Mein Kollege sagt ...:"Ich weiß es besser"

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Nur weil der Kollege Rot- von Weißwein unterscheiden kann, hält er sich schon für einen Connaisseur. Über den nervigen Alltag mit Oberschlauen im Büro.

Julia Bönisch

Zur Vorstellung seines eigenen Ichs gelangt der Kollege üblicherweise, indem er Selbst- und Fremdbild abgleicht, sich die Rosinen aus beiden herauspickt und daraus einen angenehmen Charakter bastelt. Dass dabei Innen- und Außenansicht manchmal eher kleine Schnittmengen aufweisen, ist kein Geheimnis.

Rot- oder Weißwein? Einfach den Kollegen fragen - der weiß es bestimmt. (Foto: Foto: iStock)

Was das Team zum Beispiel für Sprechdurchfall hält, bezeichnet der Kollege selbst als Eloquenz. Glaubt er an seinen eigenen Fleiß, sehen die anderen nur Gschaftlhuberei. Und wo er bei sich geballte Kompetenz vermutet, argwöhnen sie Wichtigtuerei.

Ein Seelenverwandter des Vorgesetzten

Da der Mensch jedoch meist zu faul zum Kritisieren ist, macht den Kollegen auf diese Diskrepanzen niemand aufmerksam. Also hält ihn nichts und niemand davon ab, in schöner Regelmäßigkeit über seine angeblichen High-Potential-Qualitäten zu faseln. Und alle anderen darauf hinzuweisen, dass seine Art, die Dinge zu erledigen, die einzig korrekte ist. Nur der Vorgesetzte des Besserwissers erkennt in ihm einen Seelenverwandten und hält ihn deshalb für hochkompetent.

Bei einem neuen Kollegen fängt die Besserwisserei meist ganz harmlos an. Der Satz "In meiner alten Firma haben wir das anders gemacht", klingt ungefährlich, sollte aber jeden hellhörig werden lassen. Ist der Kollege schon länger an Bord, erkennt man den Besserwisser daran, dass er zu jedem Thema einen Ansprechpartner weiß, überall schon einmal war und wirklich alles schon mal ausprobiert hat.

Klugscheißer-Qualitäten

Die Tatsache, dass er Rot- von Weißwein unterscheiden kann, macht ihn gleich zum Connaisseur. In seinen Augen reicht das aus, um sich als großer Kenner in Szene zu setzen. Die Qualitäten eines Klugscheißers hat solch ein Mitarbeiter spätestens dann erreicht, wenn er selbst bei abseitigen Themen beweisen will, dass sich niemand so gut auskennt wie er.

Ein Small Talk über den letzten Urlaub zum Beispiel. Die Kollegin berichtet Interessantes über ihre Indien-Reise, da fährt man schließlich nicht alle Tage hin. "Ach, in Mumbai warst du auch? Die Stadt kenne ich wie meine Westentasche." Natürlich weiß der Besserwisser alles über dieses beschauliche Fleckchen Erde mit seinen 14 Millionen Einwohnern, wie könnte es auch anders sein.

Auf der nächsten Seite: Warum man sich mit solchen Schlaumeier-Kollegen nie auf eine Diskussion einlassen sollte.

Bedingungslos positive Grundhaltung

Experten raten in solchen Situationen zu aktivem Zuhören. Also nicht einfach abwenden, sondern Empathie und Mitgefühl zeigen, dem Gegenüber mit Akzeptanz und einer bedingungslos positiven Grundhaltung begegnen. Denn vielleicht macht sich der Kollege nur deshalb so wichtig, weil ihm sonst niemand Aufmerksamkeit schenkt.

Aber aktives Zuhören ist gar nicht so einfach, wenn einem nach jedem dritten Satz gesagt wird, man liege falsch und habe keine Ahnung. Wer sich da auf Diskussionen einlässt, hat verloren - denn ein Schlaumeier hat alle Zeit der Welt. Er kämpft in solchen Auseinandersetzungen so lange, bis die anderen um Gnade winseln und erklären, dass sie natürlich völlig falsch gelegen haben.

In seinen Augen weiß er es doch wirklich besser - ganz objektiv. Die enorme Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung ist also nur schwer zu vermitteln. Aber vielleicht versteht der Kollege die Problematik besser, wenn man sie ihm anhand eines simplen Rechenbeispiels erläutert: Eine Null kann einen bestehenden Fehler verzehnfachen.

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