Persönlichkeitstest für Bewerber:Der Ehrliche gewinnt

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Fauler Fiesling, potenzieller Langfinger oder fleißiges Lieschen: Ein Eignungstest outet Bewerber.

Nicola Holzapfel

Auf dem Büroflur liegt ein 100-Euro-Schein. Wird ihn der Finder heimlich einstecken oder bei der Sekretärin abliefern? Jens Hoffmann würde wohl eine Prognose wagen - vorausgesetzt, der Finder hätte seinen Persönlichkeitstest absolviert. Hoffmann ist Psychologe an der TU Darmstadt. Gemeinsam mit Wissenschaftlern von der Uni Regensburg hat er ein Verfahren entwickelt, das die Integrität von Bewerbern misst.

Kann man erkennen, ob ein Mitarbeiter seinen Arbeitgeber betrügen wird? Psychologen sind sich sicher: Ja, man kann. (Foto: Foto: iStockphoto.com)

Dafür müssen Jobsucher 45 Minuten lang einen Online-Fragebogen ausfüllen. In 161 Punkten wird dann ihre Persönlichkeit abgeklopft. Dafür werden Aussagen vorgegeben, zum Beispiel: "Wenn ich will, kann ich meine Ängste und Sorgen einfach aus dem Kopf verbannen." Der Teilnehmer muss dann auf einer vierstufigen Skala angeben, wie sehr er dieser Aussage zustimmt.

14 verschiedene Persönlichkeitsfaktoren von der Kooperationsbereitschaft bis zur emotionalen Stabilität werden auf diese Weise abgefragt. Am Ende steht fest, ob der Teilnehmer vertrauenswürdig ist - oder nicht. Hoffmann sagt, dass es in den meisten Fällen jedoch kein Entweder-oder gebe. Vielmehr gebe es sehr viele Zwischenstufen. So spielt etwa die Gewissenhaftigkeit für Integrität eine Rolle. Doch wer zu gewissenhaft ist, ist möglicherweise ein Pedant - und damit auch nicht der rechte Kandidat. Außerdem sind Arbeitgebern nicht für jede Position die selben Eigenschaften wichtig. Als Buchhalter wünscht sich der Personalverantwortliche sicher einen sehr gewissenhaften Menschen, kreative Werbeleute sollen dafür anderswo stark sein.

Allerdings kommen einige Teilnehmer tatsächlich so schlecht weg, dass die Psychologen von einer Einstellung abraten würden. Damit miese Charaktere den Test nicht austricksen können, wurde sogar eine Art Lügendetektor eingebaut. Der Test "erkennt", wenn sich ein Teilnehmer zu gut bewerten will. Außerdem verraten sich nicht integre Personen offenbar selbst: "Sie glauben, dass ihre Verhaltsweise normal ist", sagt Hoffmann.

90 Unternehmen verschiedener Größen und Branchen setzen den Test bereits ein. Die Psychologen vermarkten das Verfahren mit dem Fokus auf mögliches schädigendes Verhalten gegenüber dem Arbeitgeber. Aber Hoffmann zufolge kann der Test nicht nur voraussagen, ob jemand mal klaut oder auf Unternehmenskosten krankfeiert. Sogar wie sich jemand im Team verhält, ob er fair ist oder später mal Mobbing betreibt, lässt sich aus dem Ergebnis ablesen. Es gibt offenbar Menschen, die aus Arbeitgebersicht grundsätzlich problematisch sind. "Jemand der betrügt, mobbt auch eher", sagt Hoffmann. "Wir waren überrascht, wie sehr das alles zusammenhängt."

Sogar den Berufserfolg soll der Test prognostizieren können. Ehrliche leisten offenbar mehr. "Man kann davon ausgehen, dass auch ihr Arbeitsergebnis gut sein wird. Integre Mitarbeiter sind diejenigen, die Verantwortung übernehmen und sich engagieren", sagt Hofmann.

Den Umkehrschluss, dass also alle Führungskräfte integer seien, will der Psychologe aber so nicht stehen lassen. Es könnte schließlich auch sein, dass jemand mit manipulativen Strategien sehr weit kommt. Dann ist er zwar erfolgreich, aber möglicherweise eine Gefahr für den Arbeitgeber. Denn fehlt die Integrität in hohen Positionen, kann unehrliches Verhalten das Unternehmen hart treffen wie Management-Skandale in regelmäßigen Abständen zeigen.

Mancher Arbeitgeber ist sich dieser Gefahr offenbar sehr bewusst. Das Team um Jens Hoffmann erhält häufig Anfragen, ob der Bewerber-Test nicht auch auf angestellte Mitarbeiter übertragen werden kann. Der Psychologe hält davon aber nichts: "Das käme ja einem Generalverdacht gegen Mitarbeiter gleich".

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