Medizinische Fachangestellte:Hilfe beim Hausbesuch

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Carmen Gandila, Vizepräsidentin des Verbands medizinischer Fachberufe. (Foto: privat)

Ärzte finden häufig keine Medizinischen Fachangestellten. Dabei könnten diese ihnen einige Haubesuche abnehmen.

Interview von Miriam Hoffmeyer

Auch Medizinische Fachangestellte können Hausbesuche machen, wenn sie eine entsprechende Fortbildung gemacht haben. Doch niedergelassene Ärzte müssen immer länger suchen, wenn sie die Stelle einer Arzthelferin oder eines Arzthelfers zu besetzen haben, wie der Beruf bis zum Jahr 2006 hieß. In Bayern, Baden-Württemberg und dem Saarland gibt es schon mehr offene Stellen als arbeitslose Medizinische Fachangestellte (MFA). Die Vizepräsidentin des Verbands medizinischer Fachberufe, Carmen Gandila, führt den Mangel vor allem auf schlechte Bezahlung und fehlende Anerkennung zurück.

SZ: Sie warnen vor einem Fachkräfte-Engpass. Dabei ist der Beruf der MFA doch seit vielen Jahren einer der beliebtesten Ausbildungsberufe überhaupt.

Carmen Gandila: Das stimmt. Pro Jahr beginnen zwischen 12 000 und 15 000 Jugendliche - vor allem Frauen - eine Ausbildung zur Medizinischen Fachangestellten, und das Interesse ist in den letzten Jahren sogar noch gestiegen. Aber fast ein Viertel bricht die Ausbildung wieder ab. Und von denen, die dabeibleiben, fallen etwa zehn Prozent bei der Abschlussprüfung durch - deutlich mehr als früher. Es kommen also sehr viel weniger MFA auf dem Arbeitsmarkt an, als man erwarten sollte. Und die demografische Entwicklung verstärkt das Problem wie in anderen Berufen auch.

Warum scheitern so viele an der Abschlussprüfung?

Die Ausbildung ist oft nicht optimal, weil in den Praxen die Zeit dafür fehlt. Ausbildungsleiter sind die Ärztinnen und Ärzte, die dafür eigentlich nicht ausgebildet sind und sich im hektischen Alltag nur wenig um die Azubis kümmern können. Wir fordern deshalb, dass erfahrene MFA in die Ausbildung eingebunden werden, um die nötigen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu vermitteln. Die müssten dann natürlich auch die zeitlichen Ressourcen dafür haben.

Stehen sie denn so unter Zeitdruck?

Allerdings! Wie hoch das Stresslevel ist, zeigt eine Studie von Arbeitsforschern der Universität Düsseldorf, an der 900 MFA teilgenommen haben. Drei Viertel klagten über Stress aufgrund von hohem Zeitdruck und häufigen Arbeitsunterbrechungen. Irgendetwas ist ja immer: Der Arzt hat ein Anliegen, ein Notfallpatient kommt herein, oder die Technik streikt. Auch die sehr kleinen Teams und die direkte Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber, von dem die MFA abhängig sind, können belastend sein. Ganz zu schweigen von der schlechten Bezahlung. Der Tarifvertrag ist ja nicht allgemeinverbindlich, Ärzte sind also nur selten direkt verpflichtet, nach Tarif zu zahlen. Tarifbindung muss eher über eine Klausel im einzelnen Arbeitsvertrag hergestellt werden.

Wenn Fachkräfte so knapp sind, könnten sie aber doch bessere Gehälter mit den Ärzten aushandeln?

Ja, wenn sie durchsetzungsstark sind - aber das sind eben nicht alle. Viele verlassen den ambulanten Bereich und wechseln in Krankenhäuser, wo das Einstiegsgehalt um volle 500 Euro monatlich höher liegt als in Arztpraxen. 2017 arbeiteten 56 000 ausgebildete Medizinische Fachangestellte in Krankenhäusern, diese Zahl ist innerhalb von fünf Jahren um mehr als ein Viertel gestiegen. Andere Kolleginnen geben den Beruf ganz auf und machen etwas anderes.

Was müsste sich ändern, damit mehr Medizinische Fachangestellte in den Arztpraxen bleiben?

Sie müssten zum Beispiel von den Arbeitgebern systematisch darin unterstützt werden, sich fortzubilden, und dann auch das entsprechend bessere Gehalt bekommen: Unser Tarifvertrag sieht dafür höhere Tätigkeitsgruppen mit deutlich höheren Einkommen vor. Wichtig wäre auch mehr Anerkennung - und zwar nicht nur von den Chefs. Die Arbeit der Medizinischen Fachangestellten wird in der Gesellschaft zu wenig wertgeschätzt, die verbale Aggressivität bei Patienten nimmt zu, der Umgangston ist rauer geworden. Wenn die Perspektiven und die Wertschätzung besser wären, würden sicher viel weniger MFA abwandern. Denn eigentlich ist das ein sehr schöner Beruf.

© SZ vom 16.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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