Uni Bremen im Höhenrausch:Mit der "Uli-heul-doch-Suppe" an die Spitze

Lesezeit: 2 min

Nach dem Erfolg bei der Elite-Vorauswahl wurde nun die Mensa zur besten Studenten-Kantine gewählt.

Ralf Wiegand

Chefkoch Peter Riethmöller, 59, begegnet dem Gast schon, ehe der überhaupt weiß, was er essen will. Der Maître der Bremer Uni-Mensa schwebt zwei Meter über den Köpfen der Gäste und präsentiert, effektvoll hintergrundbeleuchtet, das Angebot des Tages. Tatsächlich wirft bloß ein Beamer das Konterfei des Küchenchefs auf die Kantinenwand und dazu täglich neu die Empfehlung des Hauses, heute: Putengyros an Tomatenreis. Darunter steht seit kurzem noch eine besondere Grußbotschaft an die studentische Kundschaft: "Danke für ihr Vertrauen!"

Student Kolja schmeckt es in der Bremer Mensa (Foto: Foto: dpa)

Die "Mensa am Boulevard", das Selbstbedienungsrestaurant auf dem Campus der Bremer Uni, darf sich neuerdings mit dem Titel "Mensa 2005" schmücken. Dazu gewählt haben sie nicht Michelin oder Gault Milliau, sondern Professoren, Studenten und Hauspersonal, also die Benutzer. Gut 8500 Mahlzeiten wandern zur kulinarischen Rush-Hour über den Tresen, "à la minute", wie Koch Riethmöller stolz erwähnt. Die Zeiten, in denen die Schnitzel morgens um zehn schon fertig waren, sind vorbei. "Bei uns ist jedes Steak medium", verspricht der Koch.

Anscheinend schmeckt's: Rund 300 von 707 Mensen, die das Deutsche Studentenwerk bundesweit betreibt, hatten sich am Wettbewerb "Mensa 2005" der Unizeitschrift Unicum beteiligt, insgesamt 30.000 Kantinenesser stimmten online ab. Die Nutzer der Bremer Mensa waren entweder die fleißigsten Voter oder tatsächlich zufrieden. In der Gesamtwertung brachten sie ihre Hausküche gemeinsam mit der Mensa Vechta auf Platz eins. Gleich vier goldene Tabletts stapeln sich jetzt in Riethmöllers Büro: Neben dem Gesamtsieg jene für Platz zwei im Service sowie die Ränge eins in der Kategorie Freundlichkeit und - in der Disziplin Geschmack.

Despektierliches vom Boulevardblatt

Der Erfolg der Küchentruppe kam zum richtigen Zeitpunkt. Zum einen rundet er das Bild der Bremer Uni als aufstrebenden Wissensstandort so trefflich ab wie ein Schuss Crème fraîche eine Altenessner Zigeunersoße. Von wegen voller Bauch studiert nicht gern: Trotz enormer Warteschlangen vor den acht Mensa-Kassen hat Bremen gerade die erste Qualifikationsphase zur Elite-Uni gemeistert.

Zum anderen erschien just vor Veröffentlichung der Kantinen-Charts ein despektierlicher Artikel in der örtlichen Dependance eines großen Boulevardblattes: Studenten wanderten samt Fotograf über den Campus, empört über Graffitis an den Wänden, angeekelt von sanitären Einrichtungen - und genervt von der kurzen Öffnungszeit der Mensa: Dafür, so der Tenor, zahlen wir keine 500 Euro Studiengebühr. "Für die Presseabteilung war unser Erfolg natürlich super", sagt Riethmöller.

Hauptsache, es schmeckt - was nicht immer so war. Der Schriftsteller Sven Regener beschrieb die Bremer Mensa in seinem jüngsten 80er-Jahre-retro-Roman "Neue Vahr Süd" zwar als "natürliches Umfeld" seiner studentischen Hauptdarsteller, denen es allerdings nicht allzu lecker war. Damals gab es ein Stammessen, das, ob man es nun es serbisches Reisfleisch oder Risibisi nannte, meistens gleich aussah.

Inzwischen serviert die Mensa am Boulevard Gaumenfreuden für fast jeden Geschmack. Mit den täglich zwei subventionierten Studentenmenüs konkurrieren Köstlichkeiten von Pasta-Bar, Salat-Theke, Beilagentresen und Dessert-Vitrine, genauso gibt es Kurzgebratenes, Vegetarisches und Rohkost. Und bisweilen tischen die Bremer sogar einen frechen kulinarischen Gruß ins Reich von Leberkäs' und Schweinshaxe auf. Als Werder Bremen 2004 Deutscher Fußball-Meister wurde - vor dem von Uli Hoeneß gemanagten FC Bayern -, war der Renner auf Riethmöllers Speisekarte eine Zwiebelsuppe namens "Uli, heul' doch".

© SZ vom 30. Januar 2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: