Vollzeit oder Teilzeit:"Das war die härteste Zeit meines Lebens"

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Wer den MBA absolvieren will, muss ein paar zentrale Entscheidungen treffen. Zum Beispiel, ob die Ausbildung ein Jahr oder mehrere Jahre dauern soll.

Von Christine Demmer

Neben seinem Beruf hat Bernhard Bachmann, Unternehmensanalyst aus Eltville bei Wiesbaden, in zweieinhalb Jahren seinen MBA geschafft. "Das war ziemlich anstrengend", sagt der Berater. An der britischen Schlossschule Ashridge, die unlängst von der Business School Hult International übernommen wurde, habe man viele Hausarbeiten schreiben müssen: "Im ersten Studienjahr alle zwei Monate eine mit einem Umfang von 15 bis 20 Seiten und in der ersten Hälfte des zweiten Studienjahrs jeden Monat eine." Da bleibt nicht viel Zeit für Freizeit und Familie.

Beim MBA gibt es eine alte Faustregel: Der Lernaufwand beträgt ungefähr zehn Stunden in der Woche. Bachmann vertritt die Meinung: "Das durchzuhalten, schafft kaum jemand, der berufsbegleitend studiert." Dafür aber bleibe das Gelernte "viel länger in Erinnerung, als wenn man nur ein Jahr lang strikt auf die Prüfung hin- paukt". Noch effizienter, aber während des Studiums oft noch erschöpfter war Thomas Graf. Der Betreiber der Plattform Mba-compass.com in München hat den Executive MBA an der spanischen IE Business School berufsbegleitend in 13 Monaten absolviert. "Das war die härteste Zeit meines Lebens", erinnert er sich. Wer sich vor der Doppelbelastung scheut, kann den MBA auch im Vollzeitunterricht innerhalb eines Jahres absolvieren - an manchen Schulen wie an der Insead und EDHEC in Frankreich, Solvay in Belgien sowie an der IMD und HEC Lausanne in der Schweiz sogar binnen zehn Monaten. Dass man in dieser kurzen Zeit nicht so viel Stoff aufnehmen und verarbeiten kann wie ein Kollege, der sein berufsbegleitendes Studium auf fünf oder sechs Jahre ausdehnt, liegt auf der Hand. Beim MBA gibt es kaum eine individuellere Entscheidung als die zwischen Tempo oder Intensität.

Wer seine Karriere so schnell wie möglich starten will, fährt mitunter mit einem Vollzeitprogramm in Europa am besten. Detlev Kran, Hochschulberater und MBA-Experte aus Brühl bei Köln: "Vollzeit-MBA-Programme in Europa sind meistens auf eine Dauer von anderthalb oder zwei Jahren geplant. Teilzeitprogramme verdoppeln in der Regel die Studienzeit." Eine Reihe von Anbietern offeriere allerdings auch Programme, die schon binnen eines Jahres oder in noch kürzerer Zeit abgeschlossen sein können. Die werden dann jedoch nur mit 60 statt mit den sonst üblichen 90 bis 120 ECTS-Leistungspunkten bewertet. Das hat zwar wenig Bedeutung für jemanden, der nicht anschließend noch den Doktor machen will. Für den werden einschließlich des Erststudiums insgesamt 300 ECTS verlangt. Trotzdem ziehen die Schnelldurchläufe Kritik auf sich: In Fachkreisen wird immer wieder über die Tiefe der vermittelten Inhalte diskutiert. Es sei zu prüfen, gibt auch Kran zu bedenken, ob solche Ausbildungen im Eiltempo überhaupt als MBA gelten könnten. "60 ECTS bedeuten mindestens 1500 Stunden Studieraufwand, 120 ECTS dagegen bis zu 3600 Stunden", erklärt der Berater und stellt die rhetorische Frage: "Wobei lernt man mehr?"

Zu beachten gilt es freilich auch das Risiko, das damit einhergeht, wenn man für ein Vollzeitstudium zeitweilig die Karriere auf Eis legt. Gudrun Happich, Business Coach aus Köln, berichtet vom bösen Erwachen eines Klienten. "Der war Anfang 40, Partner in einer Unternehmensberatung und exzellent vernetzt. Daher war er der Meinung, er könne nichts falsch machen, wenn er sich für ein MBA-Studium zwei volle Jahre aus dem Berufsleben ausklinkt." Gedacht, getan. "Anschließend wollte er richtig durchstarten", erzählt Happich, "aber er hat sehr lange Zeit gesucht und nichts gefunden." Sie sieht den Grund darin, dass der Kandidat für den Markt wertlos geworden sei, da er während seiner Auszeit sämtliche Kontakte verloren habe. "Viele Leute glauben ja, gute Beziehungen seien in ihrer Person begründet. Aber Kontakte gelten stets der Funktion, und wenn die aufgegeben wird, sind auch die Kontakte weg." Der frühere Top-Berater habe sich als arbeitsloser MBA-Absolvent im fortgeschrittenen Alter bewerben müssen - mit schlechten Aussichten. "Vorher hatte er ein Jahreseinkommen von einer halben Million. Und danach bekam er noch nicht einmal eine Einladung zum Vorstellungsgespräch."

Happich will sich mit diesem Beispiel nicht grundsätzlich gegen ein MBA-Vollzeitstudium aussprechen. "Ich sage auch nicht, dass das berufsbegleitende Studium immer richtig ist", sagt die Beraterin. Jeder Interessent solle gründlich seine Studienmotive und seine gegenwärtige Jobsituation prüfen: Möchte man nach dem Abschluss den Arbeitgeber wechseln? Soll es danach ins Ausland gehen? Steigert der MBA-Abschluss wirklich die internen Aufstiegsperspektiven oder muss man danach womöglich wechseln? Nur wenn ein MBA-Interessent nach der Qualifizierung ohnehin das Unternehmen verlassen wolle und wenn er oder sie noch hinreichend jung sei, sei das kürzere Vollzeitprogramm eine sinnvolle Alternative zum länger dauernden berufsbegleitenden Studium. "Eine Kollegin hat Vollzeit gearbeitet und daneben studiert", beschreibt die Beraterin die andere Variante, die natürlich mit sehr viel mehr Aufwand verbunden ist. "Erst im letzten Jahr der Weiterbildung ist sie auf eine Vier-Tage-Woche zurückgegangen. Jetzt steckt sie in den Prüfungen und kann sich vor internen Angeboten nicht retten." Wenn jemand grundsätzlich in seinem Unternehmen bleiben möchte, dann sei der zeitweilige Ausstieg ein absolutes "No Go", betont Happich. "Dann soll man auf gar keinen Fall für ein Studium seine Stelle aufgeben."

© SZ vom 15.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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