Mobbing am Arbeitsplatz:Wege aus dem Psychoterror

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Es ist nicht einfach, den Teufelskreis Mobbing aus eigener Kraft zu durchbrechen. An wen sich Betroffene wenden können, wann Kollegen helfen sollten - und wie Chefs Verantwortung zeigen. Ein Ratgeber.

Was Betriebe tun können

Es ist kein Zufall, dass Mobbing mit der Einführung neuer Technologien und neuer Arbeitsformen zusammenfällt. Neues birgt Chancen und Risiken. In vielen Betrieben ist die Arbeit interessanter geworden, die Entscheidungsspielräume sind gestiegen. Zugleich ist die Verantwortung der Mitarbeiter gewachsen, Termin- und Zeitdruck haben zugenommen, und die Arbeit ist durch Leistungsverdichtung intensiver geworden.

Parallel zum technischen Wandel muss sich aber die Organisation mitentwickeln. Unternehmen, die ihre Beschäftigten auf diesem Weg nicht "mitnehmen", bleiben auf der Strecke. Grundsätzlich gilt: Mobbing "passiert" nicht einfach so, sondern wird verursacht. Dort, wo der Personalentwicklung wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird, wo die Arbeit schlecht organisiert ist, wo Betriebs- und Arbeitsklima schlecht sind, kann Mobbing gut gedeihen.

Deshalb kommt der Prävention große Bedeutung zu. Schulungen und Aufklärung mit Faltblättern und Broschüren sowie die Einrichtung von Mobbing-Arbeitskreisen und eines offiziellen Beschwerdesystems sind neben der Schaffung eines guten Betriebsklimas die besten Mittel gegen Mobbing. Sinnvoll ist auch, einen Mobbing-Beauftragten zu bestellen, der speziell qualifiziert ist.

Wie sich Betroffene wehren

Es ist nicht einfach, den Teufelskreis Mobbing aus eigener Kraft zu durchbrechen. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen: In mehr als vier von fünf Mobbing-Fällen scheitern diese Versuche.

Kein Wunder. Schließlich gehört es zum Wesen des Mobbings, dass Opfer kaum eine Chance zur Gegenwehr haben. Schikanen werden kleingeredet oder der überspannten Phantasie des Opfers zugeschrieben.

Betroffene sollten sich Verbündete im Unternehmen suchen. Das können nichtmobbende Kollegen sein oder der Chef. Es ist sinnvoll, Zeugen für bestimmte Vorgänge zu haben oder eigene schriftliche Aufzeichnungen vorlegen zu können. Denn es ist möglich, dass der eigene Fall eines Tages vor Gericht landet. Dort, wo es sie gibt, sollten Betriebsärzte und Psychologen ins Vertrauen gezogen werden.

Der Vorgesetzte kommt natürlich als einer der ersten Ansprechpartner in Sachen Mobbing infrage. Handelt es sich jedoch beim Chef und beim Mobber um ein und dieselbe Person, sollte die Geschäftsführung oder die Personalleitung darüber informiert werden. Denn Vorgesetzte sollen motivieren statt schikanieren, schlichten statt spalten, entscheiden statt entzweien. Beim Gespräch mit der Geschäftsführung kann man den Betriebs- oder Personalrat hinzuziehen.

Jeder Mobber ist so stark, wie es die Kollegen zulassen. Wer die Sache an sich vorbeilaufen lässt, ist vielleicht unbeteiligt, aber keineswegs unschuldig. Zumal es beim nächsten Mal auch einen selbst treffen kann. Wer als Kollegin oder Kollege mitbekommt, dass jemand gemobbt wird, sollte schnell aktiv werden und eingreifen.

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Das kann bedeuten, dass man den Täter oder die Täterin direkt zur Rede stellt. Das kann aber auch bedeuten, dass man das Opfer direkt unterstützt, also Gesprächsangebote macht oder Betroffene bei Klärungsgesprächen begleitet. Wichtig ist, die Intrigen nicht zu unterstützen, sondern Partei für das Opfer zu ergreifen und es über den Tratsch zu informieren.

Außerdem sollten Mitläufer angesprochen und sensibilisiert werden. Denn vielleicht scheint einigen anfangs Unbeteiligten das Mobbing sogar gerechtfertigt. Dann sollte man mit dem Opfer die Angelegenheit analysieren und bereden.

Kollegen sollten auf jeden Fall den Mut haben, beim alltäglichen "Herziehen" über einen bestimmten Kollegen eine andere als die Mehrheitsmeinung zu vertreten. Denn es kann ja sein, dass die Sache für einige auch Unterhaltungswert besitzt: Wann wird man Zeuge eines echten Alltagsdramas mit Tränen und Nervenzusammenbruch? Kollegen sollten das verhindern!

