Vergütung:Geheimsache Gehalt

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Was die Kollegen verdienen, ist in den meisten Firmen tabu. Ein Gesetz soll künftig für mehr Transparenz sorgen. Einige Firmen praktizieren das schon jetzt. Drei Beispiele aus der Praxis.

Von Kristin Kruthaup/dpa

Über Geld spricht man nicht - dieser Grundsatz gilt noch immer in vielen Unternehmen. Doch das ändert sich: Der Bundestag hat im März ein Gesetz beschlossen, das für mehr Lohngleichheit sorgen soll. Der Bundesrat hat dem Gesetz vor einer guten Woche zugestimmt. In Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten können Arbeitnehmer künftig Informationen darüber einholen, wie ihre Kollegen für eine gleichartige Tätigkeit bezahlt werden. Einige Unternehmen praktizieren allerdings schon jetzt viel Transparenz bei der Vergütung. Für die Mitarbeiter führt das im besten Fall zu mehr Gerechtigkeit beim Lohn - doch es bringt auch mehr Verantwortung mit sich.

Was die Mitarbeiter des Berliner Start-ups Einhorn machen, klingt in den Ohren vieler Menschen vermutlich sehr ungewöhnlich. Das Start-up Einhorn verkauft vegane Kondome, einigen ist das Unternehmen vielleicht aus der Fernsehsendung "Die Höhle der Löwen" bekannt. Und die etwa ein Dutzend Angestellten der Firma stimmen über ihr Gehalt ab. "Alle sechs Monate geht es ums Gehalt, dann schreibe ich den Kontostand der Firma hin - und dann geht es darum: Wofür brauchen wir Kohle?", sagt Gründer Waldemar Zeiler. Gibt es einen Spielraum für Gehaltserhöhungen, diskutieren die Mitarbeiter aus, wer wie viel bekommt - und dann wird abgestimmt. "Das Thema geht nicht locker durch", sagt Zeiler. Es gebe schon immer harte Diskussionen.

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Sie lassen ihre Mitarbeiter entscheiden: Gründer Waldemar Zeiler...

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...Hotelketten-Chef Bodo Janssen...

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und Xing-CEO Thomas Vollmoeller.

Trotzdem gibt es für den Gründer keine Alternative dazu: "Wir sind ein junges Unternehmen. Wenn die gesamte Innovation nur von den Chefs kommt, funktioniert das nicht. Wir müssen ein Modell finden, das viel Unternehmertum an die Basis heruntergibt." Das gehe aber nur, wenn die Beschäftigten auch die Zahlen kennen. Sonst könnten sie keine sinnvollen Entscheidungen treffen.

Bei der Hotelkette Upstalsboom stimmen sie zwar nicht demokratisch über ihr Gehalt ab. Es gibt allerdings erste Abteilungen, in denen die Mitarbeiter ihr Gehalt selbst vorschlagen. Die letzte Entscheidung hat hier aber der Chef. "Das Spannende war, dass die Mitarbeiter sehr wertschätzend mit der Selbstbestimmung des Gehalts umgegangen sind", erzählt Geschäftsführer Bodo Janssen. Niemand habe völlig unangemessene Forderungen gestellt, vielmehr hätten sich die Mitarbeiter informiert, was üblich ist, und entsprechend moderate Gehaltssteigerungen gefordert und erhalten.

Janssen war begeistert, denn parallel zur Erhöhung des Gehalts erklärten sich die Mitarbeiter auch bereit, dass sie auf einen Teil des Stundenlohns verzichten, wenn es dem Unternehmen einmal nicht so gut gehen sollte. "Stell dir mal vor, du hast solche Mitarbeiter!"

"Sobald du beim Gehalt transparent wirst, bist du gezwungen, auch gerecht zu sein."

Auch beim Onlineportal Xing gibt es Überlegungen, die Gehälter transparenter als bisher zu machen. Junge Arbeitnehmer forderten Transparenz verstärkt ein, beobachtet Thomas Vollmoeller, CEO bei Xing: "Wir sehen einen Trend zu mehr Gehaltstransparenz." Für jüngere Beschäftigte sei Transparenz ein wichtiger Wert an sich - und Firmen, die sie leben, sind für sie interessant. Intransparente und ungerechte Vergütungssysteme würden immer weniger akzeptiert.

Die meisten Unternehmen täten sich mit Gehaltstransparenz jedoch nach wie vor schwer. "Am Ende ist Gehaltsintransparenz ein Stück weit Machterhalt", sagt Vollmoeller. Nicht transparent beim Gehalt zu sein bedeutet, ein Machtmittel mehr in der Hand zu haben. Führungskräfte können Geld verteilen und informieren die Mitarbeitern nicht darüber, wo sie im Vergleich zu den anderen stehen. "In dem Moment, in dem du beim Gehalt transparent wirst, bist du gezwungen, auch gerecht zu sein, dich viel stärker mit Fairness und Leistung auseinanderzusetzen", sagt Vollmoeller. Mitarbeiter wollten nicht alle die gleiche, aber eine gerechte Bezahlung. "Das macht es für Führungskräfte anspruchsvoller und schwieriger."

Doch auch für Mitarbeiter kann viel Transparenz neue Herausforderungen mit sich bringen. "Transparenz ist gut und wichtig", sagt Professor Thorsten Schulten von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. "Wenn Beschäftigte aber ihre Löhne individuell untereinander und mit dem Arbeitgeber aushandeln sollen, können sie unter enormen Druck geraten. Wer setzt sich dann durch?" Die Analyse von Lohndaten zeige, dass Arbeitnehmer oft mit individuellen Verhandlungen nicht besonders gut fahren: Beschäftigte, die nach Tarifvertrag bezahlt werden, erhielten im Durchschnitt mehr Gehalt und bekämen häufiger Weihnachts- oder Urlaubsgeld als Arbeitnehmer in Unternehmen ohne Tarifbindung, sagt Schulten.

Gehaltscoach Claudia Kimich rät deshalb dazu, sich im Vorhinein gut zu überlegen, ob man sich auf eine Firma mit besonders transparenten Strukturen einlässt. "Das bietet sehr große Chancen für Mitarbeiter." Aber man müsse bereit sein, die Verantwortung auch übernehmen zu wollen - und das könne nicht jeder. Manche wollen sich mit dem Thema Gehaltsverhandlung lieber nicht beschäftigen. Sehr transparente Strukturen setzen sie häufig stark unter Druck. Denn oft ist es damit verbunden, dass man selbst wie ein Unternehmer agiert. Wem das liegt, der kann von solchen Regelungen stark profitieren. Zumindest kann er mitunter auf diese Weise mehr Gehalt für sich erstreiten.

© SZ vom 20.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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