Studie:Das Burnout-Projekt

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Arbeiten bis zum Umfallen: IT-Beschäftigte haben ein deutlich höheres Risiko, an Burnout zu erkranken als Mitarbeiter anderer Branchen.

Nicola Holzapfel

Die Liste der Symptome ist lang: Müdigkeit, Energielosigkeit und Zynismus sind nur einige der Gefühle, die Anzeichen chronischer Erschöpfung sein können. Am Ende droht der Burnout.

Leer gearbeitet: Dauernde Müdigkeit, Nervosität und Schmerzen sind für viele IT-Beschäftigte normal. (Foto: N/A)

Mitarbeiter in der IT-Branche scheinen dafür geradezu prädestiniert. Sie leiden bis zu viermal häufiger als der deutsche Durchschnitts-Beschäftigte an psychosomatischen Beschwerden wie Kopf- und Magenschmerzen und Schlafstörungen. Die in der Branche übliche Arbeit in Projektgruppen scheint die Mitarbeiter regelrecht zu verschleißen. Das zeigt eine neue Studie des Institut für Arbeit und Technik (IAT) in Gelsenkirchen.

Dabei gilt Projektarbeit bislang als positiv, weil die Beschäfigten mehr Freiheiten haben und autonomer handeln können als das etwa bei fremdbestimmten Arbeiten in der Produktion der Fall ist. Die beiden Wissenschaftler Anja Gerlmaier und Erich Latniak vom IAT haben nun erstmals die negativen Seiten der Projektarbeit untersucht. Sie sind der Frage nachgegangen, welchen Belastungen die Mitarbeiter ausgesetzt sind.

Dafür haben sie 16 Monate lang verschiedene Teams der Software-Entwicklung und -Beratung in großen und kleinen Unternehmen begleitet und deren Arbeitsbedingungen dokumentiert. Das Ergebnis ist alarmierend: Die Gesundheit der Mitarbeiter leidet stark unter der Projektarbeit. Vor allem permanenter Zeitdruck, widersprüchliche Anforderungen und ausufernde Arbeitszeiten belasten die Beschäftigten.

Der Stress verschärft sich, wenn die Mitarbeiter selbst keinen Einfluss auf die Rahmenbedingungen und den Ressourceneinsatz haben. In allen untersuchten Projektgruppen wurden sie während des Arbeitsprozesses mit immer neuen Anforderungen und Änderungswünschen konfrontiert. Auch Arbeitsbehinderungen durch mangelhafte Hard- oder Software oder fehlende Management-Entscheidungen verstärkten den Druck, da Termine und Kostenlimits dennoch eingehalten werden mussten. Der Großteil der Beschäftigten arbeitet zudem parallel in mehreren Projekten, was den Stress nochmal erhöht.

Wie die Studie zeigt, hinterlassen diese Belastungen deutliche Spuren. 30 Prozent der befragten Projektarbeiter konnten nach der Arbeit nicht abschalten. 40 Prozent wiesen Anzeichen eines Burnouts auf. Darunter verstehen die Wissenschaftler einen "chronischen Prozess des Erschöpfens der eigenen körperlichen und seelischen Reserven". "Er ist gekennzeichnet vom Gefühl, durch die Arbeit ausgelaugt und ausgebrannt zu sein. Die Symptome umfassen dabei Gefühle exzessiver Müdigkeit und Energielosigkeit, eine erhöhte 'Dünnhäutigkeit' und Ungeduld in Belastungssituationen, Demoralisierung, Gleichgültigkeit und Zynismus", heißt es in der Studie.

Burnout droht vor allem dann, wenn der Stress über eine längere Zeit dauerhaft anhält. Acht Wochen scheinen eine kritische Grenze zu sein. Kürzere Stressphasen schlagen sich weniger auf die Gesundheit nieder.

Anja Gerlmaier und Erich Latniak raten Unternehmen daher, ihren Mitarbeitern regelmäßige Erholungspausen bei der Arbeit zu ermöglichen. Auch die Wochenenden sollten konsequent frei gehalten werden. Außerdem müssten die Rahmenbedingungen bei Projekten verbessern werden. Neben größeren Handlungs- und Entscheidungspielräumen gehören dazu auch angemessene Ressourcen.

Doch auch für die Mitarbeiter haben die Wissenschaftler einen Rat parat. Wie ihre Untersuchung zeigt, schätzen die Beschäftigten die positiven Merkmale von Projektarbeit wie freie Zeiteinteilung, gute Zusammenarbeit und interessante Aufgaben. Als Motivationsanreiz wird vor allem die Möglichkeit der Selbstverwirklichung gesehen. Damit die Begeisterung nicht irgendwann einmal in den Burnout führt, empfehlen die Wissenschaftler über die Belastungsrisiken aufzuklären: "Eine Problemsensibiliserung ist auch für viele Projektbeschäftigte notwendig."

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