Studentenproteste:Hoffen auf einen heißen Sommer

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Studentenvertreter versuchen, die Massen gegen Gebühren zu mobilisieren - bis Mai dürfte es aber ruhig bleiben.

Von Britta Mersch, Marion Schmidt und Birgit Lutz-Temsch

Nele Hirsch studiert Politikwissenschaften in Berlin und normalerweise hätte sie in der vergangenen Woche im Hörsaal sitzen müssen. Aber was war vergangene Woche schon normal? Am Mittwoch verkündeten die Verfassungsrichter, dass Studiengebühren rechtens sind, weshalb in Nele Hirschs Terminkalender der Ausnahmezustand herrschte. Karlsruhe, Berlin, das Rheinland: Als Mitglied des Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren (ABS) konnte die Studentin schon mal ausprobieren, wie das Leben als Berufspolitikerin ist.

Die Asta-Vertreter versuchen zu mobilisieren: Wäscheleine gegen Studiengebühren an der Uni Bremen. (Foto: Foto: AP)

Hirschs politisches Ziel ist der Kampf gegen Studiengebühren. Erst hörte sie sich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts an, danach versorgte sie die Asten der Republik mit Informationen und die Presse mit Interviews. Am Donnerstag koordinierte sie in Berlin per Telefon Proteste, am Freitag dann ging es in Düsseldorf bei einer außerordentlichen ABS-Vollversammlung um den Kampfplan der kommenden Monate. "Alles ganz schön stressig", sagt Hirsch, "mein Telefon klingelt in einer Tour."

Mitglieder des ABS und Asta-Vertreter hoffen, an Erfolge aus der Vergangenheit anknüpfen zu können. Vor zweieinhalb Jahren wollte der damalige SPD-Ministerpräsident Wolfgang Clement in Nordrhein-Westfalen eine Rückmeldegebühr von 50 Euro pro Semester einführen. Sie wurde verhindert - der Widerstand der Studierenden war zu massiv. "Das war ein Riesenerfolg", sagt Reni Richter von der Universität Münster, die damals bereits bei den Streiks dabei war. Jetzt allerdings müssen die Gebührengegner ihren Widerstand bundesweit organisieren, und wie viele Studierende sie mobilisieren können, ist unklar - zumal ausgerechnet in NRW das Erststudium gebührenfrei bleiben soll. Erschwerend kommt hinzu, dass die Bundesländer Gebühren mal 2005, mal 2006 oder noch später einführen werden.

Erstmal kommt der Karneval

Das Protestjahr 2005 beginnt offiziell schon diese Woche: Am Donnerstag wollen Studenten in Leipzig, Essen, Mannheim und Hamburg demonstrieren. Wie schwierig es ist, junge Leute in ganz Deutschland zu mobilisieren, zeigt sich schon jetzt: "Viele Städte im Westen müssen leider passen", sagt Reni Richter - in Münster, Köln und Düsseldorf ist am Donnerstag Weiberfastnacht, an Proteste ist da nicht zu denken.

Dass das Interesse an Demos in den Semesterferien gering sein wird, kalkulieren die ABS-Vertreter mit ein. Breite Proteste soll es deswegen erst wieder im neuen Semester geben. Am 1. Mai will das ABS zusammen mit Gewerkschaften und Sozialverbänden auf die Straße gehen. Den Zeitpunkt hält das Anti-Gebühren-Bündnis für gut gewählt: "Die Prüfungsphasen sind dann vorbei, und es ist nicht mehr so kalt", sagt Klemens Himpele vom ABS.

Ob allerdings tatsächlich viele Studenten bei Protestplanungen mitmachen, können die Aktivisten jetzt noch nicht abschätzen. Beim Düsseldorfer Treffen waren gerade einmal fünfzig Protestwillige zusammen gekommen, um Pressekampagnen, Demonstrationen und Streiks zu planen - in der Hoffnung, dass viele der zwei Millionen Nachwuchsakademiker mitziehen. "Es ist aber ein Irrglaube, wenn man denkt, wir können 100 Prozent zum Mitmachen bewegen", sagt Sascha Vogt, Geschäftsführer des ABS. "Aber zumindest sehe ich zur Zeit eine große Solidarität bei Studierenden". Immerhin: In Münster kamen nach dem Karlsruher Urteil etwa 2000 zu einer spontanen Demonstration zusammen.

