USA-Stipendien:Auf der Welle der Entdeckerfreude

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Wer über den Großen Teich reisen und in den USA studieren kann, hat Grund zum Feiern. Gute Noten allein reichen dafür meist nicht, man braucht zumindest ein Teilzeit-Stipendium. (Foto: Joe Raedle/AFP)

Eine Zeit lang in den Vereinigten Staaten von Amerika studieren - das ist für viele junge Menschen ohne Sponsoren unbezahlbar. Ein Start-up hilft nun Aspiranten, ein Stipendium zu bekommen.

Von Paul Henkel

Mittlerweile gehört ein Auslandssemester fast zum Standardlebenslauf eines Uni-Absolventen, und selbst wer sein komplettes Studium im Ausland macht, ist in guter Gesellschaft. Die neueste Statistik des Statistischen Bundesamts stammt von 2013: Danach haben circa 130 000 Deutsche im Ausland studiert, 10 160 flogen dafür über den Großen Teich. Es würden wahrscheinlich noch einige mehr sein, wenn die extrem hohen Studiengebühren nicht wären. Für ein Bachelorstudium an einer staatlichen Uni werden dort pro Jahr durchschnittlich 8225 S-Dollar fällig; für ein dreijähriges Bachelor-Studium sind das also 24 675 Dollar.

Für viele zu teuer. Auch für Jonas Kehrbaum. Der 26-jährige Dortmunder wollte nach dem Abi im Jahr 2010 zum Studium in die USA: "Ich hatte den Wunsch auszubrechen und mich neu zu erfinden." Da seine Eltern das teure Studium nicht finanzieren konnten, machte er sich auf Stipendiensuche. Recht planlos begann er, bei einigen der 4000 US-Universitäten nach Stipendienangeboten zu recherchieren. Schließlich erhielt er mit Unterstützung einer Stipendienvermittlung einen Studienplatz an der Lindenwood University in Missouri. "Ich habe in der Schulzeit Leistungssport gemacht. Leichtathletik. Dadurch habe ich letztlich ein Stipendium bekommen."

Vier Jahre bleibt Kehrbaum in den USA.

Die Höhe der Fördermittel hängt von den Leistungen und Testergebnissen der Bewerber ab

Die Erfahrungen des Studiums haben ihn so tief geprägt und positiv verändert, dass er etwas zurückgeben will. Gemeinsam mit Francisco Galvez, 28, aus Spanien und Oswaldo Chavez, 23, aus Ecuador, beide ebenfalls Auslandsstudenten, gründet Kehrbaum im Jahr 2014, noch während seiner Studienzeit, Epro 360. Eine Stipendienvermittlung mit Coachingangeboten, welche die allgemein vorherrschende Meinung ausräumen will, in den USA könne nur studieren, wer reiche Eltern hat. Ein Aspekt, den sich Epro 360 zunutze macht: Gute Rankings spielen für US-Universitäten eine wirtschaftlich wichtige Rolle. Ein Kriterium für die Rankings ist die Internationalität der Studierenden auf dem Campus. Allein deshalb werden regelmäßig Stipendien an ausländische Teilnehmer vergeben. "Wir wissen, welche Uni wann ihre Stipendientöpfe geöffnet hat. Indem wir ein genaues Profil der Bewerber erheben, können wir Hochschulen finden, bei denen die Chancen für ein Stipendium besonders groß sind", erklärt Kehrbaum. Das Geld für die Stipendien stammt von den Universitäten. Weiteres zum Vorgehen verrät Kehrbaum nicht.

Aber er verspricht: "Wir garantieren jedem Bewerber zumindest ein Teilstipendium." Die Höhe der Fördersumme hängt dabei von den jeweiligen Qualifikationen der Bewerber ab. Um realistische Chancen auf ein Voll- oder Teilstipendium für ein Bachelorstudium zu haben, sollten die Schüler in den letzten drei Jahren bis zum Abitur, einen Notendurchschnitt von mindestens 3,5 mitbringen und ein Sprachtest-Ergebnis von mindestens 61 (TOEFL-Test). Wer ein Masterstudium in den USA anstrebt, für den sind sein Abiturdurchschnitt und seine Noten im Bachelorstudium relevant.

