Referate an der Uni:Wenn die Stimme versagt

Lesezeit: 3 min

In einem vollen Hörsaal eine Frage des Professors beantworten zu müssen, ist für viele Studenten eine Horrorvorstellung. Noch schlimmer sind Referate - doch mit ein paar Tricks lässt sich die Blamage vermeiden.

Es ist die wohl unangenehmste Aufgabe für Studenten im ersten Semester: Ein Referat im großen Hörsaal zu halten, vor mehr als 50 Kommilitonen. Der Puls rast, die Hände sind feucht, und im schlimmsten Fall versagt auch noch die Stimme. Dann droht der Auftritt vor den anderen schnell zur Blamage zu werden.

Mit der richtigen Sprech- und Entspannungstechnik lassen sich solche Redehemmungen aber in den Griff kriegen. "Gerade an Massen-Universitäten ist das Phänomen Redeangst weit verbreitet", hat die Psychologin Edith Püschel beobachtet. Der Grund sei meist die Angst, sich zu blamieren, erläutert die Expertin von der Zentralen Studienberatung der Freien Universität Berlin. Oft sei sie aber unbegründet, da gerade an Erstsemester ohnehin keine hohen Erwartungen gestellt werden.

Redeangst als "Karrierekiller"

Viele Erstsemester müssten sich erst an die Umstellung von der Schule zum eher anonymen Uni-Alltag gewöhnen. Daher gilt es Püschel zufolge, eine gewisse Grundnervosität bei sich selbst zu akzeptieren. Allerdings dürfen Studienanfänger sich nicht in die Aufregung hineinsteigern. "Viele betrachten Referate als Gefahr - dabei sind sie eine Chance, wichtige Fertigkeiten einzuüben", sagt Püschel.

Präsentationen und Vorträge seien im späteren Berufsleben an der Tagesordnung, erläutert Karriereberater Hans Reiner Vogel aus Wiesbaden. Redeangst könne zum regelrechten "Karrierekiller" werden. Deshalb gelte es, jede Gelegenheit an der Universität wahrzunehmen, um solche Hemmungen abzubauen.

Üben vor dem Spiegel

Neben Vorträgen eigneten sich dafür auch Diskussionen mit anderen Studenten. "Da muss man sich einfach auch mal trauen", sagt Vogel. Oft seien die Studenten im Anschluss überrascht, wie unbegründet ihre Angst war, ergänzt Püschel. Und wer im ersten Schritt lieber alleine übt, könne das auch vor dem Spiegel tun.

Auch Vorträge vor Freunden zu halten kann helfen, Vertrauen aufzubauen, rät Tim Richter, Präsident des Verbands der Debattierclubs an Hochschulen in Bonn. Daneben sei es sinnvoll, sich einige Schlüsselsätze zu notieren. "Im Zweifelsfall kann man sie vorlesen und vermeidet so Unterbrechungen im Vortrag", empfiehlt Richter. Wichtig sei, sich gut vorzubereiten - schließlich lasse sich leichter über Dinge reden, mit denen man sich auskennt.

Mehr Zuhörer, komplexere Inhalte

Zahlreiche Unis bieten Kurse an, um Studenten mit Redehemmungen zu unterstützen. "Darin wird der Umgang vor und während eines Referates simuliert und anhand von Entspannungstechniken versucht, die größte Aufregung zu lindern", erklärt Waltraud Freese, Leiterin der Psychologisch-Therapeutischen Beratung an der Universität Hannover.

In kleineren Gruppen mit bis zu 15 Teilnehmern wird dabei zunächst geübt, vor anderen über ganz Alltägliches zu sprechen. "Die Redner erzählen den anderen Teilnehmern von ihrem Lieblingsfilm oder ihrer Familie", erläutert Püschel. Angeleitet werden sie von Psychologen oder Sprecherziehern.

Später wird es schwieriger, indem mehr Zuhörer, komplexere Inhalte, Mikrofone und auch eine Kamera in die Übungen integriert werden. Den Teilnehmern falle das zwar nicht immer leicht. "Viele sind vom Ergebnis aber positiv überrascht", erzählt Püschel.

Auf der nächsten Seite: Wie sich Redner bei akutem Lampenfieber behelfen können.

Gähnen zur Entspannung

Auch die richtige Sprechtechnik hilft, Hemmungen zu überwinden. "Gerade an der Stimme lässt sich arbeiten", sagt Sprecherzieher Joachim Aich aus Köln. Denn neben guten Formulierungen komme es bei Vorträgen auch auf den Ausdruck an. Entscheidenden Anteil daran habe die Stimme und ihr Klang.

Unter Stress verkrampfen sich laut Aich die Muskeln von Hals und Kehlkopf. "Die Stimme wird dann hoch und dünn", erklärt Aich. Bei akutem Lampenfieber empfiehlt er, eine Hand auf den Bauch zu legen und tief in ihn zu atmen. Das aktiviere die Zwerchfell-Flanken-Atmung und beruhige zudem. Daneben helfe Gähnen zur Entspannung und Weitung des Rachenraums, was für die Klangentwicklung wichtig ist.

Wie ein leckeres Essen

Als Stimm-Übung eigne sich ein Summen, ähnlich wie als Reaktion auf ein leckeres Essen. So gelange ein Redner in die sogenannte Indifferenzlage. "In dieser Sprechstimmlage kann mit wenig Muskelanspannung im Kehlkopf und wenig Atemluft gesprochen werden", erklärt Aich. Der Sprecher werde entspannter und wirke auch so auf seine Zuhörer.

Wer sich seiner Redeangst stellt, hat also gute Chancen, sie zu überwinden. Mit genügend Übung lassen sich Redehemmungen laut Karriereberater Vogel sogar in Redelust verwandeln. "Der erste gelungene Vortrag öffnet für viele eine Art Tor und hilft, den Spaß am Reden zu entdecken."

© dpa/Andreas Thieme/bön - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: