Mitbestimmung:Die richtige Einstellung

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Vom Chef hängt es ab, ob es in Unternehmen einen Betriebsrat gibt. Viele Geschäftsführer fürchten den Missbrauch der Mitbestimmung.

Sibylle Haas

München - Die verbreitete Annahme, dass mittelständische Arbeitgeber Betriebsräte nicht akzeptieren, ist falsch. Dies zumindest zeigen eine Befragung von 800 mittelständischen Unternehmen sowie weitere 50 Fallstudien des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn und des Büros für Sozialforschung (BfS) in Kassel. Die Institute befragten Firmen mit 20 bis knapp 500 Beschäftigten und veröffentlichten ihr Ergebnis im Mai 2007. Dabei kam heraus, dass in Mittelstandsfirmen ab 200 Beschäftigen Betriebsräte die Regel sind, während in kleinen Betrieben bis knapp 50 Mitarbeiter ein Interessenausgleich zwischen Belegschaft und Arbeitgeber oft noch ohne formelle Interessenvertretung möglich ist.

Doch nicht allein die Zahl der Beschäftigten beeinflusst den Grad der Mitbestimmung, fanden die Forscher heraus. "Einen wichtigen Einfluss hat auch die Einstellung des Geschäftsführers zu Betriebsräten", erklärt Nadine Schlömer, die für das IfM das Projekt betreut und die Ergebnisse ausgewertet hat. Unternehmen, deren Geschäftsführer oder Inhaber eine positive Einstellung zur Mitbestimmung haben, haben häufiger einen Betriebsrat als andere Firmen, zeigt die Befragung. Selbst Geschäftsführer, in deren Firmen es keine Betriebsräte gibt, haben im Durchschnitt eine eher neutrale und teilweise sogar positive Einstellung zur betrieblichen Mitbestimmung.

"Familienunternehmen sind am skeptischsten, was Betriebsräte betrifft", sagt Karsten Schneider, der in der Forschungsförderung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung für Mitbestimmungsthemen zuständig ist. Die Hans-Böckler-Stiftung hat die Studie von IfM und BfS finanziell gefördert. "Wenn die Firmen aber einen Betriebsrat haben, dann sind sie positiv überrascht, weil er einen sozialen Ausgleich bringen kann und die Firmenleitung nicht mit jedem Mitarbeiter einzeln verhandeln muss", erklärt Schneider.

Dies bestätigt auch eine Umfrage der auf Familienunternehmen spezialisierten Unternehmensberatung Weissman & Cie. in Nürnberg im Auftrag der Süddeutschen Zeitung. Danach geben mitbestimmte Betriebe der Zusammenarbeit mit ihrem Betriebsrat die Note 2,25. "Das ist ein guter Wert. Er zeigt, dass die Ängste vor einem Betriebsrat größer sind als die wirklichen Probleme", erklärt Mittelstandsexperte Arnold Weissman. Seine Beratungsgesellschaft hat 500 Geschäftsführer und geschäftsführende Gesellschafter mittelständischer Firmen mit einem durchschnittlichen Jahresumsatz von 20 bis 50 Millionen Euro und mehr als 100 Mitarbeitern befragt. Danach haben 42,6 Prozent der Befragten in ihrem Unternehmen einen Betriebsrat. Mehr als die Hälfte findet, dass sich dadurch die Zusammenarbeit mit den Beschäftigten und das Betriebsklima insgesamt verbessert haben.

Einigung am runden Tisch

Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) verweist dagegen auf andere Erfahrungen. Ärgerlich sei, dass betriebliche Belange zugunsten der tariflichen nicht ausreichend berücksichtigt würden, sagt BVMW-Justitiar Rüdiger Eisele. Wenn es zu Konflikten beispielsweise um übertarifliche Leistungen komme, hätten Familienunternehmer oft noch ein weiteres Problem: "Sie stecken im deutschen Arbeitsrecht nicht so tief drin und holen sich dann bei uns Hilfe", erklärt Eisele. Das sei mitunter ein Grund, warum Familienunternehmer Betriebsräte eher ablehnten.

Arnold Weissman nennt noch andere Gründe, die als Argumente gegen einen Betriebsrat genannt werden. Gut die Hälfte der von ihm befragten Geschäftsführer befüchtet, dass ein Betriebsrat sie in ihren Entscheidungen einschränken und Möglichkeiten der betrieblichen Mitbestimmung missbrauchen könnte. "Die Angst ist groß, dass die Abstimmungsprozesse länger werden und dass der Verwaltungsaufwand sowie die Kosten steigen", sagt er. Christiane Riefler-Karpa, Geschäftsführerin des Laborgeräte-Herstellers Memmert mit 120 Mitarbeitern (siehe Interview) äußert sich ähnlich: "Es kann für ein kleines Unternehmen problematisch sein, wenn Richtlinien eingehalten werden müssen, ganz unabhängig davon, ob das in der jeweiligen Situation sinnvoll ist oder nicht."

In vielen kleinen Firmen übernehmen deshalb andere Vertretungsformen, beispielsweise runde Tische und Belegschaftssprecher, die Mitbestimmung im Betrieb, fand die Untersuchung von IfM und BfS heraus. Alternative Vertretungsformen sind demnach immerhin in 16 Prozent der Mittelstandsfirmen existent. Hierbei handele es sich jedoch meist um Einrichtungen, die von den Arbeitgebern initiiert wurden, so Mittelstandsforscherin Schlömer. Einige dieser regelmäßigen Vertretungsformen wiesen aber auch betriebsratsähnliche Strukturen auf: Sie seien von der Belegschaft gewählt. Allerdings ist die Mitsprache bei dieser Form der Arbeitnehmervertretung auf den guten Willen des Arbeitgebers angewiesen, denn es gibt für sie keine gesetzliche Grundlage.

© SZ vom 6.12.20077bön - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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