Mentoring-Programme:Lernen von der Chefin

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Mentoring-Programme boomen: Was Unternehmen, Organisationen und Frauen für Frauen tun.

Cathrin Kahlweit

Heide Pfarr hat, wie sie selbst sagt, eine "ungewöhnliche Karriere" hingelegt. Sie war Senatorin in Berlin und Frauenministerin in Hessen; heute leitet sie das Wirtschaftsinstitut der Hans-Böckler-Stiftung und ist Professorin für Arbeitsrecht in Hamburg. Ungewöhnlich sei das alles, glaubt sie, weil sie selten darauf angewiesen gewesen sei, sich mit aller Macht durchzusetzen. Sie hat Glück gehabt, weil ihr Thema - Frauen und Gleichstellung - Konjunktur hatte, während sie Karriere machte. Und: Glück hatte sie, wenn man so will, weil es eine Frau war, die einstige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts und heutige Chefin des Goethe-Instituts, Jutta Limbach, die sie einst davon abhielt, "einen bio-dynamischen Bauernhof zu gründen. Sie fand, das wäre doch sehr schade, wenn ich ausstiege", erinnert sich Pfarr.

Aber gerade weil sie meint, dass sie es leicht hatte, hat sich die Wissenschaftlerin in einem Programm engagiert, das Frauen in öffentlichen Ämtern voranbringen will. Denn Frauen in Führungspositionen sind in Deutschland drastisch unterrepräsentiert. Etwa sechs Prozent sitzen im höheren Management von Firmen, etwa fünf Prozent auf C4-Professuren, und - ungeachtet des Siegeszugs der Angela Merkel: Auch in der Politik haben Frauen noch das Nachsehen.

Die meisten Frauen sind ohne Mentor

"Women in Public Leadership" heißt daher eine Initiative der "Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft" (EAF), die auch Pfarr anwarb; und wenn an diesem Dienstag das erste Mal in Deutschland eine Frau zur Kanzlerin gewählt wird, werden am Politikerinnen-Kolleg der EAF die Sektkorken knallen. Schließlich ist ja genau dies das Ziel: Frauen auf politische Top-Positionen vorzubereiten und sie bei ihrer Karriereplanung zu unterstützen.

Merkel hatte einen männlichen Mentor namens Helmut Kohl; aber die meisten Frauen müssen sich ohne Unterstützung durchboxen. Die Akademie tut daher, was Hunderte Vereine und Organisationen sowie eigens dafür eingerichtete Abteilungen in Unternehmen und Universitäten tun. Sie fördert Frauen mit einem Mentoring-Programm.

Ursprünglich stammt der Begriff aus dem Griechischen. Ein gebildeter Mann namens Mentor war von Odysseus gebeten worden, sich während seiner Abwesenheit um seinen Sohn zu kümmern. Zwei Jahrtausende später entdeckte die US-Frauen-Bewegung Mentor und seinen Ziehsohn Telemachos als Vorbild für die Beziehung zwischen weiblicher Mentorin und Mentée - und damit als weibliches Pendant zu jenen Old-boys-Networks, in denen erfolgreiche Männer junge Kollegen auf ihrem Karriereweg begleiten.

Mittlerweile boomen Mentoring-Programme; große Unternehmen wie Lufthansa, VW oder die Deutsche Bank nutzen sie als Instrument der Frauenförderung. Pfarr wiederum, die Mentorin, wurde von der gemeinnützigen EAF zusammengebracht mit Philine Scholze, einer jungen Historikerin, ihrer "Mentée".

Mischung aus Anpassung und Widerstand

Nach einem Vorbereitungsseminar, in dem Führungsqualitäten, Zeitmanagement und Kommunikationstechniken trainiert wurden, begleitete Scholze ihre Mentorin in einer zweiten Phase, "Shadowing" genannt. Sie schaute ihr über die Schultern, hörte zu, lernte. "Frauen haben viel zu wenig Vorbilder", findet Pfarr, "es hilft ihnen, wenn sie am lebenden Modell lernen können".

Scholze ist heute Fraktionsassistentin der Grünen im Europa-Parlament. Von Pfarr hat sie gelernt, wie die "angemessene Mischung aus Anpassung und Widerstand" aussieht und dass man sich bei aller Lust auf Karriere immer auch "mit seiner Arbeit identifizieren muss".

© SZ vom 22.11.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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