Mein Kollege sagt ...:"Danke!"

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Der Dank unter Kollegen kann Wunder wirken. Er kann aber auch nerven oder schlicht eine Frechheit sein. Vor allem wird er zu gerne vergessen.

Carsten Matthäus

Es fing alles ganz angenehm an. Der Kellner kam an den Tisch und sagte: "Ich freue mich, Sie heute zu bedienen." Bei der Bestellung sagte er bei jedem Wunsch "Danke", oder "Sehr schön", oder "Das weiß ich zu schätzen".

"Thank you": Very british, sehr cool und - für den Empfänger des Dankes eigentlich nichts wert. (Foto: Foto: afp)

Etwas dick aufgetragen vielleicht, aber irgendwie nett, dieser Kellner. Dachte man zunächst. Mitten im Essen kam er dann mehrfach vorbei und fragte, ob es denn schmecke. Das Nicken mit vollem Mund bewegte ihn zu einem neuen Lobpreis: "Danke, das weiß ich zu schätzen." Kaum lag das Besteck auf dem Teller, war er wieder da und flötete, dass er sich über den Appetit seiner Gäste sehr freue.

Etwas Käse? Noch mal die Karte?

Man atmete durch, doch gefühlte zwei Minuten später stand der Kellner wieder vor dem Tisch, lächelte gewinnend und fragte, ob man denn nicht etwas von dem köstlichen Dessert haben wolle? Oder etwas Käse? Oder noch mal die Karte? Man wollte nicht.

Der Kellner wusste dies wirklich zu schätzen, drehte daraufhin lächelnd immer engere Runden um den Tisch, zwinkerte, lächelte, nickte. Man verlangte die Rechnung. Natürlich wurde dies mit vielfachem Dank beschieden. Man hätte ihn gerne auf den Mond geschossen, diesen Kellner und verließ schnellstmöglich das Lokal.

Nicht geschimpft ist auch gelobt

Dies ist eine wahre Geschichte, sie spielte sich ab in einem Restaurant in den USA. So viel Freundlichkeit macht einem normalen Europäer eher Angst. Aber warum? Wir sind es einfach nicht gewöhnt, mit solch ausnehmender Freundlichkeit behandelt zu werden und - ganz ehrlich - es kann lästig werden.

Mittlerweile gibt es Unternehmen, häufig international tätige, die ihren Angestellten die amerikanische Form des permanenten Dankens als Firmen-"Policy" quasi verordnet haben. Diese Pflicht geht einem zwar zunächst mächtig auf die Nerven, und sie verkommt im Berufsalltag schnell zur puren Höflichkeitsfloskel. Aber die interne Etikette erinnert einen bei jeder E-Mail, jedem Telefonat, jedem Treffen daran, dass es einen guten Ton gibt, und dass dieser wichtig ist.

Doch es gibt auch Unternehmen - nicht zu wenige in Deutschland -, in denen gerade das Nicht-Danken als Tugend gilt. Dort wird der neue Mitarbeiter so an den Ton des Hauses gewöhnt: "Nicht geschimpft ist auch gelobt." Während der Ärger lautstark, wortreich und vor Publikum skandiert wird (siehe: ein Exempel statuieren), muss man seine berufliche Motivation über Monate hinweg aus einem unverständlichen "Hrrmpf" oder "Brmftl" ziehen, dass bei viel gutem Willen ein "Danke" hätte sein können. Möglicherweise. Neue Kollegen sind in solchen Unternehmen dann angekommen, wenn sie ähnlich grimmig dreinschauen und brummeln können wie ihr Chef.

Auf der nächsten Seite: Warum auch das unsägliche englische "Thanks" kein Ersatz für ein ordentliches Danke ist - und wie der Chef ein Lächeln auf die Gesichter der Mitarbeiter zaubern könnte.

Schiefgewickelt in der harten Arbeitswelt

Nein, dieses selbstgefällige Nicht-Danken ist kein Ausweis professioneller Nüchternheit. Es ist eine in deutschen Büroetagen noch viel zu weit verbreitete, feige Stoffelei. Jeder dieser Chefs sollte morgens vor der Arbeit zwangsweise folgenden Dankvers aufsagen müssen: "Ich freue mich, heute mit Ihnen arbeiten zu dürfen. Schön, dass Sie da sind. Danke für Ihren gestrigen Einsatz."

Dass sich ein Kollege in "normalen" - also unamerikanischen - Unternehmen bei einem anderen ausgiebig bedankt, kommt ebenfalls selten vor. In traditionellen Büroatmosphären würde es wohl eher belustigt wahrgenommen. "Den schaug o, ganz der ander", würde man sich in Bayern wohl zuraunen und damit befinden, der dankende Kollege sei ein wenig schiefgewickelt in der harten Arbeitswelt.

Natürlich gibt es das "Danke" auch auf deutschen Bürofluren, aber eher im Vorbeigehen. Es klingt geschäftsmäßig und wird im Austausch "Okay", "Passt schon" oder dem unsäglichen englischen "Thanks" verwendet. Very british, sehr cool und für den Empfänger des Dankes nicht merkbar.

Die unterste Stufe des eiskalten Dankes ist die E-Mail vom Vorgesetzten mit einem nervigen Arbeitsauftrag und dem Kurzschluss "Danke schon mal, lg (abgekürzt für "Liebe Grüße" und kleingeschrieben, weil selbst die Shift-Taste zu viel Arbeit machen würde) XY (Die Initialen dann wieder groß, weil beim eigenen Namen muss so viel Zeit schon sein). Unnötig zu sagen, dass solche Botschaften nicht einmal mit einer Anrede beginnen.

Fingierte Störungsmeldung

Solcher "Dank" sollte eigentlich direkt mit einer fingierten Störmeldung quittiert werden: "Ihre E-Mail konnte nicht zugestellt werden, der Ton entsprach nicht den Mindestanforderungen der modernen Bürokommunikation. Bitte versuchen Sie es noch einmal. DANKE!"

Dabei weiß eigentlich jeder, der schon einmal ein herzliches "Danke" von einem Kollegen oder Vorgesetzten bekommen hat - ein gesprochenes ist hier gemeint, am besten von Angesicht zu Angesicht und vor anderen Kollegen -, wie unglaublich groß dessen Wirkung ist. Es entgiftet das Büroklima möglicherweise auf Jahre hin, zaubert ein Lächeln auch auf das Gesicht völlig unbeteiligter Zuhörer und macht das ganze Unternehmen wieder lebenswert, trotz der grindigen Schreibtische, der mäßigen Kantine, der schlechten Atemluft, viel zu langer Arbeitszeiten und schlechter Bezahlung.

Sie müssen ja nicht gleich den oben beschriebenen amerikanischen Kellner kopieren, aber machen Sie doch einen Versuch, irgendeinem Kollegen ein freundliches "Danke" zu schenken. Wir würden das sehr zu schätzen wissen.

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