Online-Managerstudium:Geglückte Experimente

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Die Corona-Krise dürfte dem Online-MBA auch langfristig einen höheren Stellenwert verschaffen. Aber das Ende der Präsenzlehre ist noch nicht in Sicht.

Von Christine Demmer

Viele renommierte Business Schools haben ihre Zurückhaltung gegenüber E-Learning aufgegeben. Derzeit ist noch offen, welche Rolle der Präsenzunterricht künftig bei der Managerausbildung spielen wird. (Foto: imago images/Panthermedia)

Weltweit gibt es viele Angebote, einen Master of Business Administration (MBA) in einem Online-Lehrgang zu erwerben. Bis zur Corona-Pandemie haben sich die anerkanntesten Business Schools weitgehend davon ferngehalten. Doch nun scheint der Knoten geplatzt zu sein. Für das jetzt beginnende Wintersemester hat die WHU - Otto Beisheim School of Management, im Global MBA Ranking der Financial Times die Nummer eins in Deutschland, ein Online-MBA-Programm angekündigt. Es richtet sich an Studierende aus aller Welt und kann wahlweise in 18 oder in 36 Monaten abgeschlossen werden.

Die Konzeption des virtuellen MBA-Programms ist ohne Zweifel von dem Lockdown beflügelt worden, der in den ersten Monaten des Jahres den klassischen Präsenzunterricht nicht nur in Deutschland zum Erliegen gebracht hat. Doch das ist es nicht allein: Der neue Online-Studiengang sei ein Ausdruck der internationalen Ausrichtung der Wirtschaftshochschule, versichert Professor Markus Rudolf. "Wir reagieren damit auf eine neue Nachfragesituation, die sicherlich durch die aktuelle Krise noch verstärkt wurde", sagt der Rektor der WHU. "Für uns ist der "Global Online MBA" der nächste Schritt in Richtung Zukunft", sagt er. "Wir haben durch die Corona-Krise in Sachen Digitalisierung einen großen Sprung vorwärts gemacht. Und wir haben gesehen, dass es international ein großes Interesse an unseren Online-Angeboten gibt."

Hybride Lern-Formen bringen den Vorteil, dass die Teilnehmer persönlichen Kontakt haben

Das Online-Programm soll sich eng am bestehenden MBA-Programm orientieren und dank moderner Technologie viele Möglichkeiten der Interaktion und des persönlichen Austauschs bieten. Wenngleich zwischen Hochschule und Studienteilnehmern Ozeane liegen können, verspricht die WHU eine individuelle Betreuung. Nicht aber, dass bei großem wirtschaftlichen Erfolg des Online-MBA der klassische Präsenz-Studiengang parallel dazu langfristig erhalten bleibt.

An der HHL Leipzig Graduate School of Management wartet man mit solch schwerwiegenden Entscheidungen noch ab. "Der nächste MBA-Jahrgang startet regulär in diesem Monat, erklärt HHL-Sprecherin Eva Echterhoff. "Damit können alle Studierenden ab dem ersten Tag Netzwerke aufbauen und die Angebote der HHL nutzen." Da aber noch nicht gänzlich klar sei, ob im Laufe der kommenden Monate internationale Reisetätigkeiten wieder uneingeschränkt möglich sein werden, setzt die Präsenzlehre am Campus erst im kommenden Januar ein. "Im Herbst können die Studenten bereits Online-Sprachkurse belegen und Gasthörer in ausgewählten Kursen anderer Programme sein", sagt Echterhoff. Auch die Master-Programme "General Management" und "Finance" beginnen wie üblich im September. "Wir wollen die Kurse teilweise in Form von Präsenzlehre auf unserem Campus anbieten und haben daher alle Kurse für den Herbst in hybriden Formaten, also als Kombination von Online- und Präsenzlehre, entwickelt. Sollten es jedoch sich verschärfende Sicherheitsbestimmungen erfordern, sind wir auch vorbereitet, die Programme vollständig als Online-Kurse zu starten."