Dennoch sind die Studentenvertreter in Düsseldorf skeptisch. Dominik Spitschan ist Mitglied im Politikreferat der Uni Lüneburg - bei dem Versuch, Studenten zu Protesten zu bewegen, hat er in den letzten Tagen ernüchternde Erfahrungen gemacht: "Manche Fakultäten lassen sich bei uns einfach nicht mobilisieren", sagt Spitschan, "sie interessieren sich nicht für die politische Entwicklung." In der Tat: Während drinnen im Audimax der Fachhochschule Düsseldorf heiß diskutiert wird, stehen auf dem Flur ein paar Studenten, die sich zur Zeit auf ihre Abschlussprüfungen im Fach Maschinenbau vorbereiten. Dass das ABS heute bei ihnen zu Gast ist, kümmert sie nicht weiter. "Auch die Gebühren interessieren mich nicht", sagt Manfred Stade ganz offen. "Im Prinzip verbessern sie meine Jobaussichten, weil weniger studieren."

Im Norden der Republik laufen sich vor allem die protesterprobten Hamburger Studenten schon mal warm für Aktionen. In der Hansestadt wird es ziemlich sicher ab 2006 Studiengebühren geben. Die Stimmung ist gemischt: Während einige wie Jura-Studentin Gisela Ewe bereits verkünden, Hamburg zu verlassen, wenn die Gebühren kommen, überlegen andere, wie sie sich das Studium dann finanzieren könnten. Manche, wie VWL-Student Jan Kuhlmann-Warning, finden die Gebühren gut und hoffen auf eine bessere Ausstattung.

Auch an der Uni Hannover, wo ziemlich sicher Gebühren eingeführt werden, herrscht eher "verhaltene Aufbruchstimmung", so Sascha Pommrenke vom dortigen Asta: "Es wird schwer, in den letzten Tagen vor Vorlesungsende die Leute auf die Straße zu bringen." Allerdings glaubt er an "¸massive Proteste" im Sommersemester, die wegen der besseren Vernetzung heftiger ausfallen dürften als noch vor acht Jahren. "Die spontanen Demos waren nur ein Auftakt für weitere Proteste", kündigt Jonas Füllner vom Uni-Asta an. Die Studentenvertreter wollen "massiven politischen Druck aufbauen" und schließen auch Streiks zu Beginn des Sommersemesters nicht aus. Für die große Nord-Demonstration am Donnerstag hofft der Asta der Uni Hannover auf 20 000 Studenten.

Auch in Bayern ist das Urteil des Verfassungsgerichts in eine für die Studenten sehr ungünstige Zeit gefallen. Sie schwitzen über ihren Klausuren, danach sind Semesterferien. Dementsprechend verhalten sind bislang noch die Proteste. Auf dem Münchner Marienplatz führten Studenten am Donnerstag ein Theaterstück auf, in Bamberg gingen etwa 1500 Studenten auf die Straße. Und auch wenn viele derzeit nicht wissen, wie sie ihr Studium mit Gebühren noch finanzieren werden, sind sie gar nicht so kämpferisch wie man erwarten könnte. Wer Gebühren befürwortet, verlangt aber, dass das Geld auch tatsächlich in die Lehre fließt - und daran glaubt fast niemand.

Beim Asta und anderen studentischen Gremien der Münchner Hochschulen ist man natürlich gegen Gebühren, mit Protesten will man aber nicht nur wegen der Prüfungszeit noch warten: Bevor größere Aktionen anlaufen, müssten die Pläne des Wissenschaftsministeriums zunächst bekannt sein, sagt Björn Klotzbücher, Vorsitzender des Fachschaftenrats der Technischen Universität München. Schließlich wolle man weniger gegen die Entscheidung aus Karlsruhe demonstrieren als vielmehr gegen "den törichten Schritt", Gebühren einzuführen.

© SZ vom 31.1.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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