Studieren im Ausland:Grenzenlos verliebt

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Wer im Ausland studiert, lernt nicht nur eine fremde Kultur kennen, sondern findet manchmal auch die große Liebe. Doch Gesetze und Vorurteile machen es binationalen Paaren nicht leicht.

Isa Hoffinger

Abends, wenn es kühler wird, fängt für die meisten Studenten in Córdoba das Leben an. Dann lässt der Verkehrslärm nach, und die Bars im Amüsierviertel der Stadt füllen sich mit Leuten. Mit sieben Universitäten ist Córdoba das Bildungszentrum Argentiniens. 150.000 Studenten leben hier. Auch Jana ist zum Studieren nach Córdoba gekommen, "weil es hier billiger ist als in Buenos Aires und man nicht so viel Angst haben muss, überfallen zu werden", sagt sie.

Jana und Michel: Seit zehn Monaten sind die beiden ein Paar - jetzt muss Jana zurück nach Leipzig. (Foto: Foto: oH)

Ein Jahr hat Jana in Córdoba verbracht, heute Nacht zieht die 24-Jährige zum letzten Mal um die Häuser. Acht Stunden bleiben ihr noch. Dann wird sie ins Flugzeug steigen, bepackt mit einem großen Rucksack und vielen Erinnerungen, aber ohne ihren Freund Michel.

Kennengelernt in der Wohngemeinschaft

"Ich wusste immer, dass ich gehen muss, denn ich möchte an der Uni Leipzig mein Diplom in Übersetzung machen. Den Gedanken an den Abschied schiebt man einfach weg", sagt sie. Nach Hause zu fliegen, fällt ihr nicht leicht. Der 33-jährige Michel ist ihre erste große Liebe. Er verkauft Schmuck auf einem Basar für Kunsthandwerk und hört gern "Quartetto", die rebellische Musik der Arbeitslosen, die in Córdoba hin und wieder die Straßen blockieren und Wegezoll verlangen. Kennengelernt hat Jana ihren Freund bei der Zimmersuche. "Ich bin in Michels Wohngemeinschaft gezogen. Nach ein paar Wochen haben wir uns ineinander verliebt", erzählt sie.

Seit zehn Monaten sind Jana und Michel jeden Tag zusammen. Nun liegen bald 12.000 Kilometer zwischen ihnen. Ein einfacher Flug von Argentinien nach Deutschland kostet 800 Euro, das sind keine guten Voraussetzungen für eine Fernbeziehung. Außerdem bekäme Michel vielleicht gar kein Visum, um Jana zu besuchen. Alle Bürger aus Nicht-EU-Staaten, die keinen Job in Deutschland haben, müssen eine Einladung von Deutschen vorweisen, damit sie als Tourist einreisen dürfen. Und sie müssen den Behörden glaubhaft machen, dass sie wieder in ihr Land zurückgehen. Jana und Michel haben für dieses Problem noch keine Lösung gefunden.

Vertrautes mit Fremdem verbinden

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes gibt es 2,5 Millionen binationale Ehepaare in Deutschland. Dazu kommen 73.000 Lebensgemeinschaften, in denen nur der Mann Deutscher ist und 105.000 Lebensgemeinschaften, in denen nur die Frau Deutsche ist.

Für unsere Gesellschaft spielen solche Paare eine große Rolle. Sie leisten im Kleinen, was auch im Großen für Deutschland wichtig ist: Vertrautes mit Fremdem zu verbinden und etwas Neues zu schaffen", sagt Cornelia Spohn vom Verband binationaler Familien und Partnerschaften (IAF). Der Verband bietet Beratungen für Paare an. Meistens melden sich Leute, die wissen möchten, wie sie ihren Partner nach Deutschland holen können.

Auf der nächsten Seite: Warum eine Hochzeit oft die einzige Möglichkeit ist, beisammen zu sein.

Rückkehr mit gebrochenem Herzen

Julia und Will Shaw: Sie haben sich für ein Leben in Wills Heimat Kanada entschieden. (Foto: Foto: oH)

Auch viele Studenten sind darunter. "Junge Menschen sind heute sehr kosmopolitisch. Sie haben kaum Vorbehalte anderen Kulturen gegenüber, das sind gute Voraussetzungen für eine Partnerschaft", sagt Cornelia Spohn. Warum es Einwanderungsgesetze überhaupt gebe, verstünden junge Menschen oft nicht.

Kein Wunder. Für deutsche Studierende ist es leicht, längere Zeit woanders zu leben. Ob Praktika, Sprachkurse, freiwillige Dienste oder ein Auslandssemester: Viele Studenten nutzen heute die Chance, die Welt zu entdecken. Manche von ihnen, die unterwegs von Amors Pfeil getroffen wurden, kommen mit gebrochenem Herzen zurück. Andere heiraten. Denn oft ist das die einzige Möglichkeit, keine Fernbeziehung führen zu müssen. Jedenfalls dann, wenn der Traummann oder die Traumfrau nicht aus Europa kommen.

