Mein Kollege sagt ...:"Wie war dein Wochenende?"

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Die Höflichkeit gebietet, sich montags morgens wenigstens kurz zu erkundigen, wie der Kollege sein Wochenende verbracht hat. Dabei hören wir Offenbarungen aus dem Privatleben, die besser ungesagt geblieben wären.

Julia Bönisch

Der Montag ist der schlimmste Tag der Woche: Die Qualen einer kompletten Arbeitswoche warten. 40 Stunden, meistens mehr, vollgestopft mit unangenehmen Dingen. Das Wochenende steckt noch in den Knochen, der Kaffee ist natürlich alle und saubere Tassen sind keine zu finden, da am Freitagabend niemand mehr die Spülmaschine einräumen wollte.

Endlich Wochenende: Soll man montags wirklich von der schlechten Geburtstagsparty, dem Besuch bei den Schwiegereltern oder dem kompletten Absturz in der berüchtigsten Bar der Stadt berichten? (Foto: Foto: iStock)

Schlechter kann es eigentlich nicht losgehen, doch in diesem denkbar ungünstigen Moment schlägt die Stunde der Schwätzer. Ihr liebstes Hobby: Small Talk. Reden, ohne dabei denken zu müssen, kann unter Umständen sehr angenehm sein. Doch leider gehört dazu auch die andere Seite dazu, das Zuhören. Und meistens gelingt es nur schlecht, das Denken dabei ebenfalls einzustellen.

Im Freundeskreis nur Pärchen

"Und, wie war dein Wochenende?", fragt der Kollege also. Und schon kreisen die Gedanken um zwei wesentliche Fragen:

1. Was offenbart man nun aus seinem Privatleben? Soll man wirklich beichten, dass man das Wochenende ganz allein verbracht hat, da im Freundeskreis nur Pärchen sind, die mal wieder so richtig kuschelig gemeinsam DVDs schauen wollten? ("Wir haben leider keine Zeit. Weil, wir möchten am Samstag einen ganz gemütlichen Pärchenabend machen. Aber ich hab gehört, dass in der Vorstadt-Disco eine ganz tolle Singleparty stattfinden soll.")

Oder berichtet man allen Ernstes von der schlechten Geburtstagsparty, dem Besuch bei den Schwiegereltern oder dem kompletten Absturz in der berüchtigsten Bar der Stadt? Was für ein Bild lassen solche Beichten im Kopf des Kollegen entstehen?

Abhandlungen über das Freizeitverhalten

Die zweite Frage, die nach einer solchen Gesprächseinleitung im Raum steht, ist mindestens genauso wichtig:

2. Stellt der Kollege sie vielleicht nur, um selbst von all seinen Erlebnissen zu berichten - und müssen wir dann unsererseits seinen Abhandlungen über sein Freizeitverhalten lauschen?

Auf der nächsten Seite: Wie sich langatmige Schilderungen über wahlweise das traurige Leben als Großstadtsingle, gestresste Mutter pubertierender Kinder oder frisch Verliebter vermeiden lassen.

So selten wie Veganer in der Metzgerei

Natürlich gibt es Büros, in denen solche Gespräche nett gemeint sind und Kollegen ein ehrliches und gegenseitiges Interesse am Privatleben zeigen. Doch wir stellen hier die These auf, dass solche Gemeinschaften so selten sind wie Veganer in der Metzgerei. In der Regel beschränkt sich der Wissensdurst, was den Schreibtischnachbarn angeht, auf das Wesentliche: Macht er seine Arbeit? Falls nicht, wer macht sie dann? Doch nicht etwa ich?

Trotzdem gebietet es die Höflichkeit, montags morgens zumindest kurz nachzufragen, ob der andere die freien Tage gut hinter sich gebracht hat. Wer langatmige Schilderungen wahlweise über das traurige Leben als Großstadtsingle, gestresste Mutter pubertierender Kinder oder frisch Verliebter vermeiden will, dem bieten sich zwei Auswege: Entweder, er stellt ausschließlich geschlossene Fragen mit abschließender Feststellung: "Und? Schönes Wochenende gehabt? Wetter war ja spitze." An so einen Allgemeinplatz kann sich gar kein Gespräch mehr anschließen.

Sichere Bank: das Fernsehprogramm

Oder er zieht sich auf ein absolut sicheres Terrain zurück, das immer eine Bank für substanzloses Geplänkel ist: das Fernsehprogramm. "Haste gestern den Tatort geguckt?" Die 90 Minuten des Vorabends sind binnen fünf Minuten abgehakt und jeder kann wieder zur Routine übergehen.

Ab Montagmittag hat man auf diese Weise wieder seine Ruhe. Bis Freitag - wenn der Kollege fragt: "Und, was hast du am Wochenende so vor?"

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