Auch die Mannheim Business School hat den Lockdown mit Lernangeboten über das Internet überbrückt. Im Herbst allerdings werde man nach und nach vom reinen Online-Unterricht abgehen und über hybride Formen zur Präsenz-Lehre im Klassenraum zurückkehren. Bereits den Unterricht von Angesicht zu Angesicht wiederaufgenommen hat die ESMT in Berlin. Da deren neues MBA-Programm erst im Januar 2021 startet, geht die Schule davon aus, dass es in der bisher üblichen Form stattfinden kann.

Doch aufhalten lässt sich die Entwicklung nicht: Corona hat den Trend zum Online-Studium bei den auf Wirtschaft spezialisierten Hochschulen erheblich verstärkt. Frank Ziegele, Geschäftsführer des CHE Centrums für Hochschulentwicklung in Gütersloh, versichert, dass die Hochschulen technisch inzwischen gut aufgestellt seien, sowohl mit Hardware als auch mit virtuellen Lernplattformen. Den Schwarzen Peter schiebt er der Politik zu: "Woran es in Deutschland hapert, ist das schnelle Internet." Die Bundesregierung verspreche das seit mehr als zehn Jahren. "Sie hat ihr Versprechen aber bis heute nicht flächendeckend eingelöst."

Was den privaten Business Schools mit angestrebt großer internationaler Teilnehmerschaft egal sein kann. Studierende etwa aus China, Ägypten oder Chile müssen bei sich zu Hause für eine schnelle Internetverbindung sorgen. Je besser das am jeweiligen Ort klappt, desto leichter wird es den Business Schools gelingen, mehr Online-MBA-Programme abzusetzen. Dafür sprechen höhere zeitliche Flexibilität, verringerter Reiseaufwand, dagegen eigentlich nur der bisher stets betonte Karrierevorteil dank der persönlichen Bekanntschaft mit Professoren und Mitstudierenden.

"Man muss abwarten, wie sich das entwickelt", sagt MBA-Kenner und Hochschulberater Detlev Kran aus Brühl. "Mittlerweile haben alle Business Schools auf die ganze Breite der möglichen Unterrichtsformate umgestellt: unterrichtet wird in der Klasse, am Rechner und im Blended Learning abwechselnd auf beiden Wegen." Aber bleibt ohne den persönlichen Austausch mit den Dozenten und den anderen Studierenden nicht das schlagende Verkaufsargument des MBA-Studiums auf der Strecke? "Kaum", sagt Kran. Viele Dozenten böten heutzutage bereits virtuelle Sprechstunden an, in denen sie Fragen beantworten. Und die Studierenden unter sich können feste Zeiten für Chats verabreden. "In Vollzeit-MBA-Programmen haben wir 25-Jährige, in Teilzeit- und Executive-MBA-Programmen im Durchschnitt 35-Jährige", sagt Kran. Der Hochschulberater ruft die Teilnehmer zur Selbstverantwortung auf: "Liebe Leute, ihr seid mündige Bürger und habt so viele Möglichkeiten, über soziale Medien zu kommunizieren: Trefft Euch auf der Community-Seite der Hochschule und vernetzt euch da."

Freilich scheinen die meisten Studierenden noch an der persönlichen Wissensvermittlung durch die Professoren zu hängen - zumal sie Tausende Euro in ihr Studium an einer Spitzen-Business-School investiert haben und dafür nicht nur vor dem Bildschirm sitzen wollen. Reine Online-Programme, die mit dem klangvollen Titel MBA werben, wie zum Beispiel das auch in Deutschland agierende spanische Unternehmen The Power MBA sind schon für 850 US-Dollar zu haben. Doch das, was sie anbieten, sind eher Bildungshäppchen.

Bleibt die Frage offen: Wird nach dem Abklingen der Pandemie wieder verstärkt per Präsenzunterricht weitergelernt? "Tendenziell nein", meint Detlev Kran. Letztlich hänge das aber von den Business Schools und deren Dozenten ab: Manche fänden Online-Vorlesungen grauenhaft, andere fänden sie großartig. Woraus er den Schluss zieht: "Die Studierenden werden noch für lange Zeit die Wahl haben."

© SZ vom 18.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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