Strenge deutsche Behörden

Julia Kassubek und Daniel Lopez haben sich vor zwei Jahren in Caracas kennengelernt. Die 30-jährige Julia arbeitete für den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), der 25-jährige Daniel studierte Kommunikationswissenschaften. Ein halbes Jahr später haben sie geheiratet. Die Hochzeit fand auf der Isla Margarita statt, in Daniels Heimat Venezuela. Weil Julia einen neuen Job und Daniel einen Studienplatz samt Stipendium in Berlin bekam, zog das Paar nach Deutschland.

In Berlin hatten sie allerdings Probleme mit der Anerkennung ihrer Ehe. "Da in vielen außereuropäischen Ländern Pässe gefälscht werden, muss ein Ausländer oft beweisen, dass er auch derjenige ist, der er vorgibt zu sein", erklärt Spohn. Umgekehrt müssen Deutsche, die zum Beispiel nach Lateinamerika auswandern möchten, nur darlegen, dass sie ihren Unterhalt bestreiten können, und Geld für ein Visum bezahlen. Viele Paare, meint Spohn, würden sich wegen der Schwierigkeiten mit den deutschen Behörden überlegen, ob sie nicht lieber im Ausland leben wollen.

Unterschiedliche Lebenswelten

Die 22-jährige Julia Shaw und der 27-jährige Will Shaw haben sich für ein Leben in Wills Heimat Kanada entschieden. Beide lernten sich vor drei Jahren an der Universität Vancouver kennen, an der Julia Psychologie studierte. "Kanada ist multikulturell", sagt sie, "binationale Paare sind hier nicht ungewöhnlich". Nach drei Monaten mit Will ging Julia für ein halbes Jahr nach Thailand. "Als ich wieder in Kanada war, waren wir noch verliebter als vorher."

Nach einer Studie der Psychologin Fanny Jimenez von der Berliner Humboldt-Universität sind Paare, die vorübergehend Fernbeziehungen führen, im Durchschnitt nicht unzufriedener als Paare, die zusammenleben. Auch die Trennungsrate ist offenbar nicht größer. Zumindest dann nicht, wenn beide Partner wissen, dass sie irgendwann im selben Land wohnen können. Probleme wegen der Aufenthaltsgenehmigung oder der unterschiedlichen Lebenswelten, aus denen Julia und Will Shaw kommen, gab es bisher keine.

Auf der nächsten Seite: Warum der Druck, der auf binationalen Paaren lastet, grundsätzlich größer ist als für deutsche Paare.

Belastende Vorurteile

"Binationale Paare haben die gleichen Alltagsprobleme wie andere Paare auch", sagt Cornelia Spohn. Allerdings sei der Druck, der auf ihnen laste, grundsätzlich größer. Das liege nicht nur daran, dass sie sich schon in der Phase des Kennenlernens überlegen müssten, in welchem Land sie leben wollen oder oft eine Fernbeziehung führen müssten.

"Manche Deutsche müssen sich leider immer noch in ihrem Bekanntenkreis rechtfertigen und werden gefragt, ob es denn unbedingt ein Ausländer sein muss, mit dem sie zusammen sein wollen", sagt Spohn. Solche Vorurteile belasteten die Paare mehr als Meinungsverschiedenheiten.

Ehen wie Hemden wechseln

Nicht nur in Deutschland, auch im Ausland gibt es Vorurteile binationalen Paaren gegenüber. Rajesh Sivathanu Pillai wurde von seiner Familie vor einer Heirat mit einer Deutschen gewarnt. Für Jette Delbeck, die sich während eines Praktikums in Indien in Rajesh verliebt hatte, war es nicht leicht, Rajeshs Eltern von ihren "ehrlichen Absichten" zu überzeugen.

"Rajeshs Brüder wurden arrangiert verheiratet, seine Eltern haben die Frauen ausgesucht. Sie haben Rajesh gesagt, dass ich mich bestimmt scheiden lassen würde, weil in Deutschland doch die Ehen wie Hemden gewechselt werden", sagt Jette. Seit vier Jahren sind die 25-jährige Jette und der 33-jährige Rajesh nun ein Ehepaar. "Wir haben zuerst in Thiruvananthapuram geheiratet, der Hauptstadt des Staates Kerala, und dann standesamtlich in Kassel", erzählt Jette Delbeck, "es hat ein Jahr gedauert, bis wir alle Papiere zusammen hatten."

Toleranz und Offenheit

Weil Jette in Dresden Verkehrswirtschaft studieren wollte, kündigte Rajesh seinen Job in Indien und machte sich in Dresden mit einem Reisebüro selbständig. "Am Anfang war es hier nicht leicht für Rajesh", erzählt Jette, "er hatte keine Freunde, alles war neu für ihn." Auch der kulturelle Unterschied war ein Problem. "Ein Konfliktpunkt war zum Beispiel der Umgang mit Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit. Ich umarme Rajesh gern mal auf der Straße. Rajesh war das unangenehm, er hat dann aber gesehen, dass es hier normal ist", sagt Jette.

Heute haben beide kaum noch Konflikte. "Ich habe immer versucht, die Beziehung zu der Person Rajesh zu sehen und nicht zu dem Inder", sagt Jette, "wenn einem das gelingt, ist nicht mehr Toleranz nötig als für jede andere Beziehung auch."

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