Ratgeber:Hilfe, mein Chef ist ein Idiot

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Was tun, wenn der Vorgesetzte unfähig und gehässig ist? Bücher wie ,,Der Arschloch-Faktor'' oder "Der Feind in meinem Büro" zeigen unterdrückten Angestellten, wie man sich wehren kann.

Christian Mayer

Der Mann ist eine Katastrophe für seine Umwelt: abgrundtief zynisch, inkompetent, respektlos im Umgang mit Untergebenen, von durchtriebener Freundlichkeit und immer auf den eigenen Vorteil bedacht. Glücklicherweise ist der Glatzenträger mit dem übersteigerten Selbstbewusstsein eine Fernsehfigur - ein Kotzbrocken, der sich gerne über dickliche Kolleginnen lustig macht, Intrigen spinnt und am lautesten über seine Macho-Sprüchen lacht. Offenbar trifft Stromberg alias Christoph Maria Herbst bei den Zuschauern einen Nerv: Die Serie ist Kult, der Quälgeist aus der Abteilung Schadensregulierung einer Versicherung läuft bei ProSieben schon in der dritten Staffel.

Warum gibt es so viele Arschlöcher und wie wehrt man sich gegen sie? Ratgeber raten: nicht in die Opferrolle drängen lassen. (Foto: Foto: iStockphoto)

Alles nur Satire? Keineswegs, wenn es nach Robert I. Sutton geht. Wahrscheinlich würde der Professor für Management Science an der Stanford University über Stromberg nur müde lächeln. Sutton beschäftigt sich mit härteren Fällen von Bösartigkeit: ,,Der Arschloch-Faktor - vom geschickten Umgang mit Aufschneidern, Intriganten und Despoten'' (Hanser-Verlag) heißt seine Polemik, die in den USA noch vor dem offiziellen Erscheinungstermin am 1. Februar die Bestsellerlisten eroberte.

Hilfe in der brutalen Arbeitswelt

Der Autor liegt im Trend. Immer mehr Ratgeberwerke bieten gestressten Angestellten Hilfe an; sie schildern eine zunehmend brutalere Arbeitswelt. ,,Innere Kündigung. Wenn der Job zur Fassade wird'', ,,Was für ein Affentheater - wie tierische Verhaltensweisen unseren Büroalltag bestimmen'' oder ,,Der Feind in meinem Büro'' heißen die neuesten Erzeugnisse dieses Genres.

Was Suttons Buch aus der Masse der Publikationen heraushebt, ist die drastische Wortwahl. Der Titel klingt wie ein Befreiungsschrei für unterdrückte Angestellte, die nur innerlich fluchend vor sich hinleiden. Im Internet hat sich der Autor bereits eine Fangemeinde erschrieben: Regelmäßig bekommt er neue Fallbeispiele von Menschen geliefert, die von psychischen Misshandlungen am Arbeitsplatz berichten - das Modewort Mobbing verwendet Sutton eher ungerne.

Warum gibt es so viele Arschlöcher und wie wehrt man sich gegen sie? Die meisten Arschlöcher, so der Autor, bedienen sich konventioneller Strategien. Persönliche Beleidigungen, die Verletzung der Intimsphäre, sarkastische Witze und Hänseleien im Kollegenkreis, Angriffe auf den Status des Opfers - alles typische Verhaltensweisen von Leuten, die rücksichtslos nach oben streben und nach unten treten.

Subtile Formen

Doch das Arsenal der Arschlöcher ist groß. Manche konzentrieren sich lieber auf subtile Formen: kleine, tägliche Sticheleien und Kränkungen, die das Arbeiten zur Qual machen. Was ist beispielsweise, wenn der Chef einen ständig rüde unterbricht oder anstarrt? Wenn ein Kollege herabsetzende E-Mails verschickt oder sein Gegenüber wie Luft behandelt? All das deutet darauf hin, es mit einem Stromberg der schlimmeren Sorte zu tun zu haben.

Wobei Sutton betont, dass jeder mal einen schlechten Tag haben kann und Anstandsregeln verletzt. Nur ein ,,amtliches Arschloch'' - so die etwas ungeschickte deutsche Übersetzung - verhält sich regelmäßig so fies wie Meryl Streep im Film ,,Der Teufel trägt Prada'' oder Dieter Bohlen, wenn er angehende Superstars niedermacht. Abschreckende Beispiele aus dem richtigen Leben gibt es genug: Hollywood-Produzent Scott Rudin schaffte das Kunststück, in nur sechs Jahren angeblich 250 persönliche Assistenten zu verschleißen.

Arschlöcher können sich nur verbreiten, lehrt Sutton, wenn sie im Unternehmen geduldet werden. Was im Umkehrschluss heißt: Gegen Tyrannen und Intriganten kann man sich wehren. Etwa indem man Netzwerke mit gleichgesinnten Kollegen bildet, in Konfliktfällen emotionale Distanz entwickelt, gelegentlich auf Tauchstation geht und lernt, sich nicht in die Opferrolle drängen zu lassen. ,,Effektives Arschlochmanagement'' nennt der Professor eine Unternehmenskultur, die respektlose Verhaltensweisen und Erniedrigungen aus betriebswirtschaftlichen Gründen nicht toleriert - Kündigung von frustrierten Fachkräften sind meist teurer als Konfliktlösungen.

Beruflicher Erfolg rechtfertigt schlechte Manieren

Andererseits kommt der Autor zur Erkenntnis, dass es durchaus Vorzüge haben kann, sich wie ein Arschloch zu verhalten. Manager wie Steve Jobs (Apple) oder Michael Eisner (früher Disney) sind in ihren Branchen für ihr schlechtes Benehmen berüchtigt. Ihr beruflicher Erfolg zeige, ,,wie man sich durch den strategischen Einsatz von gehässigen Blicken, Herabsetzungen und Mobbing Macht erwerben und ausbauen kann''.

All das sind keine neuen Erkenntnisse, aber sie verschaffen dem Leser die Befriedigung, dass auch andere leiden und dürften daher auf eine interessierte Öffentlichkeit stoßen. Bereits vor vier Jahren veröffentlichte die Münchnerin Margit Schönberger ein Buch, das mit einem ähnlichen Titel Erfolg hatte: ,,Mein Chef ist ein Arschloch, Ihrer auch?'' Die ehemalige Leiterin der Presseabteilung der Bertelsmann-Verlage landete einen Bestseller. Doch sie wehrt sich gegen allzu schlichte Botschaften.

,,Schlechte Chefs sind meist Menschen, die Angst haben. Ihnen fehlt die innere Souveränität'', glaubt Schönberger, die gerade ihr drittes Büro-Buch verfasst hat. Die Autorin warnt auch davor, die Fehler nur bei den anderen zu sehen: ,,Frustrierte Mitarbeiter machen meist keine Analyse ihres Arbeitsplatzes, sondern eine Checkliste der Schmerzen. Die gehen abends nach Hause und erzählen ihren Partnern Schreckensgeschichten über Chefs und Kollegen, bei denen sie selbst immer gut dastehen.''

Womit man wieder bei Stromberg ist, der sich selbst für absolut fehlerfrei hält und an das Recht des Stärkeren glaubt. ,,Der größte Affe kriegt die geilste Schnalle'' - solche Sätze aus dem Menschenzoo kommen ihm leicht über die Lippen. Die Arschlöcher, das sind immer die anderen.

© SZ vom 5.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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