Vom Chef geförderte Fortbildung:Das Know-how bleibt im Haus

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Arbeitgeber schätzen Fernstudien, weil die Mitarbeiter parallel dazu weiterarbeiten können. Einige Unternehmen haben sogar eigene Akademien zur Weiterbildung gegründet.

Von Christine Demmer

Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: N/A)

Die Veränderungen der Arbeitswelt lassen den Bedarf an Weiterbildung steigen. Das sagt laut der Studie "Weiterbildungstrends in Deutschland 2018/19" die überwältigende Mehrheit der Personalverantwortlichen. An oberster Stelle der Personalentwicklung steht für 94 Prozent der Human-Ressource-Manager die Förderung der Auszubildenden im eigenen Unternehmen, gefolgt von der Höherqualifizierung der Mitarbeiter (92 Prozent) sowie deren fachliche und persönliche Weiterbildung (91 Prozent). Auf Platz vier nennt die Studie, die das Marktforschungsinstitut Kantar TNS im Auftrag der Studiengemeinschaft Darmstadt (SGD) ausführte, Förderprojekte für Berufseinsteiger ohne Schulabschluss oder abgeschlossene Ausbildung (84 Prozent). Die Weiterbildung von Frauen und Männern in Elternzeit (80 Prozent) und von Beschäftigten ab 55 Jahren (79 Prozent) hat für die Befragten nahezu den gleichen Stellenwert. Zum Vergleich: Vor zwei Jahren sahen nur 74 Prozent der Personalmanager erhöhten Weiterbildungsbedarf.

Verändert hat das Meinungsbild gewiss auch die immer mühsamere und länger dauernde Suche nach qualifizierten Fachkräften. "Wir erleben aktuell eine immer kürzere Halbwertszeit von Wissen", sagt Maziar Arsalan, Geschäftsführer der SGD. "Wer heute nicht in Weiterbildung investiert, wird die Lücke zwischen steigendem Bedarf und sinkendem Angebot von Fachkräften bald nicht mehr schließen können." Höchst beliebt bei Arbeitnehmern wie Arbeitgebern ist das Distance Learning, also Online-Fernkurse, bei denen man im Büro oder zu Hause lernen kann.

Das Fluktuationsrisiko sinkt, wenn Arbeitgeber lernwillige Mitarbeiter unterstützen

Tatsächlich nehmen meist nur sehr junge Berufstätige das Risiko auf sich, ihren Arbeitsplatz für eine neue Berufsausbildung oder eine längere Weiterbildung aufzugeben. Die Chefs freut das. "Wenn sich Mitarbeiter parallel zur Arbeit weiterbilden, ist das für sie wie auch für den Arbeitgeber von Nutzen", versichert Thomas Wagner, Leiter der Weiterbildung bei Würth, Spezialist für Montage- und Befestigungsmaterial in Künzelsau. "Die Mitarbeiter können ihre Fachkenntnisse aktualisieren oder erweitern, ohne ihre Arbeit aufgeben zu müssen", erläutert Wagner, "und wir behalten unsere bewährten Kräfte. Das Know-how bleibt also im Haus, das Fluktuationsrisiko wird eingedämmt, und die Kosten der Weiterbildung bleiben für beide Seiten im überschaubaren Rahmen." Ein weiterer Vorteil laut Wagner: "Fernunterricht kann vergleichsweise einfach in einen Karriereplan integriert werden, der den Menschen berufliche Entwicklungsperspektiven gibt und sie enger an das Unternehmen bindet."

Die Zentrale des mittelständischen Familienunternehmens liegt etwa 40 Kilometer östlich von Heilbronn - nicht gerade in einem Ballungsgebiet, was für das Recruiting von Vorteil wäre. Den Standortnachteil hat der Schraubenhersteller durch die Gründung der Akademie Würth wettgemacht. Deren Besuch steht eigenen Beschäftigten wie auch Arbeitnehmern anderer Betriebe offen. Wagner: "Wir bieten sowohl technische als auch kaufmännische Weiterbildungen an. Außerdem kann man bei uns im Fernstudium komplette Bachelor- und Master-Programme absolvieren, die wir in Kooperation mit deutschen und ausländischen Hochschulen anbieten."

Bei der Flachglas Wernberg GmbH, einem Glasveredelungsunternehmen in der Oberpfalz, sind ungefähr 600 Mitarbeiter tätig. "Wir legen großes Augenmerk auf die persönliche und fachliche Entwicklung unserer Mitarbeiter und auf eine bedarfsorientierte Weiterbildung", versichert Human-Ressource-Managerin Claudia Ruhland. "Bei unseren ausgelernten Jungfacharbeitern und Industriekaufleuten ist Fortbildung besonders wichtig, da wir spezifisches Wissen benötigen, um uns am Markt behaupten zu können", führt sie aus. Auch beim Gewinnen neuer Mitarbeiter spiele Weiterbildung eine entscheidende Rolle, ebenso bei Bestrebungen, gute Arbeitskräfte an sich zu binden. "Wir werben mit individuellen Entwicklungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten und integrieren diese - je nach Funktion und Verantwortung - in unsere Arbeitsverträge", erläutert Ruhland.

Die Chefs schätzen Fernkurse, weil bewährte Kräfte parallel dazu weiterarbeiten können

Fernlehrgänge, die auf einen Abschluss der Industrie- und Handelskammern (IHK) vorbereiten, gelten als besonders hilfreich, um Unternehmens- und Arbeitnehmerziele miteinander in Einklang zu bringen. "Ein Großteil der Teilnehmer sind Auszubildende im kaufmännischen Bereich, die oft schon während der Ausbildung mit einem Fernlehrgang beginnen", sagt Personal-Expertin Ruhland, "oder Mitarbeiter, die einen neuen Aufgabenbereich übernehmen und sich weiterentwickeln möchten".

Für die Seminare stellt das Unternehmen die Teilnehmer von der Arbeit frei und übernimmt die Kosten dieser Weiterbildung. Sie investieren ihre Freizeit ins Lernen und in die Prüfungsvorbereitung. Claudia Ruhland: "Mit berufsbegleitenden Fernlehrgängen können wir Fachwissen aufbauen, ohne im täglichen operativen Geschäft auf unsere Arbeitskräfte verzichten zu müssen. Unseren Mitarbeitern ist dadurch zudem ein hoher Grad an Individualität und Flexibilität gegeben. Ein aus ihrer Sicht wesentlicher Vorteil des Online-Lernens neben dem Beruf: "Das neu erworbene Wissen kann direkt in die Praxis integriert und umgesetzt werden, und durch den permanenten Austausch innerhalb der Teams findet Wissenstransfer statt."

Auch die Erlanger Stadtwerke (ESTW) bezeichnen ihre ungefähr 570 Mitarbeiter als wichtigsten Erfolgsfaktor. Doch das Wissen muss ständig aufgefrischt werden. Das Weiterbildungsangebot des kommunalen Versorgers umfasst Seminare und Veranstaltungen, Aufstiegsfortbildungen, etwa zum Meister oder Techniker, Nachwuchs- und Führungskräfteprogramme der ESTW-Akademie oder Fernstudiengänge beispielsweise in Ingenieurwissenschaften. Wolfgang Geus, Vorstandsvorsitzender der ESTW: "Ein technisches Fernstudium, wie es etwa die in Pfungstadt bei Darmstadt ansässige Wilhelm-Büchner-Hochschule anbietet, gibt uns die Möglichkeit, technische Nachwuchsführungskräfte aus unseren eigenen Reihen zu entwickeln. Sie haben dann exakt das Know-how, das wir benötigen, und wir wissen, dass sie menschlich zu uns passen. Dies hat eindeutig Vorteile gegenüber der Rekrutierung neuer Mitarbeiter, die wir nur aus zwei Gesprächen kennen."

Außerdem bleiben Mitarbeiter, die neben dem Job studieren, den Stadtwerken während dieser Zeit als Arbeitskräfte erhalten. Geus: "Sie bringen ihr Wissen vom ersten Studientag an ins Unternehmen ein und können schon während des Studiums neue Aufgaben oder Verantwortungsbereiche übernehmen."

© SZ vom 18.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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