Studienkredit:Vorschuss für den Geist

Lesezeit: 3 min

Nach Privatbanken bietet nun auch die staatliche KfW Kredite für Hochschüler an. Trotz Vorteilen raten Verbraucherschützer zur Vorsicht.

Marco Finetti, Tanjev Schultz, Tom Webel

Wenn an diesem Montag die Banken und Sparkassen ihre Schalter öffnen, beginnt ein neues Kapitel der Bildungsfinanzierung in Deutschland. Von diesem Tag an können Studenten erstmals bundesweit einen Kredit einer staatlichen Bank zur Finanzierung ihres Studiums beantragen. Bis zu 650 Euro pro Monat, maximal sieben Jahre lang, rückzahlbar nach dem Studium über bis zu 25 Jahre lang, mit derzeit 5,1 Prozent Zinsen - das sind die Eckdaten des neuen Bildungskredits.

Unabhängig studieren - und danach? Experten warnen vor einer möglichen Schuldenfalle. (Foto: Foto: sueddeutsche.de)

Angeboten wird der Kredit von der KfW-Förderbank - besser bekannt unter ihrem alten Namen "Kreditanstalt für Wiederaufbau" -, die zu 80 Prozent dem Bund und zu 20 Prozent den Ländern gehört. Vertrieben und abgewickelt wird das Angebot über zahlreiche Finanzinstitute im ganzen Bundesgebiet: Die Deutsche Apotheker- und Ärztebank in Dresden ist ebenso dabei wie die Volksbank in Porta Westfalica, die Kreissparkasse Köln oder die Raiffeisenbank in Gaimersheim.

Auch eine Reihe von Studentenwerken vertreiben das Darlehen der staatlichen Bank; in Osnabrück, Heidelberg oder Regensburg können Studenten künftig nicht mehr nur ihren Bafög-Antrag beim Studentenwerk abgeben, sondern auch den Kreditantrag für die KfW.

Der Studienkredit ist nicht zuletzt das persönliche Werk von Hans Reich, dem Vorstandschef der KfW. Aus seiner Sicht soll das Angebot - über das bankenübliche Profitstreben hinaus - vor allem einen bildungspolitischen Zweck erfüllen: "Der Kredit soll Studenten wirklich unabhängig machen", sagt Reich. "Sie sollen nicht mehr einen großen Teil ihrer Zeit jobben müssen, sondern sich auf ihr Studium konzentrieren können und schneller und erfolgreicher studieren."

Dafür bietet das Angebot der staatlichen Bank zumindest bessere Voraussetzungen als die meisten Kredite, die bisher bereits von Privatbanken für Studenten angeboten werden (Auswahl siehe Grafik). Sie richten sich teilweise nur an Studenten bestimmter Fächer oder Hochschulen oder werden nur bei entsprechender Bonität oder Qualifikation vergeben und auch das oft nur zu relativ hohen Zinsen und rigiden Rückzahlungsmodalitäten.

Der KfW-Studienkredit unterscheidet sich davon nicht nur durch seine eher moderaten Zins- und Tilgungskonditionen. Wer die zuvor aus dem Internet (www.kfw-foerderbank.de) heruntergeladenen und ausgefüllten Antragsunterlagen abgibt, hat die Finanzspritze praktisch sicher. Sie wird unabhängig von Studienfach, Hochschulort und Semesterzahl gewährt, auch die Vermögensverhältnisse des Antragsstellers und seiner Eltern spielen bei der Kreditvergabe keine Rolle, ebenso wenig, ob er schon Bafög erhält.

Merten Larisch warnt dennoch davor, von diesem Angebot allzu schnell Gebrauch zu machen. Der Kreditexperte der Verbraucherzentrale Bayern rät Studenten, auch beim KfW-Angebot jene Vorsicht walten zu lassen, die bei den Krediten der Privatbanken ohnehin angebracht sei. "Zuerst sollte man prüfen, ob man wirklich einen Kredit braucht", sagt Larisch: "Und wenn man den Kredit braucht, sollte man möglichst knapp kalkulieren, wie hoch er sein soll."

Studienkredite im Überblick (Bitte auf die Lupe klicken). (Foto: N/A)

Denn billig ist auch der Kredit der KfW nicht: Ein Student, der sich neun Semester lang 500 Euro pro Monat auszahlen lassen will, kommt auf eine Auszahlungssumme von 27.000 Euro. Wenn er eineinhalb Jahre nach Beendigung seines Studiums mit der Tilgung beginnt, muss er inklusive Zinsen 31.799 Euro zurück zahlen. Tut er dies innerhalb von zehn Jahren, so laufen in dieser Zeit nochmals 8861 Euro Zinsen auf. Alles in allem muss er für seine 27.000 Euro Studienkredit 41.269 Euro berappen.

Aus Sicht von Verbraucherschützern wird es vor allem dann problematisch, wenn die Kreditnehmer nach dem Studium längere Zeit keinen Job bekommen oder von Praktikum zu Praktikum tingeln. "Dann gerät man leicht in die Schuldenspirale", sagt Merten Larisch. Die Befürchtung, dass viele Hochschüler sich am Ende in dieser Schuldenfalle wiederfinden, ist einer der Gründe, warum die Bildungskredite einschließlich des KfW-Modells politisch lange umstritten waren und teilweise noch immer sind.

Der zweite Grund: Die Angebote kommen fast zeitgleich mit der Einführung von Studiengebühren in mehreren Bundesländern, in denen die Union regiert. In Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen sollen schon vom Herbst an Studienanfänger und ab April 2007 alle Hochschüler 500 Euro pro Semester zahlen. Auch Bayern und Baden-Württemberg führen zum Sommersemester 2007 Gebühren ein, das Saarland im Herbst.

Nur für den Lebensunterhalt

Studentenverbände, aber auch Bildungspolitiker von SPD und Grünen lehnten die Kredite deshalb lange ab, weil sie die Einführung von Studiengebühren auch in anderen Ländern erleichterten. Am Widerstand aus der Politik und an der bevorstehenden Bundestagswahl scheiterte zunächst auch die schon zum Herbst 2005 geplante Einführung der KfW-Studienkredite.

Inzwischen, unter anderen Regierungskonstellationen, haben zumindest die Bildungspolitiker der SPD ihren Widerstand aufgegeben - nach einer Zusicherung von KfW und Union, die sich freilich reichlich weltfremd ausnimmt. Die Kredite der KfW sollen demnach nicht zur Finanzierung eventueller Studiengebühren ausgegeben werden, sondern alleine zur Deckung des Lebensunterhalts.

Die studentischen Kritiker geben sich damit nicht zufrieden. "Durch Studiengebühren werden Studenten praktisch dazu gedrängt, Kredite aufzunehmen", sagt Amin Benaissa, Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren (ABS). Außerdem hat das ABS Angst um das Bafög. Je mehr Studienkredite es gebe, desto verlockender werde es für die Politik, beim Bafög zu sparen. "Wenn man nicht aufpasst, ist das Bafög irgendwann ganz weg", fürchtet Benaissa. Statt die Ausbildungsförderung durch Angebote wie das der KfW zu schwächen, müsse der Staat das Bafög erheblich ausweiten, fordern die Studentenvertreter.

© SZ vom 3.4.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: