Neues Gesetz:Nicht für alle gut

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Seit Januar gelten neue Regeln für die Ausbildung zur Pflegefachkraft. Der generalistische Ansatz gefällt nicht allen.

Von Joachim Göres

Die Pflegeausbildung in Deutschland ändert sich grundsätzlich. Bislang durchliefen Altenpfleger, Krankenpfleger und Kinderkrankenpfleger jeweils eine eigenständige Ausbildung. Seit Anfang 2020 gilt das neue Pflegeberufegesetz. Dort ist festgelegt, dass angehende Pflegekräfte, die in diesem Jahr mit ihrer Ausbildung beginnen, die ersten beiden Jahre gemeinsam die sogenannte generalistische Pflegeausbildung absolvieren. Danach können sie entscheiden, ob sie im dritten Jahr die generalistische Ausbildung zum Pflegefachmann, zur Pflegefachfrau fortsetzen wollen. Alternativ ist die Spezialisierung als Altenpflegerin oder Altenpfleger oder als Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin möglich.

Auszubildende schließen einen Vertrag mit einem Krankenhaus, einem Pflegeheim oder einem ambulanten Pflegedienst ab. Der theoretische und praktische Unterricht findet an einer Pflegeschule statt und hat einen Umfang von 2100 Stunden. Teile der praktischen Ausbildung, die insgesamt 2500 Stunden umfasst, werden in anderen Einrichtungen als dem Ausbildungsbetrieb durchgeführt, damit Azubis alle Bereiche der Pflege kennenlernen. Dazu gehören Pflichteinsätze in der stationären Akutpflege im Krankenhaus, in der stationären Langzeitpflege im Pflegeheim, in der ambulanten Pflege sowie in der pädiatrischen und psychiatrischen Versorgung. Zusätzlich sind auch Stationen in Hospizen und Beratungsstellen möglich.

Bei der neuen Ausbildung muss man sich erst im dritten Jahr auf eine Fachrichtung festlegen

Mittlerweile haben sich viele Ausbildungsverbünde gegründet, damit sie die Ausbildung besser koordinieren können. So besteht zum Beispiel in der Region Bremen der Weser Bildungsverbund Gesundheit und Pflege, zu dem sich drei Krankenhäuser, 23 praktische Ausbildungsträger sowie mehrere Bildungsinstitutionen zusammengeschlossen haben. Zusammen zählen sie circa 1000 Auszubildende. Die Hoffnung: Durch die zentrale Übernahme bestimmter Aufgaben wie Einsatzplanung, qualitätsgesicherte Praxisanleitung und abgestimmte Schulcurricula werden kleinere Heime, denen das bislang zu aufwendig war, künftig vermehrt ausbilden.

Befürworter weisen auf die Vorteile der Ausbildungsreform hin: Junge Leute müssen sich nun nicht schon am Anfang auf ein Fachgebiet festlegen, die generalistische Ausbildung ist zudem EU-weit anerkannt. Die neue Ausbildung vermittle Kompetenzen, die für die Pflege von Menschen allgemein notwendig seien, und entspreche so besser dem Berufsalltag, in dem sich viele pflegerische Tätigkeitsfelder überschneiden. Außerdem habe eine vom Bundesgesundheitsministerium eingesetzte Fachkommission erstmals bundesweit einheitliche Rahmenlehrpläne für die berufliche Pflegeausbildung erarbeitet - dabei handelt es sich allerdings nur um Empfehlungen für die Länder. Diese sind für die Lehr- und Ausbildungspläne zuständig. Das bisher an privaten Pflegeschulen übliche Schulgeld wurde abgeschafft.

Doch es gibt auch Kritiker der Reform. "Mit dem neuen Gesetz sollte die Altenpflege gestärkt werden. Für die Kinderkrankenpflege entstehen dagegen deutliche Nachteile", sagt Björn-Oliver Bönsch, für die Öffentlichkeitsarbeit im Kinder- und Jugendkrankenhaus Auf der Bult in Hannover zuständig. Es ist das größte selbständige Kinderkrankenhaus in Deutschland. Wie in vielen auf Kinder spezialisierten Kliniken fehlen auch dieser Klinik qualifizierte Kräfte. Die Reform mache die Suche nicht einfacher. "Bisher hatten wir drei Jahre Zeit, die Auszubildenden mit den besonderen Anforderungen eines Kinderkrankenhauses vertraut zu machen. Jetzt bleibt dafür nur noch ein Jahr. Es wird sehr, sehr schwer, den ganzen Inhalt in dieser kurzen Zeit zu vermitteln. Es ist noch nicht absehbar, ob und wie das klappt", führt Bönsch aus. Wenigstens habe es bei den Bewerberzahlen auf die jährlich 35 Ausbildungsplätze keinen Einbruch gegeben.

Heidemarie Rotschopf, Pflegeexpertin beim Diakonischen Werk Rheinland-Westfalen-Lippe, bezweifelt, dass die Reform zu mehr Bewerbern führen wird: "Ich höre derzeit häufiger, dass die Anmeldungen bei den Pflegeschulen zum Starttermin April bisher unter den Zahlen vom Vorjahr liegen. Wir können zufrieden sein, wenn wir angesichts von immer mehr Studierenden unsere Ausbildungszahlen halten." Durch die Vermittlung von mehr Grundlagenwissen werde die Ausbildung anspruchsvoller - aus ihrer Sicht ein notwendiger Schritt, um auf die gestiegenen Anforderungen im Beruf vorzubereiten. Damit es dabei nicht zu vermehrten Abbrüchen komme, sei eine gute Anleitung während der Ausbildung wichtig. Genau das scheint aber zumindest in Nordrhein-Westfalen - das Bundesland mit den meisten Auszubildenden in der Pflege - nicht gewährleistet zu sein: Dort wurde der Lehrer-Schülerschlüssel in den Pflegeschulen von 1:20 auf 1:25 hochgesetzt.

Neben der neuen beruflichen Pflegeausbildung, für die entweder ein mittlerer Schulabschluss ohne Berufsausbildung oder ein Hauptschulabschluss plus Berufsausbildung Voraussetzung ist, gibt es künftig das berufsqualifizierende Bachelor-Pflegestudium. Es dauert mindestens drei Jahre und vermittelt neueste pflegewissenschaftliche Erkenntnisse sowie die Umsetzung in die Praxis. Zum Studium gehören Praxiseinsätze von mehr als 2100 Stunden in der ambulanten und stationären Akut- und Langzeitpflege. Die Abschlussprüfung schließt die staatliche Prüfung zur Pflegefachfrau oder zum Pflegefachmann ein. Diese Berufsbezeichnung führt man in Verbindung mit dem Bachelor-Titel. Eine abgeschlossene Pflegeausbildung kann das Studium um die Hälfte verkürzen.

Nähere Informationen finden sich im Internet unter www.pflegeausbildung.net.

© SZ vom 14.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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