Studiengebühren ja, Stipendien nein:"Ein Skandal"

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Viele Bundesländer führen Studiengebühren ein. Doch der versprochene Ausbau des Stipendiensystems bleibt aus.

Als das Erststudium an staatlichen Hochschulen in Deutschland noch überall gebührenfrei war, beliefen sich die Kosten für ein durchschnittliches Studium auf rund 40.000 Euro. In zahlreichen Bundesländern müssen die Studierenden in Zukunft tiefer in Tasche greifen, denn dort werden Studiengebühren von 500 Euro pro Semester fällig. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vor knapp zwei Jahren haben die Länder recht zügig die angekündigten Gebühren eingeführt - der ebenfalls angekündigte Ausbau des Stipendiensystems blieb dagegen aus.

Hauptsache abkassiert? Um die neuen Gebühren zu zahlen, können Studierende Kredite aufnehmen. Mehr Stipendien gibt es dafür nicht. (Foto: Foto: ddp)

"Bislang ist die Zahl der Stipendien für Studenten in Deutschland verschwindend gering" - das müsse sich nun ändern, sagte im Januar 2005 der DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun. Und BDI-Präsident Jürgen Thumann verkündete kurz nach Amtsantritt 2005, die Industrie werde mehr Geld in die Hand nehmen, um bedürftigen Studenten mit Patenschaften oder Fonds zu helfen, wenn Studiengebühren eingeführt würden. Allgemein hatten die Gebühren-Befürworter immer wieder argumentiert, dass alles kein Problem sei, wenn es wie in den USA erstmal ein gut ausgebautes Stipendiensystem gebe.

Doch getan habe sich seither "im Grunde nichts", und das sei "ein ziemlicher Skandal", erklärt der Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks, Achim Meyer auf der Heyde. BDI-Sprecher Thomas Hüne sagt dazu, es habe sich doch gar nichts geändert: "Es sind Verwaltungs- und keine Studiengebühren eingeführt worden. Die Universitäten schröpfen nun die Studenten." Die seinerzeit angekündigten Maßnahmen hätten sich darauf bezogen, dass die Universitäten autonom seien, "momentan sind sie aber Filialen der Bundesländer". Die Vorstellung, die Wirtschaft lege nun einen Fonds auf, sei falsch. "Zurzeit sind keine konkreten Maßnahmen zur Studienfinanzierung geplant", betont Hüne.

Konkrete Maßnahmen für Studiengebühren sind dagegen in zahlreichen Bundesländern geplant oder bereits umgesetzt: In Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen müssen zum gerade begonnenen Wintersemester Studienanfänger 500 Euro pro Semester zahlen, ab dem nächsten Sommersemester gilt dies für alle. In Nordrhein-Westfalen können allerdings die Hochschulen selbst entscheiden, ob sie Gebühren erheben - 27 von 33 haben sich dazu entschlossen. In Bremen müssen alle Studierenden ohne Erstwohnsitz in Bremen vom 3. Semester an 500 Euro bezahlen, allerdings gibt es eine Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts gegen diese "Landeskinderregelung".

Vom nächsten Sommersemester an werden dann in Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg und Hessen 500 Euro pro Semester fällig, ab Wintersemester 2007/08 fordern die saarländischen Hochschulen für die ersten beiden Semester 300 Euro, ab dem 3. Semester 500 Euro.

Die Länder berufen sich auf das Bundesverfassungsgericht, das am 26. Januar 2005 das Studiengebührenverbot im Hochschulrahmengesetz für nichtig erklärte. Die Karlsruher Richter hatten allerdings betont, dass die Länder in sozialstaatlicher Verantwortung gewährleisten müssen, dass gleiche Bildungschancen gewahrt und die Belange einkommensschwacher Bevölkerungsschichten berücksichtigt werden müssen.

Berufen kann es sich auf ein aktuelles Gutachten eines expliziten Gebührenbefürworters: Der frühere Kanzler der TU München und jetzige Richter am Bundesfinanzhof Ludwig Kronthaler greift in einem Gutachten für den Stifterverband der Deutschen Wissenschaft zwei gängige Regelungen in den Landeshochschulgesetzen an: Ausfallbürgschaften und einheitliche Beitragshöhe.

Bei den Ausfallbürgschaften wird ein Teil der Studiengebühren hinterlegt, auf den die Darlehen vergebenden Banken zurückgreifen können, wenn Absolventen das Geld nicht zurückzahlen können. Kronthaler kritisiert aber, dass die Kosten für die sozialverträgliche Absicherung von Studiengebühren nicht aus den Gebühren selbst finanziert und damit von den Studierenden getragen werden dürften. Dies sei Aufgabe des Staates.

Zudem hält Kronthaler einheitliche Studiengebühren für rechtswidrig, wenn das Gesetz den Hochschulen die Beitragsbemessung überträgt und die Gebühren nur "zur Verbesserung der Studienbedingungen" erhoben werden dürfen. Die Hochschulen müssten erst verbindlich klären, was getan werden solle, was dies koste und wie es auf die Studierenden umzulegen sei - erst dann könne die Gebührenhöhe für die einzelnen Studiengänge festgesetzt werden.

"Eine Sicherung der Sozialverträglichkeit ist dadurch nicht gegeben", betont Meyer auf der Heyde. Das Studentenwerk erwartet, dass sich mit den Gebühren "die soziale Schieflage im Bildungsbereich potenziell verschärft". Schon jetzt nähmen von 100 Kindern aus bildungsferneren und einkommensschwächeren Schichten nur elf ein Studium auf.

Das Ziel der Bundesregierung, eine Studierendenquote von 40 Prozent zu erreichen - der Durchschnitt der OECD-Staaten lag 2004 bereits bei 53 Prozent - werde damit konterkariert. Neueste Zahlen der Bundesagentur für Arbeit bestätigen dies offenbar: Immer mehr Abiturienten drängen auf den Lehrstellenmarkt. Dabei gebe es einen klaren Zusammenhang mit den Studiengebühren, konstatiert die Behörde.

© Mirjam Mohr, AP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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