Mein Kollege sagt ...:"Was hast du denn an?"

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Von wegen innere Werte: Wer attraktiv ist, hat Erfolg. Um gut auszusehen, halten sich die Kollegen an den Branchen-Dresscode - der so langweilig ist, als wäre er vom Ordnungsamt erlassen.

Julia Bönisch

Haben Sie bisher auch immer geglaubt, es seien solche Dinge wie Ihre inneren Werte, Ihre Fähigkeiten und Ihr Können, die über Ihre Karriere entscheiden?

Mein Kollege sagt ...: Lauter Business-Klone: Abweichung vom Dresscode wird bitter bestraft, denn aus der Reihe tanzt niemand.

Lauter Business-Klone: Abweichung vom Dresscode wird bitter bestraft, denn aus der Reihe tanzt niemand.

(Foto: Illustration: Astrid Müller)

Vergessen Sie's: Schöne Menschen haben es im Job leichter. Jeder Personaler wird selbstredend bestreiten, Gehalt und Beförderungen nach der Optik der Bewerber zu vergeben. Natürlich komme es nur auf Kompetenz, Wissen und Erfahrung an.

Doch gutes Aussehen ist auch gut für die Karriere. Unattraktive Männer haben nach Untersuchungen der Ökonomen Daniel Hamermesh und Jeff Biddle ein niedrigeres Einkommen als der Durchschnitt. Jedes zusätzliche Kilogramm bedeutet für Manager einen Verlust von 1000 Dollar im Jahr. Besonders Gutaussehende dagegen erhalten mehr.

Der Fettleibigkeitseffekt

Auch die Wirtschaftswissenschaftler Susan Averett und Standers Korenman haben die Beziehung von Gehalt und Aussehen untersucht - und dabei den sogenannten Fettleibigkeitseffekt entdeckt: Mit einem niedrigen Einkommen müssen vor allem Frauen und Männer zurechtkommen, die unter Übergewicht leiden.

Optik gibt den Ausschlag. Nur sieben Prozent des Eindrucks, den wir bei anderen hinterlassen, gehen auf das tatsächlich Gesagte zurück. Woher wir uns die restlichen 93 Prozent zusammenklauben, liegt auf der Hand: Gestik, Mimik, Figur - und Kleidung. Die gute Nachricht ist: Zumindest bei der haben wir es in der Hand, sie zu gestalten. Die schlechte Nachricht lautet: Kaum jemand macht davon Gebrauch.

Abweichung wird bitter bestraft

Schon mal am Frankfurter Hauptbahnhof aus- oder umgestiegen? Die zahlreichen Banker sehen alle aus wie geklont. Dunkle Businessanzüge, feucht gegelter Bürstenhaarschnitt und Laptop unterm Arm. Oder Münchner PR-Damen: Ein dynamisch wippender Pferdeschwanz kombiniert mit Perlenohrringen und Flanellkostümchen.

Egal in welches Unternehmen man schaut, die Kollegen halten sich ausnahmslos an einen vermutlich vom Ordnungsamt erlassenen Branchen-Dresscode. Abweichung wird offenbar bitter bestraft, denn aus der Reihe tanzt niemand. Selbst in den angeblich so kreativen Wirtschaftszweigen wie Werbung oder Medien existiert ein Mode-Diktat - schwarze, dicke Brille, Freitag-Umhängetasche und neuerdings der Künstlerschal, der wohlgemerkt ein bisschen dünner sein sollte als einer, der den Hals tatsächlich warm hält.

Auf der nächsten Seite: Wie der Kollege auf dem schmalen Grad von Konformität und Unauffälligkeit auf der einen Seite und einem klitzekleinen Funken Individualismus auf der anderen balanciert.

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