Unis in Ostdeutschland:Zum Studium nach drüben

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Bedruckte Bierdeckel und Werbespots: Mit teuren Kampagnen wollen Hochschulen in Ostdeutschland Studenten aus dem Westen anlocken.

Tanjev Schultz

Wäre der Spruch nicht historisch besetzt, um nicht zu sagen belastet, könnten Politiker den Studienbewerbern in Hamburg oder Köln zurufen: "Geht doch nach drüben!" An den Hochschulen im Westen geht es oft anonym zu, in vielen Seminaren ist es eng.

Hörsaalgebäude der Uni Chemnitz: Ostdeutsche Hochschulen werben immer forscher um Studenten aus dem Westen. (Foto: Foto: Uni Chemnitz)

Drüben dagegen, im Osten, ist noch Platz. Immer forscher werben die ostdeutschen Länder für ihre Hochschulen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern ließen dafür Bierdeckel bedrucken und Kinospots senden. Am Dienstag stellte auch Sachsen eine zweieinhalb Millionen Euro teure Kampagne vor, mit der das Land Studenten aus dem Westen in den Osten locken möchte.

"Pack dein Studium. Am besten in Sachsen", lautet das Motto, mit dem Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD) den Studenten einen Umzug nach Dresden, Chemnitz oder Görlitz empfiehlt. Dort gebe es keine Studiengebühren, die Mieten seien günstig, die Lebenshaltungskosten für Studenten um fast ein Drittel niedriger als im Westen. Dennoch gehen nach einer Studie des Hochschul-Informations-Systems (HIS) nur vier Prozent der westdeutschen Abiturienten zum Studieren in den Osten - aber 22 Prozent der ostdeutschen Abiturienten in den Westen.

Diese Wanderbewegung wollen nicht nur die Politiker der neuen Bundesländer umkehren. Die westdeutschen Länder sind ebenfalls daran interessiert, weil sie auf diese Weise ihre Universitäten entlasten können. Der Geburtenrückgang macht sich im Osten früher bemerkbar, dort geht bereits jetzt die Zahl der Schulabsolventen zurück. Im Westen dagegen werden die letzten geburtenstarken Jahrgänge in den kommenden Jahren die Schulen verlassen und an die Universitäten drängen.

In einem "Hochschulpakt" haben Bund und Länder deshalb vereinbart, dass die ostdeutschen Länder die Zahl ihrer Studienplätze trotz sinkenden eigenen Bedarfs nicht reduzieren. Sachsen wird dafür von der Bundesregierung mit 27 Millionen Euro belohnt.

Im Oktober wollen die Uni-Werber mit einem buntbemalten Truck durch Bayern touren und in Gymnasien und auf Marktplätzen versuchen, junge Menschen für Sachsen einzunehmen. Zur Vorbereitung der Kampagne ließ Sachsen eine Image-Analyse anfertigen, mit wenig erbaulichem Ergebnis: In Nürnberg mokierten sich die befragten Schüler über den sächsischen Dialekt; viele assoziierten mit dem Osten nicht etwa moderne Labore und Bibliotheken, sondern vor allem Plattenbauten und Neonazis.

Es gebe im Westen immer noch viele Vorurteile, bedauert Sachsen-Anhalts parteiloser Wissenschaftsminister Jan-Hendrik Olbertz. Deshalb müssten er und seine Amtskollegen noch stärker die Vorteile eines Studiums in den neuen Ländern betonen: die vergleichsweise gute Betreuung der Studenten und die oft sehr modernen Gebäude. "Die Luft ist auch in Halle gut", sagt Olbertz.

In Potsdam verteilt die Universität für einen Umzug sogar eine "Mobilitätsprämie". Studienanfänger, die aus anderen Bundesländern als Berlin oder Brandenburg kommen, erhalten ein Jahr lang kostenlos eine Bahncard.

Am meisten Erfolg beim Anwerben von Abiturienten aus dem Westen versprechen allerdings Studienangebote, die es so an anderen Hochschulen nicht gibt. An der Universität Erfurt beispielsweise erfreut sich der Bachelor-Studiengang Staatswissenschaften eines bundesweit guten Rufs. Von den 750 Bewerbern in diesem Jahr kamen mehr als die Hälfte aus den alten Bundesländern.

© SZ vom 17.09.2008/dmo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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