Mein Kollege sagt ...:"Ups, vermailt"

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In den meisten Unternehmen sprechen die Mitarbeiter nicht mehr miteinander. Nein, sie mailen lieber. Kein Wunder, dass einiges schiefgeht.

Julia Bönisch

Unmengen von E-Mails werden täglich in die Datennetze dieser Welt gejagt. Einer Schätzung zufolge sollen es allein im Jahr 2006 84 Milliarden gewesen sein. Tröstlich an solchen Statistiken ist lediglich die Tatsache, dass Bill Gates allein vier Millionen Nachrichten erhalten soll, pro Tag wohlgemerkt. Wahrscheinlich sind auch davon 99,5 Prozent Junkmails. Geschieht ihm Recht, möchte man da sagen.

"Sie haben Post": Eine Mail mit Riesenanhang bringt schnell das komplette System zum Erliegen. (Foto: Foto: iStock)

Gefühlte 84 Milliarden E-Mails hat der Kollege allein Montagmorgen in seinem Postfach. Nach zwei Tagen Abwesenheit ist es dermaßen überfüllt, dass die Zeit bis zur ersehnten Mittagspause nur mit dem Löschen und Beantworten der aufgelaufenen Nachrichten vergeht.

Nicht so erstaunlich sind da folgende Zahlen: Angeblich werden nur noch 77,6 Prozent aller Mails tatsächlich gelesen. Schuld sind entweder ein kryptischer Betreff, unhöfliche und schludrige Formulierungen oder verwirrende Abkürzungen.

Angeborenes Unverständnis gegenüber Outlook

Wie soll man auch bei der Flut aller eingehenden Nachrichten die wirklich wichtigen noch erkennen? Die privaten Einladungen und Geburtstagsgrüße zum Beispiel? Oder die Lästerei über den Chef und den Kollegen?

Davon abgesehen ist allein die Technik an sich furchtbar verwirrend. Bei Vorgesetzten scheint das Unverständnis gegenüber Outlook angeboren respektive geradezu Voraussetzung zur Beförderung gewesen zu sein. Wie ließe es sich sonst erklären, dass man etwa 80 Prozent von ihnen immer wieder erklären muss, wie man Anhänge verschickt, öffnet oder löscht?

Kein Wunder, dass beim E-Mail-Management also manchmal etwas durcheinander gerät. Die Klassiker unter den peinlichen E-Mail-Pannen sind:

1. Statt "reply" "reply all" auswählen Schon trägt der Flirtversuch, die heimliche Verabredung im Kopierraum oder der zynische Kommentar zur peinlichen Leistung des Kollegen zur Erheiterung der ganzen Firma bei. Wenn es noch dümmer läuft und der ganz große Verteiler im Spiel ist, haben auch die Filialen in Übersee, Kunden und Lieferanten was davon.

2. Die Nachricht nicht Vorstandsmitglied Fischer, sondern an den Betriebsratsvorsitzenden Fischer senden Das ist besonders unangenehm, wenn es in der E-Mail um so sensible Fragen wie Neueinstellungen, Kündigungen (Chefdeutsch: Freistellungen) oder Gehaltsfragen geht. So kommt die ausgeklügelte Kommunikationspolitik ganz schnell an ihre Grenzen.

3. Das Attachment vergessen "Sehr geehrter Herr Meier, anbei finden Sie ..." Anbei? Varianten dieses Fehlers sind entweder, das falsche Dokument anzuhängen (gern die nur intern zu verwendende Richtlinie, die auf keinen Fall an Kunden weitergegeben werden darf) oder, das Dokument in Form eines 27 Megabyte großen Riesenanhangs zu verschicken, der das komplette System zum Erliegen bringt.

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4. Statt auf "forward" auf "reply" drücken Da bekommt der Kollege einen unlesbaren Text voller Fehler. "Gott, wie dämlich", schreibt er. "Das würde ich am liebsten ausdrucken und ihm korrigiert zurückschicken." Und drückt statt auf Weiterleiten den Antwort-Button. Schon ist die Mail nicht beim Lästermaul von nebenan, sondern bei dem Kunden mit der Rechtschreibschwäche.

Von der virtuellen in die echte Welt übertragen ist dieses Missgeschick in etwa so angenehm, wie auf dem Gang über den Chef zu lästern, der ausgerechnet in diesem Moment direkt hinter einem steht. Da ist die einzige Hoffnung, dass er in Gedanken ganz woanders war oder aufgrund eines Ohrenleidens nichts von den Gemeinheiten mitbekommen hat.

Keine Beweise

Im Abmahn-Gespräch eine Woche später kann er sich dann darauf berufen, so etwas niemals, unter keinen Umständen gesagt zu haben. Beweise gibt es schließlich nicht, vorausgesetzt, der Läster-Partner erweist sich als guter Kollege und hält dicht.

Trotzdem sollte es der Kollege lieber mit Eliot Spitzer, dem ehemaliger Gouverneur von New York, halten: "Never write when you can talk. Never talk when you can nod. And never put anything in an e-mail."

Spitzer musste im März dieses Jahres übrigens zurücktreten, weil er sich mit einer Edel-Prostituierten vergnügt hatte: Der Politiker hatte sich einfach nicht an seinen eigenen Ratschlag gehalten.

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