Wie Vorgesetzte Verantwortung zeigen

Obwohl Mobbing in den Betrieben tagtäglich stattfindet, neigen Führungskräfte dazu, dies zu verdrängen. Sinnvoll ist das nicht, da es den konstruktiven Umgang mit dem auch wirtschaftlich relevanten Thema behindert. Tabuisieren und ignorieren und das sich daraus ergebende Nichtstun sind problematisch.

Ein Vorgesetzter hat nicht deshalb versagt, weil es in seinem Verantwortungsbereich einen Mobbing-Fall gibt. Sondern er hat dann versagt, wenn er ihn nicht zur Kenntnis nehmen will.

Vorgesetzte sollten sich ihrer Vorbildfunktion bewusst sein und sich entsprechend verhalten. Sie sollten deutlich machen, dass sie Mobbing keinesfalls als geeignetes Mittel zur Konfliktlösung akzeptieren. Abteilungsrundschreiben, Bürobesprechungen und Mitarbeitergespräche, in denen das Thema Mobbing gezielt aufgegriffen und angesprochen wird, können hilfreich sein. Ein solcher offensiver Umgang hat abschreckende Wirkung auf potenzielle Mobber.

Im konkreten Mobbing-Fall wird der Vorgesetzte schlichten müssen. Bei klarer Beweislage heißt das: eindeutig Position beziehen, die Mobbing-Handlungen aufzeigen, von der mobbenden Person unmissverständlich eine Änderung des Verhaltens fordern, Sanktionen androhen und diese gegebenenfalls verhängen.

Betriebsräte können dazu beitragen, dass Mobbing im Unternehmen nicht entsteht. Sie können etwa bei der Planung von Arbeitsplätzen und Arbeitsabläufen mitwirken, um Spannungsquellen, die zu Mobbing führen können, schon in der Planungsphase zu verhindern. Außerdem kann der Betriebsrat in vielen Bereichen zur Mobbing-Prävention beitragen.

Dazu gehören etwa alle Fragen, die die Ordnung des Betriebes und das Verhalten der Arbeitnehmer betreffen. Er kann auch bei der Gestaltung von Dienst- und Schichtplänen mitwirken, da Schichtpläne zu Spannungen in der Belegschaft führen können, etwa wenn Wünsche der Beschäftigten ständig missachtet werden.

Wenn der Betriebsrat von Mobbing erfährt, muss er mit dem Betroffenen zunächst die Situation analysieren und eine vorschnelle Parteinahme vermeiden. Worum geht der Streit? Wie ist der Verlauf des Konflikts? Welche Parteien sind beteiligt? Welche Grundeinstellung zum Konflikt haben die Parteien? Wird der Konflikt für lösbar gehalten? Was wird von einer Lösung erwartet? Droht der Konflikt sich auszuweiten?

Bei einem eindeutigen Mobbing-Fall kann sich der Betriebsrat als Vermittler anbieten. Bei einer eindeutigen Beweislage sollte er Sanktionen gegen den Mobber einfordern.

Was Justitia zu alledem sagt

Grundgesetz und Betriebsverfassungsgesetz geben die Leitlinie vor: Der Arbeitgeber muss Mobbing unterbinden. Für Mobbing-Opfer gibt es viele rechtliche Möglichkeiten. Zunächst sollte man sich bei den zuständigen betrieblichen Stellen beschweren. Denn die Beschwerde muss vom Arbeitgeber entgegengenommen und geprüft werden. Dann muss er Stellung nehmen und für Abhilfe sorgen, wenn die Beschwerde begründet ist. Auch der Betriebsrat kann beim Arbeitgeber auf Abhilfe hinwirken und gegebenenfalls die Einigungsstelle anrufen.

Mobbing kann teuer werden, da die Betroffenen Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend machen können. Mobbing ist strafrechtlich häufig kein Kavaliersdelikt, wenn Beleidigung, Nötigung oder Körperverletzung im Spiel sind. Wenn Mobbing als Benachteiligung nach dem Allgemeinen Gleichstellungsgesetz (AGG) identifiziert wird, muss der Arbeitgeber diese unterbinden.

Zusammengestellt von Sybille Haas

Quelle: Wenn aus Kollegen Feinde werden. Herausgegeben von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) und der Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA). Der Ratgeber ist erhältlich unter www.baua.de.

© SZ vom 10.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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