Musik:Kleine Fische

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Das Musikgeschäft kriselt, doch eine Popakademie lebt.

Von Uli Schüler

Im Aquarium der Lounge im sechsten Stock bei Universal-Records in Berlin blubbert es munter. Doch irgendwie ist seit dem Weggang von Firmenchef Tim Renner die Stimmung lethargisch. Jetzt werden Probleme nicht mehr an der Hausbar gelöst, so wie bei Renner, sondern auf dem Rechenzettel - Nachfolger Jorgen Larsen arbeitet jetzt gegen harte Widerstände. Noch zu Renners Zeiten hat sich Universal zu einem Stipendium für Studenten der Popakademie Mannheim verpflichtet, deren Mit-Gesellschafter der Musikkonzern ist. Nun hat der Eröffnungsjahrgang des Studienganges "Musikbusiness" an der Popakademie das erste Semester hinter sich und es wird Zeit für 26 Studenten, die Dozenten und die Medienpartner, Bilanz zu ziehen.

Lars Jacob, Abteilung Human Resources bei Universal, betreut die Studenten aus Mannheim: "Wir haben zehn Stipendiumsplätze vorgesehen, davon waren sechs zu Beginn des Semesters vergeben, bei den anderen behalten wir uns eine Vergabe noch vor." Ob so viele neue Spitzenkräfte in einer von Entlassungen gegeißelten Branche benötigt werden? "Musik wird immer konsumiert und noch sind die Studenten ja nicht fertig", kontert Jacob und es klingt fast trotzig.

Neben Finanz-Zuwendungen ist der eigentliche Anreiz für ein Stipendium die Eingliederung der Studenten in das Tagesgeschäft der Musikfirma während der Semesterferien, ein in dieser Form in Deutschland einmaliges Projekt. Trotz Flaute in der Branche setzt Universal auf viel Nachwuchsförderung; schließlich bewegt sich Deutschlands zweitgrößter Musikkonzern auf einen Umbruch zu - und da sollte man personell auf alles zumindest vorbereitet sein. "Universal Music ist jetzt schon nicht mehr das, was es einmal war. Und es wird schon bald nicht mehr das sein, was es jetzt ist", verbreitet der Musik-Gigant auf seiner Homepage.

Nico Meckelnburg ist einer von sechs Universal-Stipendiaten des "Musikbusiness"-Studienganges. "Da waren doch mal mehr Fische drin", wundert sich der 22-Jährige über das Aquarium in der Lounge: "Vielleicht sollten wir einfach selber welche reinsetzen." Was aber will er beruflich in dieser notleidenden Branche erreichen? "Dasselbe: Neue Fische in das Aquarium werfen. Ich gründe gerade meinen eigenen Musikverlag - yours truly publishing. Wir müssen für uns den Musikmarkt neu erschaffen und können nicht auf Jobangebote warten. Auch nicht, wenn wir von der Popakademie kommen."

Die Goldgräber-Stimmung unter den Studenten wird besonders vom Land Baden-Württemberg unterstützt, einem weiteren Gesellschafter der Popakademie. Das Ziel: Die Existenzgründer sollen nicht abwandern, sondern nach dem Abschluss mit ihren Firmen in der Nähe des selbst ernannten Musikindustrie-Standortes Mannheim bleiben. So öffnet das Stichwort "Popakademie" die Türen in Baden-Württemberg, etwa zu einem kostengünstigen Büro in dem neukonzipierten Musikpark Mannheim; hier zieht auch Xavier Naidoo, Projektpartner der Popakademie, mit seinen Studios ein.

Durchfallquote von 30 Prozent

Im Unterricht der Hochschule sind die Dozenten dafür verantwortlich, dass den Jungunternehmern und zukünftigen Plattenbossen das nötige Handwerk eingetrichtert wird - mit wechselndem Erfolg. "In der ersten Klausur hatten wir eine Durchfallquote von 30 Prozent", erklärt Martin Kaiser, Fachbereichsleiter für Business- und Legal Affairs. "Die Studenten waren wohl etwas überrascht von der Dichte des Stoffes", konstatiert er. Doch dieses Handwerk zu erlernen sei unerlässlich für "unkonventionelles Arbeiten, das dann zum Erfolg führt." Das Vorbild: Tim Renner. Der ging jetzt nach seinem Rauswurf bei Universal erst einmal auf die große Weltreise.

Den Studenten der Akademie eilt ein guter Ruf voraus. So wurden mehr Praktikumsstellen angeboten, als überhaupt Studenten existieren. Verspricht sich die Branche kleine Wunder von der Ausbildungsstätte? Tatsächlich ist an dieser Akademie einiges anders. So wurden zwei Studenten, die es versäumten, die Semestergebühr von 500 Euro zu zahlen, vom Leiter der künstlerischen Abteilung, Professor Udo Dahmen, persönlich aus dem Urlaub zurück nach Mannheim geordert. Die mit Dahmen befreundete Fernsehschauspielerin Rebecca Immanuel (Edel&Starck, Sat 1) saß just zu dem Zeitpunkt in seinem Büro und bezahlte kurzentschlossen die Studiengebühren der beiden - das war wirklich edel und stark.

© SZ vom 10.3.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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