Nach der Jahrtausendwende herrschte also Aufbruchstimmung an deutschen Hochschulen. Man hatte den Eindruck, dass sich die Fehler der 1970er Jahre, als die Universitäten schon einmal hemmungslos vollliefen, nicht mehr wiederholen würden. Weit gefehlt! Der Ansturm der Studierenden infolge doppelter Abiturjahrgänge und abgeschaffter Wehrpflicht droht gute Entwicklungen der Vergangenheit ins Gegenteil zu verkehren.
So wendet sich der viel gepriesene Wettbewerb zum Beispiel an hessischen Universitäten in einen geradezu ruinösen Wettlauf um möglichst viele Studierende in der Regelstudienzeit, weil mehr als 80 Prozent (!) der staatlichen Grundfinanzierung nach genau diesem Kriterium zugeteilt werden. Auch die Zusatzmittel aus dem Hochschulpakt 2020 tragen hier nur bedingt zur Entspannung bei, da sie bei weitem nicht ausreichen, um Studienplätze - insbesondere in experimentellen Fächern - auskömmlich, geschweige denn dauerhaft zu finanzieren.
Dies wird nicht folgenlos bleiben; zumal wenn Länder ihre soeben erst mühsam vom Bund errungenen Aufgaben nicht erfüllen und Hochschulen nicht angemessen ausstatten können. Denn das Handeln der Länder bestimmt immer häufiger die Schuldenbremse mit striktem Sparkurs - und immer weniger das Bekenntnis zum Primat der Bildung. Der universitären Forschung droht nun wieder einmal ein substantieller Qualitätsverlust.
Sollten die Universitäten nicht soeben noch internationales Spitzenniveau erzielen? Wie aber wollen Wissenschaftler ernsthaft forschen, wenn sie immer mehr Studierende betreuen und die verbleibende Arbeitszeit aufgrund rückläufiger Budgets für das Schreiben von Drittmittelanträgen aufwenden müssen? Wie kann eine Universität noch Spitzenforscher aus dem Ausland gewinnen, wenn diesen keine attraktiven Arbeitsbedingungen mehr geboten werden können? Die deutsche Universitätsforschung wird weiter ins Hintertreffen geraten - endgültig dann, wenn von 2017 an die Mittel der Exzellenzinitiative versiegen.
Während die vom Bund finanzierte außeruniversitäre Spitzenforschung Jahr für Jahr mit substanziellen Aufschlägen rechnen kann, verlieren die von den Ländern unterhaltenen Universitäten teilweise deutlich an Substanz. Die Schere geht von Jahr zu Jahr weiter auf. Eine Ausdünnung der Universitätsforschung hätte jedoch fatale Folgen für die Qualität der Forschung "Made in Germany".
Will sich unser Land nicht verabschieden vom Grundsatz einer "Einheit von Forschung und Lehre", müssen mehr Mittel in die Universitätsforschung fließen - am besten durch eine erneute Föderalismusreform, wie sie mittlerweile von immer mehr Seiten gefordert wird: Angesichts der Überforderung vieler Bundesländer mit einer auskömmlichen Finanzierung ihrer Universitäten muss der Bund hier wieder tätig werden dürfen.
Werner Müller-Esterl, 63, ist Professor für Biochemie und seit Anfang 2009 Präsident der Goethe-Universität Frankfurt.