Studie:Lächeln im Akkord

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Beruflich verordnete Freundlichkeit macht auf Dauer krank.

Jutta Pilgram

Lachen ist gesund, doch erzwungenes Lächeln macht krank. Davon ist Professor Dieter Zapf überzeugt. Der Organisationspsychologe an der Universität Frankfurt erforscht die emotionalen Anforderungen, die der Arbeitsprozess an den Menschen stellt. Während die kognitiven und motivationalen Anforderungen schon lange das Interesse der Wissenschaft gefunden hätten, sei die "Emotionsarbeit" in der Arbeitspsychologie bisher nur wenig beachtet worden, meint Zapf. Zu dieser Emotionsarbeit gehört in vielen Berufen das Lächeln. Vor allem Stewardessen, Verkäufer und Mitarbeiter von Call-Centern seien verpflichtet, mit stets gleichbleibender Freundlichkeit ihren Dienst zu tun.

(Foto: Foto: photodisc)

Um herauszufinden, wie sich das beruflich verordnete Lächeln langfristig auswirkt, haben die Frankfurter Psychologen mehr als 4000 Fragebögen von Flugbegleitern und Krankenhauspflegepersonal ausgewertet. Außerdem setzten sie Testpersonen in ein fiktives Call-Center und ließen sie von einer vermeintlichen Kundin beschimpfen. Einige Teilnehmer durften zurückschimpfen, die anderen mussten unter allen Umständen freundlich bleiben. Bei den Zwangsfreundlichen raste das Herz noch lange nach dem Gespräch mit der Kundin, die andere Gruppe beruhigte sich schnell.

Das Fazit der Forscher: Menschen, die ihre wahren Gefühle über einen längeren Zeitraum leugnen müssen, leiden unter "emotionalen Dissonanzen". Diese bergen ein erhöhtes gesundheitliches Risiko: Sie können zum Burn-out-Syndrom und zu Depressionen führen.

Das bedeute nicht, dass Lächel-Jobs grundsätzlich krank machten, meint Zapf, doch unter bestimmten Voraussetzungen seien sie schädlich für die seelische Gesundheit.

"Immer dann, wenn man seine tatsächlichen Gefühle unterdrückt, hat das negative gesundheitliche Auswirkungen", sagt Zapf. Doch in welchem Beruf kann man schon ständig seine wahren Gefühle zeigen? Und wem ist mit muffigen Stewardessen, pampigen Hotline-Beratern und genervten Verkäufern gedient? Sind die Bewohner der Dienstleistungswüste Deutschland nicht gerade dabei zu entdecken, dass die Arbeit mit professioneller Freundlichkeit selbst mehr Spaß macht?

Ein ungezügeltes Ausleben negativer Gefühle lehnen indes auch die Arbeitspsychologen ab. "Wir alle steuern unsere Emotionen", sagt Professor Zapf. "Problematisch wird es, wenn sich das über einen längeren Zeitraum hinzieht wie bei Flugbegleitern auf dem Langstreckenflug."

Emotionsarbeiter bräuchten Rückzugsräume ohne Kundenkontakt, in denen sie ihren Gefühlen freien Lauf lassen könnten. "Wir müssen weg von dem starren Grundsatz ,Der Kunde ist König' - hin zu mehr Respekt gegenüber dem Service-Mitarbeiter."

© SZ vom 1.4.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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