Ab einem TOEFL-Test-Ergebnis von mindestens 80 Punkten und einem SAT-Test-Ergebnis von 1800 bis 2000 stehen die Chancen für ein Stipendium an einer Top-100-Unis gut. Das National University Ranking 2016 listet auf, welche Hochschulen zu den besten der USA zählen. Der SAT ist ein Studierfähigkeitstest, der von Studienbewerbern an US-Unis gefordert wird. Gelingt die Stipendienvermittlung mithilfe von Epro 360, bleiben nach Angaben von Kehrbaum noch jährliche Kosten in Höhe von 12 000 bis 15 900 Euro (Top-100-Uni), sofern der Student ein Teilstipendium erhalten habe. Letzteres sei häufig der Fall. Dabei handele es sich vorwiegend um die Kosten für das Wohnen und die Lebenshaltung in den USA.

Die Kosten für die Vermittlung, die Aspiranten an Epro 360 zahlen müssen, liegen für ein Bachelor- oder Masterstudium zwischen 3000 und 10 000 Euro, je nach Leistungspaket. "Bedenkt man die Ersparnis durch die Stipendien, hat man unser Honorar schnell wieder drin", betont Kehrbaum. Die ersten Bewerber aus der Mongolei, Südamerika, Südafrika und der Türkei sind bereits mithilfe seines Unternehmens zu ihrem Studium in die USA aufgebrochen. Im Frühling diesen Jahres ist Epro 360 auch in Deutschland gestartet.

Für einige Berufsziele ist der Auslandsaufenthalt ein Muss, für Mittelständler ist er verzichtbar

Doch ist ein Studium in den USA mit allen verbundenen Kosten überhaupt ein Karrieregarant oder zumindest Türöffner? Die erfahrene Karriereberaterin und Autorin Svenja Hofert warnt davor, nur für den vermeintlichen Pluspunkt im Lebenslauf ins Ausland zu gehen. "Das ist schon längst nichts Besonderes mehr. Es sei denn man schafft es an eine besonders renommierte und dann meist auch teure Uni." Bei der Entscheidung für oder gegen ein Auslandsstudium solle man eher auf die individuellen Karriereziele und das Studienangebot im Ausland schauen: "In Dänemark wird eine ganz andere Lernkultur als an deutschen Unis praktiziert, in den Niederlanden gibt es sehr praxisbetonte Studiengänge für Wirtschaftsingenieurswesen." Wer sich sicher sei, dass er eine internationale Konzernkarriere anstrebe, für den sei ein Auslandsstudium eher Pflicht statt Kür. Wer sich im Mittelstand sehe, könne dagegen oft auf einen Auslandsaufenthalt verzichten. Eines solle man sich bei der Entscheidung für ein Auslandsstudium klarmachen: Es gibt auch ein Zuviel an Auslandserfahrung. "Hat jemand zehn Jahre im Ausland studiert und gearbeitet, hat er es nach einer Rückkehr aktuell zumindest auf dem deutschen Arbeitsmarkt eher schwerer", berichtet Hofert.

Jonas Kehrbaum kehrte nach vier Jahren in den USA und einem Jahr in der Schweiz nach Deutschland zurück. Ende 2015 kündigte er seinen Job als Innovationscoach bei SAP, um sich ganz dem Aufbau von Epro 360 zu widmen: "Die Arbeit gibt mir viel", sagt er. Das Start-up ist für ihn ein Herzensprojekt, auch weil er mit jedem vermittelten Stipendium die Schulbildung in Entwicklungsländern voranbringen kann. "Wir kooperieren mit der spanischen Organisation Educación sin Fronteras", berichtet er. "Für jeden Studenten, der seinen Traum vom USA-Studium lebt, finanzieren wir einem Kind in einem Entwicklungsland die Schulbildung. Die Dankbarkeit für den eigenen Erfolg ausdrücken und andere unterstützen, dieses Mindset habe ich erst in den USA wirklich gelernt."

Weiterführende Links: Website von Epro360: www.epro360.de SAT-Testzentren in Deutschland: https://collegereadiness.collegeboard.org/sat/ register/find-test-centers National University Ranking 2016: http://colleges.usnews.rankingsandreviews.com/best-colleges/rankings/national-universities

© SZ vom 21.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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