Mein Kollege sagt ...:"Ich hab dir das mal ausgedruckt"

Lesezeit: 2 min

Von wegen papierloses Büro: Statt seine Dokumente nur noch auf dem PC zu speichern, hortet der Kollege sie immer noch in Aktenordnern. Und bevor er ein Original wegschmeißt, macht er zur Sicherheit schnell noch drei Kopien davon.

Julia Bönisch

Die Revolution hieß Lisa. So nannte Steve Jobs den ersten Büro-Computer mit Maus, der 1983 auf den Markt kam. Mit Lisa hielt die Idee der Digitalisierung des Arbeitsplatzes Einzug in die Büros dieser Welt: Nie wieder Papierstapel, nie wieder Chaos, nie wieder Zettelwirtschaft.

Papierstau im Büro: Im Durchschnitt druckt ein Angestellter sechs Textentwürfe aus, bevor er sicht traut, eine E-Mail wirklich loszuschicken. (Foto: Foto: iStock)

Dass Lisa ausgerechnet in den 80ern erfunden wurde, kann kein Zufall sein. Schließlich grassierte in dieser Zeit die Angst vor dem Waldsterben. Heute ist der deutsche Wald gerettet - allerdings nur wegen effektiver Investitionen in die Waldsanierung und nicht, weil die Deutschen plötzlich so sparsam mit Papier umgehen.

Das Papier ist tot, es lebe das Papier!

Die Food and Agriculture Organization (FAO) der Vereinten Nationen schätzt, dass jährlich 590.000 Hektar Wald weltweit für deutsche Papier- und Zellstoffimporte gerodet werden. Das ist eine Fläche doppelt so groß wie das Saarland. Das Papier ist tot, es lebe das Papier! Statt seine Dokumente nur noch auf dem PC zu speichern, hortet der Kollege sie immer noch in Aktenordnern.

Auf den meisten Schreibtischen existieren Computer und Papier in friedlichem Miteinander: Das Protokoll der letzten Sitzung ist zwar gespeichert, aber auf der Papierversion lassen sich viel besser Notizen festhalten. Bevor wir ein Original wegschmeißen, machen wir zur Sicherheit schnell noch drei Kopien davon. "Ich hab dir das mal ausgedruckt", sagt der Kollege und knallt einem prompt einen dicken Stapel auf den Schreibtisch.

Erstaunliche Rechtschreibschwächen

Der Computer führt nicht zu weniger Altpapier, sondern zu mehr: Ein britisches Marktforschungsunternehmen hat herausgefunden, dass Unternehmen die Anzahl ihrer Dokumente alle zwei Jahre sogar verdoppeln. Selbst die E-Mail, die ja völlig papierlos funktionieren könnte, steigert den Papierverbrauch - um ansehnliche 40 Prozent.

Schließlich macht das Lesen viel mehr Spaß, hat man die Nachricht auch tatsächlich in der Hand. So findet man im Drucker schon mal private Einladungen zu einer Cocktailparty und weiß dann endlich, was der Kollege Abends so treibt. Selbst die Excel-Liste mit den Hochzeitsgästen des Abteilungsleiters ist auf diese Weise schon ans komplette Team kommuniziert worden. Selbst das Verschicken der Nachrichten scheint Probleme zu bereiten: Im Durchschnitt druckt ein Angestellter sechs Textentwürfe aus, bevor er sicht traut, auf den "Senden"-Button zu klicken.

Abgesehen davon, dass solch ein Verhalten von erheblichen Rechtschreibschwächen und Kommunikations-Psychosen in deutschen Büros zeugt, ist dieses Vorgehen geradezu fahrlässig den Kollegen gegenüber: Deutsche Laserdrucker und Kopierer schwärzen jährlich rund 800.000 Tonnen Papier und pusten dabei gefährliche Feinstpartikel in die Luft.

Auf der nächsten Seite: Warum sich die Interessengemeinschaft der Tonergeschädigten mit Umweltaktivisten zusammentun müsste.

Hinter Papierbergen verbergen sich unzuverlässige Charaktere

Manche Drucker sondern angeblich so viel davon ab, dass man immer noch gesünder arbeiten würde, stünde der Schreibtisch auf den Grünstreifen neben der Autobahn - wo seit den 80ern kaum noch Bäume stehen. Die Interessengemeinschaft der Tonergeschädigten (ITG), die bereits seit einigen Jahren gegen Drucker und Toner kämpft, könnte sich also gut mit Umweltaktivisten zusammen tun und ihre Lobbyarbeit so wesentlich effizienter gestalten.

Das käme auch den Unternehmen zu Gute: Nach einer Studie der Unternehmensberatung IDC müssen europäische Firmen etwa 15 Prozent ihres Umsatzes für die Verwaltung von Dokumenten ausgeben. Besonders teuer ist die Suche nach alten Unterlagen. Laut Fachhochschule Berlin kostet das Stöbern in alten Papierstapeln pro Seite im Schnitt 1,66 Euro.

Ohnehin vermutet jeder zweite Chef (um die nächste Studie zu bemühen, diesmal von der Uni Manchester), dass sich hinter Papierbergen ein unzuverlässiger Charakter verbirgt: Wer auf dem Schreibtisch keine Ordnung halten kann, arbeitet auch gern ein bisschen schlampig, so das Vorurteil. Insofern käme das papierlose Büro auch dem jährlichen Erfolgsbonus zu Gute: "Ach, beim Meier ist es immer so aufgeräumt. Der kriegt heuer 15 Prozent mehr."

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: