagen noch mindestens zehn bis 15 Berufsjahre vor ihm. "Ich wusste", sagt er, "wenn ich nichts tue, bin ich dafür nicht gut genug aufgestellt."

Vier Jahre lang reservierte der Vertriebler den größten Teil seiner Wochenenden und den gesamten Jahresurlaub für das Studium. Bis auf zwei Unterrichtswochen im Jahr und eine Paukphase kurz vor der Abschlussprüfung traf er seine Dozenten lediglich im Internet. Im Frühjahr 2016 bestand Joseph, heute 57 Jahre alt, seine letzte Klausur. Damit war er Betriebswirt. Seinem Arbeitgeber hielt der Manager während der ganzen Zeit die Treue. Der revanchierte sich und bot ihm auf halber Strecke die Vertriebsleitung an. Finanziell habe sich die dritte Ausbildung mehr als gelohnt, sagt Joseph: "Das war schon eine starke Sache. Ohne das Studium hätte ich das nicht erreicht."

Einige Arbeitgeber gewähren Älteren Geld und Extrafreizeit für ihr Fernstudium

Oder besser: Ohne seinen Entschluss, sich mit 49 Jahren noch mal hinter die Bücher zu klemmen und mit teils wesentlich jüngeren Mitstudenten stundenlang über Klausuren zu schwitzen, hätte er das nicht geschafft. "Wer beruflich dauerhaft erfolgreich sein will, kann auf lebenslanges Lernen nicht mehr verzichten", pflichtet ihm Mirco Fretter bei, Präsident des Fernunterricht-Verbands Forum Distance Learning in Hamburg. Ständiges Weiterlernen ist also auch eine Art Sicherheitsmaßnahme, um langfristig auf dem Arbeitsmarkt attraktiv zu bleiben.

Genau das möchte Kinderkrankenschwester Elke Marin. Deshalb nahm die Mutter von zwei Jugendlichen noch mit 48 Jahren den Bachelor in Gesundheitslogistik in Angriff. "Ich brauchte mehr fachliches Hintergrundwissen", begründet Marin ihren Entschluss. Weil sie in einer Kleinstadt am Niederrhein wohnt und ihren Beruf nicht aufgeben wollte, kam nur ein Fernstudium in Frage. Marins mittlere Reife stand dem nicht im Wege. Denn ein Hochschulstudium, ob im Hörsaal oder aus der Ferne, ist in manchen Bundesländern auch ohne Abitur möglich.

Virtuelles Treffen mit der Dozentin: Dank moderner Kommunikationstechnik kann man sich flexibel im Hinblick auf Ort und Zeit fortbilden. (Foto: Andrey Popov/imago/Panthermedia)

Längst nicht nur junge Menschen nutzen diese Möglichkeit. Bei der Fernhochschule Apollon in Bremen zum Beispiel sind knapp sieben Prozent der Studierenden älter als 50 Jahre. 2005, als die landesgesetzliche Öffnung der Hochschulen für berufserfahrene Menschen ohne Abitur in Kraft trat, lag der Anteil der Ü50-Jährigen sogar noch darüber. Den Anfang machten Rheinland-Pfalz und Bremen - heute kann man in ungefähr zwei Drittel der Bundesländer unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne Abitur ein Hochschulstudium beginnen. Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen haben sich allerdings nicht für Berufserfahrene ohne allgemeine Hochschulreife geöffnet.

Dem Mangel an hochqualifizierten Fachkräften geschuldet und daher besonders breit ist das Fernstudienangebot beim Bachelor im Gesundheitswesen oder Health Care Management. Spezialisiert auf die Gesundheitswirtschaft haben sich Apollon, die Hochschule Fresenius und die Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement. Aus der Ferne studieren lässt sich dieses Fach wie viele andere auch an der Hochschule Wismar und bei der Hamburger Fern-Hochschule, bei der IUBH, bei SHR, bei Diploma und bei der IST-Hochschule für Management. Nahezu alle Anbieter stellen die benötigten Lernmaterialien komplett online zur Verfügung. Zu Hause braucht man eine schnelle Internetverbindung und Ruhe, um sich auf das Studium konzentrieren zu können. Manche Arbeitgeber gewähren ihren Mitarbeitern Extrafreizeit zum Lernen und zur Vorbereitung auf die Prüfungen, mitunter bezahlen sie sogar einen Teil der Studiengebühren. Ihr Kalkül: Wer erst jenseits der 50 zum Akademiker wird, wechselt nicht ohne Weiteres den Arbeitgeber.

Weithin bekannt ist freilich noch nicht, dass sich auch Bildungsinvestitionen in ältere Mitarbeiter rechnen. Unermüdlich argumentiert Peter Körner für die Weiterqualifizierung älterer und erfahrener Mitarbeiter. "Anstatt die zahlenmäßig geringer werdenden Generationen X, Y und Z für viel Geld und noch mehr gute Worte zu umwerben, sollte man die Älteren gezielt weiterbilden", sagt der in Frankfurt lehrende Professor für Unternehmensstrategie. Davor war er in leitenden Positionen im Personalbereich von Konzernen tätig. Mit seinem Buch "Bachelor 40 plus" will Körner die Arbeitgeber wachrütteln: "Wenn der Erhalt der Berufsfähigkeit erfahrener Arbeitskräfte geringer zählt als die Berufsbefähigung neu in den Arbeitsmarkt eintretender Hochschulabsolventen, droht aus der gegenwärtigen Fehlallokation am Arbeitsmarkt tatsächlich ein Fachkräftemangel zu werden." Von den Anbietern beruflicher Weiterbildung sei zu erfahren, dass die Botschaft gehört wird - allerdings noch nicht in dem Maße, wie es nötig sei. So tragen die "Senior Students" noch immer den Löwenanteil des Aufwands für die Weiterbildung. Der besteht aus den Studienkosten - immerhin sind sie steuerlich abzugsfähig - und aus der Mühe, noch einmal etwas Neues zu lernen.

Auch Krankenschwester Elke Marin ist es nicht leicht gefallen, sich für die Wirtschaftsmathematik zu erwärmen. Da war dann ein Nachhilfelehrer gefragt. Ebenso langsam habe sie sich an das wissenschaftliche Arbeiten herantasten müssen, gibt sie zu. Doch nach sechs Semestern hatte sie es geschafft und nahm stolz ihr Bachelor-Zeugnis entgegen. "Ich habe kurz darüber nachgedacht, den Master anzuhängen, bin dann aber davon abgekommen", sagt die Gesundheitslogistikerin. Wichtiger war es ihr, das neue Wissen in die Praxis umzusetzen.

Und das tat sie auch. Heute leitet Elke Marin ein Altenpflegeheim im Spreewald. "Dank meines Studiums konnte ich mich schnell orientieren", sagt sie. "Und bin nun sicher, den Aufgaben einer Führungskraft gewachsen zu sein."

© SZ vom 08.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: